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Gewillkürtes Betriebsvermögen deutscher Personengesellschaften

BMFG 437/1-IV/4/9915.4.19991999

EAS 1441

Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen internationaler Steuerfälle ist in einem ersten Schritt stets nach inländischem Recht vorzugehen und Art und Umfang des inländischen Besteuerungsanspruches zu analysieren. Erst in einem zweiten Schritt ist auf der Grundlage der Bestimmungen der Doppelbesteuerungsabkommen zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der im ersten Schritt ermittelte inländische Besteuerungsanspruch aufrechtzuerhalten ist.

Ist ein Österreicher an einer deutschen Personengesellschaft beteiligt, deren Betriebsgegenstand die gewerbliche Parkraumvermietung ist, dann muß nach inländischem Recht beurteilt werden, in welchem Umfang Vermögen des Österreichers der Betriebstätte der deutschen Personengesellschaft zuzurechnen ist.

Nach inländischem Recht ist allerdings ernstlich zweifelhaft, ob die Einkünfte einer ausländischen Personengesellschaft nach § 5 EStG zu ermitteln sind, da die Firma dieser ausländischen Personengesellschaft nicht - wie dies § 5 EStG als Voraussetzung für seine Anwendung verlangt - im (österreichischen) "Firmenbuch" eingetragen ist. Gleichlautende Bedenken hat der deutsche Bundesfinanzhof bei Deutschen geäußert, die an einer US-Limited Partnership beteiligt waren, da diese nicht (nach inländischem deutschen Handelsrecht) "auf Grund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet war, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen" (BFH v. 9.8.89, BStBl II 1990, 175). Ist der Gewinnanteil des österreichischen Beteiligten der deutschen Personengesellschaft aber nach den Grundsätzen des § 4 EStG zu ermitteln, dann sind Einkünfte aus einer im gewillkürten Betriebsvermögen der deutschen Personengesellschaft gehaltenen 15%igen AG-Beteiligung (deutsche Vertriebs-AG von Sanitärartikeln) nicht in den betrieblichen Gewinn der deutschen Personengesellschaft einzubeziehen. Die Beteiligung steht diesfalls im steuerlichen Privatvermögen des österreichischen Beteiligten.

Bei dieser Sichtweise ergibt sich in dem zu setzenden zweiten Schritt der rechtlichen Beurteilungen, nämlich bei Anwendung des österreichisch-deutschen Doppelbesteuerungsabkommens, die (zunächst noch vorläufige) Rechtsfolge, daß diese Einkünfte (laufende Dividenden und allfällige Veräußerungsgewinne) in Österreich nicht von der Besteuerung freizustellen sind.

Ist es allerdings so, daß die deutsche Steuerverwaltung bei der nach deutschem Steuerrecht zur handelsrechtlichen Buchführung verpflichteten deutschen Personengesellschaft sehr wohl die Beteiligung als gewillkürtes Betriebsvermögen anerkennt, dann wird Deutschland bei Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens zulässigerweise zu einer anderslautenden Rechtsfolge kommen, nämlich jener, daß das Abkommen der steuerlichen Erfassung der gegenständlichen Beteiligungseinkünfte als betriebliche Einkünfte der deutschen Personengesellschaft nicht entgegensteht.

Der hiedurch eintretende Qualifikationskonflikt (Deutschland wendet die Zuteilungsregel für Unternehmensgewinne, Österreich wendet jene für Dividenden und nichtbetriebliche Veräußerungsgewinne an) vermag allerdings bei sachgerechter Anwendung des Methodenartikels (Artikel 15) keinen grenzüberschreitenden Besteuerungskonflikt zu verursachen. Denn bei Auslegung von Artikel 15 Abs. 1 des DBA-Ö/D (Anwendung der Befreiungsmethode) wird davon auszugehen sein, daß dieser Bestimmung die gleichen Rechtswirkungen wie der vergleichbaren Bestimmung des Artikels 23A des OECD-Musterabkommens zuzuschreiben sind. Dies bedeutet, daß dann, wenn Deutschland durch eine Geltendmachung von Besteuerungsansprüchen nicht gegen das Abkommen verstößt, wenn sonach Deutschland durch das Abkommen an der Geltendmachung inländischer Besteuerungsansprüche nicht behindert wird, Österreich als Ansässigkeitsstaat die abkommensrechtlich vorgesehene Steuerentlastungsmaßnahme (Steuerbefreiung unter Progressionsvorbehalt) zu setzen hat. Diese Steuerbefreiung hat unabhängig davon zu erfolgen, ob Deutschland im Rahmen von Umgründungsvorgängen tatsächlich zur Steuererhebung schreitet oder nicht; denn es kommt nur darauf an, ob Deutschland das Besteuerungsrecht durch das Abkommen belassen wird, nicht aber darauf, ob dieses auch tatsächlich ausgeübt wird.

Wird daher auf deutscher Seite die Zugehörigkeit der Beteiligung zum gewillkürten Betriebsvermögen der deutschen Personengesellschaft festgestellt, dann führt dies auf österreichischer Seite gemäß Artikel 15 zu einer entsprechenden Steuerfreistellung.

15. April 1999 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 15 Abs. 1 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen und Vermögen), BGBl. Nr. 221/1955

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