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Errichtung einer inländischen Ost-Handelsagentur durch Steuerausländer

BMFC 17/1-IV/4/965.3.19961996

EAS 829

 

Wird von Steuerausländern im Wege einer in einem Niedrigsteuerland angesiedelten "off shore Gesellschaft" in Österreich eine GmbH errichtet, deren Geschäftszweck darin besteht, petrochemische Produkte im Ausland anzukaufen und an Kunden in Oststaaten weiterzuverkaufen, wobei in Wien ein Büro angemietet wird, das für Vertragsabwicklung, Fakturierung, Inkasso, Bankkontoverwaltung, Korrespondenz, Buchhaltung, Bilanzierung vorgesehen ist (2 ausländische Geschäftsführer und ein inländischer Mitarbeiter), dann kann in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht von einer inländischen Sitzgesellschaft gesprochen werden, sondern es liegt eine im internationalen Handelsgeschäft operativ tätige inländische GmbH vor.

Die Frage, ob in einem derartigen Fall für Belange der steuerlichen Gewinnermittlung der Gewinn der inländischen Handelsagentur-GmbH nach der Kostenaufschlagsmethode (Kosten plus 10%), durch Ansatz einer fremdüblichen Agenturprovision oder auf andere Weise zu ermitteln ist, kann im ministeriellen EAS-Verfahren nicht beantwortet werden. Denn die Beantwortung dieser Frage hängt in erster Linie von einer umfassenden "Funktionsanalyse" der von der inländischen GmbH, der ausländischen Basisgesellschaft ("off shore Gesellschaft") und den dahinter stehenden Gesellschaftern tatsächlich wahrzunehmenden Aufgaben ab. Hierbei werden die OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995 unterstützend herangezogen werden können (insbesondere in Bezug auf die darin vorgesehenen Nachweisführungspflichten).

Werden die Transaktionen derart abgewickelt, dass nur die österreichische GmbH als Ein- und Verkäufer auftritt, wobei weder die genannte Basisgesellschaft noch die dahinter stehenden Steuerausländer vom Ausland aus in die Transaktionen entscheidend eingreifen, dann wird die Funktion der österreichischen GmbH vermutlich die eines Eigenhändlers sein, der der gesamte aus der Handelstätigkeit erzielte Gewinn zugerechnet werden muss.

Sollte demgegenüber die Funktion der inländischen GmbH jener eines Kommissionärs vergleichbar sein, der im eigenen Namen aber auf fremde Rechnung die Verkäufe durchführt, dann wird der Ansatz einer der erbrachten Vertreterleistung angemessenen Provision der richtige Weg für die internationale Gewinnabgrenzung sein. Hierbei wird man sich daran zu orientieren haben, zu welchen Bedingungen ein fremdes Unternehmen die betreffende Provisionsvereinbarung abgeschlossen hätte; es ist nicht auszuschließen, dass hierbei kalkulatorische Überlegungen auf der Grundlage der Kostenaufschlagsmethode angestellt werden können.

Ob der eine oder andere Fall vorliegt sowie ob möglicherweise noch unberücksichtigt gebliebene weitere wesentliche Aspekte gegeben sind, müsste mit dem örtlich zuständigen Finanzamt abgeklärt werden, wobei dieses Amt eine gutachtliche Beurteilung allerdings nur mit zeitlicher Befristung und unter Vorbehalt der Richtigkeit der Sachverhaltsoffenlegung erteilen würde.

5. März 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

OECD-MA, OECD-Musterabkommen

Schlagworte:

Offshore-Gesellschaft, Verrechnungspreisgrundsätze, Verrechnungspreise, steuerliche Zurechnung, Fremdüblichkeit, Fremdvergleich

Verweise:

OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995

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