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Inländische Gewinnung von Medikamentenrohstoffen für ein ausländisches Pharmaunternehmen im Umweg über Liechtenstein

BMFD 14/2-IV/4/969.4.19961996

EAS 858

Werden die von einem ausländischen Pharmakonzern benötigten landwirtschaftlichen Rohstoffe durch eine inländische Konzerngesellschaft beschafft und transportreif verarbeitet, dann kann - mangels Vorliegens vergleichbarer Fremdpreise - der konzerninterne Verrechnungspreis in Anwendung der Kostenaufschlagsmethode ermittelt werden. Dies auch dann, wenn das ausländische Pharmaunternehmen die Rohstoffe zwar direkt aus Österreich angeliefert bekommt, jedoch die Fakturierung unter Zwischenschaltung einer liechtensteinischen Aktiengesellschaft (die als Käufer der Rohstoffe gegenüber der österreichischen Gesellschaft auftritt) und einer deutschen Kapitalgesellschaft (die als Käufer gegenüber der liechtensteinischen AG auftritt) abgewickelt wird.

Allerdings wird in einem solchen Fall mit besonderer Sorgfalt darauf zu achten sein, dass durch eine derartige Gestaltung nicht österreichische Steuern umgangen werden. Dies wäre der Fall, wenn durch eine Unterfakturierung nach Liechtenstein Gewinne aus Österreich abgesaugt werden.

In einem solchen Fall kann allerdings auch eine Verlagerung von Gewinnen des ausländischen Pharmaunternehmens nach Liechtenstein vorliegen; dann nämlich, wenn zwar die österreichischen Verrechnungspreise nach Liechtenstein korrekt, die über Deutschland in das Land des Pharmaunternehmens weiterverrechneten Beträge hingegen überhöht sind. Die Gestaltung kann aber auch eine Gewinnverlagerung zu Lasten beider Staaten (Österreichs und des Staates des Pharmaunternehmens) bewirken.

Bei der Untersuchung, ob eine Umgehung österreichischer Steuern vorliegt, wird eine Funktionsanalyse der liechtensteinischen und der deutschen Gesellschaft abzuverlangen sein. Sollte die liechtensteinische Gesellschaft ein Briefkastenunternehmen sein, dann handelt es sich hiebei um ein Unternehmen, "das keinen geschäftlichen Betrieb hat, und das deswegen keine Leistungen erbringen kann" (VwGH v. 22.3.95, Zl. 93/13/0076). Einem solchen funktionslosen Unternehmen kann daher auch kein Gewinnanteil zugeordnet werden (Ziffer 2.26 der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 1995).

Bei der Beurteilung, welcher Aufschlag im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode der österreichischen Konzerngesellschaft zuzuordnen ist, wird auch auf die Preisgestaltung zwischen der deutschen Gesellschaft und dem ausländischen Pharmaerzeuger Bedacht zu nehmen sein; denn diese wird erkennen lassen, inwieweit das österreichische Unternehmen auf einem gewinnträchtigen Markt mittätig ist und daher Anspruch auf eine diesem Markt entsprechende angemessene Abgeltung seiner Konzernmitarbeit hat.

Sollte es nicht möglich sein, in dem gegenständlichen Fall die Konzernverrechnungspreise des österreichischen Unternehmens unilateral in diesem Sinn in einer fremdverhaltenskonformen Höhe anzusetzen, könnte durchaus auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit der deutschen Steuerverwaltung und der Steuerverwaltung des Staates des Pharmaunternehmens in Erwägung gezogen werden; dies mit dem Ziel, für eine sachgerechte internationale Gewinnaufteilung zwischen den drei involvierten Staaten zu sorgen (und zwar entweder im Wege eines Verständigungsverfahrens oder im Wege des Amtshilfeverkehrs).

Diese internationale Zusammenarbeit kann allerdings mit erheblichem zeitlichen Aufwand und gegebenenfalls mit Auslandsdienstreisekosten verbunden sein, die angesichts des Auftrages zur sparsamen Gestaltung der finanzbehördlichen Verwaltungstätigkeit von Amts wegen nur bei ausreichend hohen Steuerbeträgen zu suchen sein wird.

Werden Gewinnkorrekturen seitens der österreichischen Abgabenbehörde unilateral, also ohne Abstimmung mit ausländischen Verwaltungen, vorgenommen, dann steht es dem (oder den) betroffenen ausländischen Unternehmen frei, falls die österreichische Gewinnerhöhung aus ihrer Sicht einen Verstoß gegen den Fremdverhaltensgrundsatz darstellt, von sich aus den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens mit Österreich zu stellen.

9. April 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

OECD-MA, OECD-Musterabkommen

Schlagworte:

Steuerumgehung, Vergleichspreise, Verrechnungspreise, Verrechnungspreisgrundsätze, Gewinnverlagerung, Briefkastengesellschaft, Verständigungsverfahren, Fremdverhaltensgrundsatz, fremdverhaltenskonform, Fremdüblichkeit

Verweise:

OECD-Verrechnungspreisgrundsätze
VwGH, 93/13/0076

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