VwGH 2013/11/0243

VwGH2013/11/024327.5.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des R Z in J, vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk und Dr. Maria Skof, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 8. Oktober 2013, Zl. UVS 40.4-3/2013-2, UVS 333.4-1/2013-5, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen ein Straferkenntnis wegen Übertretung des AVRAG sowie Zurückweisung einer Berufung (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2012 forderte der Bürgermeister der Landeshauptstadt Graz (im Folgenden: Erstbehörde) den Beschwerdeführer zur Rechtfertigung auf, da ihm zur Last gelegt werde, es als Inhaber des als Arbeitgeber fungierenden Einzelunternehmens G. mit Sitz in Slowenien zu verantworten zu haben, dass zwei näher genannten Arbeitnehmern der ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien nicht geleistet worden sei, weshalb § 7i Abs. 3 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) verletzt worden sei. Diese Aufforderung wurde dem Beschwerdeführer laut dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein am 17. Oktober 2012 an seiner Wohnadresse in Slowenien zugestellt.

Im Verwaltungsakt erliegt weiters eine Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers durch die Erstbehörde am 24. Oktober 2012. Laut Niederschrift tue es dem Beschwerdeführer leid, dass es zu der erwähnten Übertretung gekommen sei, er ersuche unter Berücksichtigung der erstmaligen Übertretung und des kurzen Tatzeitraumes um eine "Herabsetzung der Strafe". Die Niederschrift wurde vom Beschwerdeführer unterschrieben.

Mit Bescheid vom 14. November 2012 erließ die Erstbehörde ein Straferkenntnis, demzufolge es der Beschwerdeführer als Inhaber des als Arbeitgeber fungierenden Einzelunternehmens G. mit Sitz in Slowenien zu verantworten zu haben, dass zwei näher genannten Arbeitnehmern der ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Grundlohn unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien nicht geleistet worden sei, weshalb § 7i Abs. 3 des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (AVRAG) verletzt worden sei. Über den Beschwerdeführer wurden wegen dieser Übertretungen Geldstrafen in Höhe von EUR 5.000,-- bzw. EUR 3.000,-- verhängt (Ersatzfreiheitstrafe fünf Tage bzw. zwei Tage). Im Verwaltungsakt erliegt ein Rückschein, demzufolge das Straferkenntnis, welches eine vollständige und richtige Rechtsmittelbelehrung enthielt, dem Beschwerdeführer am 21. Dezember 2012 an seiner Adresse in Slowenien zugestellt wurde.

Am 21. Jänner 2013 wurde ein Schreiben des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers zur Post gegeben, mit dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt wurde. Vorgebracht wurde, der Beschwerdeführer sei der deutschen Sprache nicht mächtig. Als er am 21. Dezember 2012, dem Freitag vor Weihnachten, das Straferkenntnis übernommen habe, habe er daher nicht verstanden, welchen Inhalt es habe. Er sei slowenischer Staatsbürger und habe auch nicht damit rechnen müssen, dass ihm in Slowenien ein Schriftstück in einer ihm fremden Sprache zugestellt werde. Er sei am 21. Dezember 2012 mit seiner Frau, die aus Lettland stamme, nach Lettland zu deren Familie gefahren. Die Zustellung sei erfolgt, als man schon mit gepackten Koffern zur Abreise bereit gewesen sei. Er habe daher das Straferkenntnis übernommen und, weil er es nicht verstanden habe, beiseitegelegt mit der Absicht, sich nach seiner Rückkehr aus Lettland damit näher zu beschäftigen. Aus Lettland am 6. Jänner 2013 zurückgekehrt habe er das Straferkenntnis seinem Rechtsvertreter übermittelt, mit der Bitte um Erklärung, worum es sich dabei handle. Erst ein Anruf einer Mitarbeiterin der Kanzlei seines Rechtsvertreters habe ihm Aufschluss gebracht, dass es sich um eine Bestrafung wegen einer Übertretung des AVRAG gehandelt habe und die Berufungsfrist bereits abgelaufen sei.

Unter einem wurde die Berufung gegen das Straferkenntnis nachgeholt.

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 8. Oktober 2013 wies der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark den Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung ab (Spruchpunkt I.) und wies die Berufung wegen Verspätung zurück (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde ausgeführt, es sei unbestritten, dass der Beschwerdeführer in Österreich gewerbliche Tätigkeiten ausgeübt habe, diesbezüglich sei er verpflichtet gewesen, sich zeitgerecht über die diese Tätigkeiten regelnden Vorschriften bei den zuständigen Stellen zu informieren. Unbestritten sei auch, dass der Beschwerdeführer sowohl der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 8. Oktober 2012 gefolgt sei und anlässlich der mit ihm am 24. Oktober 2012 aufgenommenen Niederschrift die Beiziehung eines Dolmetschers nicht erforderlich gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien folglich nicht gegeben. Infolge der verspäteten Einbringung der Berufung - die Berufungsfrist habe bereits mit Ablauf des 4. Jänner 2013 geendet - sei diese als verspätet zurückzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstatte eine Gegenschrift, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AVG lauten (auszugsweise):

"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.

(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.

(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.

..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. In der Beschwerde wird die Verfristung der Berufung nicht in Zweifel gezogen. Durch die mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ausgesprochene Zurückweisung derselben wurde der Beschwerdeführer somit nicht in Rechten verletzt.

2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus § 71 AVG, dass der Wiedereinsetzungsantrag ein Vorbringen über seine Rechtzeitigkeit zu enthalten hat und dass anzugeben ist, aus welchem Grund der Antragsteller einen Tatbestand des § 71 Abs. 1 AVG als erfüllt ansieht. Dabei trifft ihn die Obliegenheit, bereits im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat, und diesen behaupteten Wiedereinsetzungsgrund bereits im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen, was aber als Grundlage entsprechende Behauptungen voraussetzt (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 17. Juli 2009, Zl. 2007/11/0087, und vom 21. Februar 2012, Zl. 2009/11/0267, jeweils mwN.). Letzteres ist im Beschwerdefall nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht angegeben, dass er das am 21. Dezember 2012 an seiner Wohnadresse in Slowenien übernommene amtliche Schriftstück, nämlich die Ausfertigung des Straferkenntnisses vom 14. November 2012, nicht gelesen hätte, es wurde auch nicht vorgebracht, dass er nicht verstanden hätte, dass es sich um ein amtliches Schriftstück der Erstbehörde (des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Graz) handelte. Der Wiedereinsetzungsantrag enthält auch kein Vorbringen dahin, dass der Beschwerdeführer, dem bereits am 17. Oktober 2012 die Aufforderung derselben Behörde zur Rechtfertigung an seine Adresse in Slowenien zugestellt worden war, anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 24. Oktober 2012 nicht in Kenntnis davon gewesen wäre, dass gegen ihn wegen des Verdachts von Übertretungen nach dem AVRAG ein Verwaltungsstrafverfahren anhängig sei (wie oben wiedergegeben hat der Beschwerdeführer laut der von ihm unterschriebenen Niederschrift die Unterentlohnung der zwei Arbeitnehmer nicht bestritten und wegen des kurzen Tatzeitraums um eine geringe Bestrafung ersucht). Vorgebracht wird auch nicht, dass der Beschwerdeführer keine Kenntnis von der zweiwöchigen Berufungsfrist nach dem VStG gehabt hätte.

Vor diesem Hintergrund kann nicht gesagt werden, dass dem Beschwerdeführer bloß ein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden trifft, wenn er, mag er sich auch wegen seiner Weihnachtsurlaubspläne unter Zeitdruck gefühlt haben, ein amtliches Schriftstück derselben Behörde, die seinem Wissenstand nach zu diesem Zeitpunkt gegen ihn ein Verwaltungsstrafverfahren führte, in dem er den entscheidenden Vorwurf nicht bestritten hatte, beiseitegelegt und sich dafür entschieden hat, sich erst nach der Rückkehr aus dem Urlaub am 6. Jänner 2013 mit dem Inhalt des Schriftstücks näher zu beschäftigen.

Die mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides verweigerte Bewilligung der Wiedereinsetzung ist demnach im Ergebnis nicht als rechtswidrig zu erkennen.

2.3. Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen zur Gänze als unbegründet abzuweisen.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II, Nr. 455.

Wien, am 27. Mai 2014

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