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Schweizerische Basisgesellschaften

BMFK 61/1-IV/4/9629.4.19961996

EAS 861

 

Beteiligt sich ein österreichischer Maschinengroßhändler, der Maschinen deutscher Herkunft in Osteuropa verkauft, zu 95% an einer schweizerischen Basisgesellschaft, der zu 5% auch ein finanzkräftiger ausländischer Investor angehört, und kann die Finanzierung hiedurch nunmehr günstiger abgewickelt werden als früher (die deutschen Produzenten geben nunmehr ein zweimonatiges Zahlungsziel, Kredite zur Vorfinanzierung der im Leasingweg nach Osteuropa verkauften Maschinen sind nunmehr günstiger in der Schweiz zu erlangen), dann ist die hiedurch erzielte Gewinnvermehrung sicherlich das Ergebnis einer erfolgreichen Geschäftsführung. Ob allerdings die Mehrgewinne steuerlich der schweizerischen Basisgesellschaft zuzurechnen sind, ist fraglich und hängt vom Ergebnis einer sorgfältigen Funktionsanalyse ab, in der festzustellen sein wird, ob und gegebenenfalls welche Leistungen von der schweizerischen Gesellschaft tatsächlich erbracht worden sind und in welcher Art und Weise dies geschehen ist.

Nach den im Rahmen des EAS-Verfahrens zugänglichen Unterlagen darf eine schweizerische Sitzgesellschaft, der von mehreren Kantonen Steuerfreiheit zugesichert wird, in der Schweiz weder ein Büro besitzen noch eigenes Personal beschäftigen und folglich in der Schweiz keine gewerblichen oder finanziellen Transaktionen vornehmen (Worldwide Corporate Tax Guide, Ernst & Young).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat bestätigend judiziert, dass derartige bloße Briefkastengesellschaften keine Leistungen erbringen können (VwGH 22.3.1995, 93/13/0076).

Nach Ziffer 2.26 der neuen OECD-Verrechnungspreisgrundsätze ist einer funktionslos zwischengeschalteten ausländischen Gesellschaft kein Gewinnanteil zuzurechnen.

Handelt es sich bei der schweizerischen Basisgesellschaft tatsächlich um eine steuerfreie und daher in der Schweiz nicht wirklich tätige Basisgesellschaft, dann wird sie im übrigen auch nicht in der Lage sein, die Funktion eines Einkäufers gegenüber den deutschen Maschinenproduzenten auszuüben, sondern wird diesfalls möglicherweise bloß als "Fakturierungsgesellschaft" benützt.

Solange daher die Kernfrage nicht einwandfrei geklärt ist, ob und gegebenenfalls in welchen Räumlichkeiten und mit welchem Personal echte wirtschaftliche Funktionen in der Schweiz ausgeübt worden sind, solange wird die Vermutung nahe liegen, dass die bisher formell im Namen der schweizerischen Gesellschaft von deren Gesellschaftern gesetzten Handlungen den Betrieben der Gesellschafter und nicht einem nicht existenten Betrieb der Briefkastengesellschaft zuzurechnen sind (in diese Richtung weisen auch die VwGH-Erkenntnisse 23.3.94, 92/15/0159, betr. Zurechnung von US-Immobilienerträgen, und VwGH 21.10.86, 84/14/0023, betr. Zurechnung der Einkünfte aus einem internationalen Juwelenhandel). Unter solchen Gegebenheiten ist es daher noch verfrüht, der weiteren Frage nachzugehen, nach welcher Methode eine Gewinnaufteilung zwischen den österreichischen Betrieben des Hauptgesellschafters und der schweizerischen Gesellschaft vorzunehmen ist.

29. April 1996 Für den Bundesminister: Dr. Loukota

Für die Richtigkeit der Ausfertigung:

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975

Schlagworte:

steuerliche Zurechnung, Zurechnung von Einkünften, Basisgesellschaft, Funktion, funktionslose Gesellschaft, funktionslose Zwischengesellschaft, Gewinnaufteilungsverfahren

Verweise:

VwGH 22.03.1995, 93/13/0076
VwGH 23.03.1994, 92/15/0159
VwGH 21.10.1986, 84/14/0023
OECD-Verrechnungspreisgrundsätze

Stichworte