VwGH 2013/05/0137

VwGH2013/05/01375.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Sußner, über die Beschwerde der C K in W, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gonzagagasse 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Juni 2013, Zl. UVS-WBF/V/17/2930/2010-10, betreffend Wohnbeihilfe (weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §17 Abs3;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §20 Abs1;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §21 Abs4 Z5;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §60 Abs1;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §17 Abs3;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §20 Abs1;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §21 Abs4 Z5;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989 §60 Abs1;
Wohnbauförderungs- und WohnhaussanierungsG Wr 1989;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Vorgeschichte des Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 13. November 2012, Zl. 2010/05/0069, zu entnehmen. Daraus ist festzuhalten:

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 50, vom 17. Dezember 2009 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 23. November 2009 auf Weitergewährung der Wohnbeihilfe abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin zwei Wohnungen zur Verfügung stünden und für das antragsgegenständliche Objekt in Wien 15 somit kein dringendes Wohnbedürfnis bestehe. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie vorbrachte, sie wohne mit ihren Kindern ausschließlich in der antragsgegenständlichen Wohnung in Wien 15, die andere Wohnung in Wien 14 sei für sie und ihre drei Kinder, von denen zwei behindert seien, zu klein geworden und werde vermietet (was ihr Einkommen erhöhe).

Die belangte Behörde gab der Berufung mit Bescheid vom 8. Februar 2010 keine Folge; dieser Bescheid wurde mit dem eingangs genannten hg. Erkenntnis vom 13. November 2012 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Darin wurde insbesondere ausgeführt:

"Gemäß § 21 Abs. 4 Z 5 WWFSG 1989 erlischt der Anspruch auf Wohnbeihilfe, wenn der Antragsteller und die sonstigen bei der Haushaltsgröße berücksichtigten Personen nicht ausschließlich über diese Wohnung verfügen und zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses regelmäßig verwenden.

Die belangte Behörde zieht nicht in Zweifel, dass die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern in der verfahrensgegenständlichen Wohnung in Wien 15 wohnt, vertritt aber im Ergebnis die Auffassung, sie könnte auch in ihrer Wohnung in Wien 14 wohnen; dass Letztere vermietet sei, sei nicht von Belang. Es könne jedenfalls nicht Aufgabe einer öffentlichen Wohnbauförderung sein, mit öffentlichen Mitteln, die zur Unterstützung für das Wohnen dienen, jemanden zu fördern, der gleichzeitig über mehrere Wohnungen verfüge, um daraus Einnahmen zu erzielen.

Das von der belangten Behörde zum Ausdruck gebrachte rechtspolitische Ziel, es solle nicht jemand aus öffentlichen Mitteln gefördert werden, der ohnedies über eine andere Wohnung verfüge, ist zwar grundsätzlich dem WWFSG 1989 zu unterlegen, aus dem Blickwinkel des Beschwerdefalles allerdings unter der (von der belangten Behörde sichtlich verkannten) Voraussetzung, dass ein dringendes Wohnbedürfnis an der zu fördernden Wohnung zu verneinen ist, wenn es gehörig in der anderen Wohnung befriedigt werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2008, Zl. 2007/05/0166). Es genügt daher nicht, dass eine andere Wohnung überhaupt vorhanden ist (vgl. auch § 60 Abs. 1, § 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 4 Z 5 WWFSG 1989, wo ua. auf ein dringendes Wohnbedürfnis abgestellt wird). Die belangte Behörde hat aber nicht dargetan, dass die genannten Voraussetzungen im Beschwerdefall vorlägen. Weder hat sie dargelegt, dass die Wohnung in Wien 15 nicht dem dringenden Wohnbedürfnis der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder diente, noch, dass diese Personen ihr dringendes Wohnbedürfnis in der Wohnung in Wien 14 befriedigen könnten. Die belangte Behörde hat sich nämlich nicht mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin auseinander gesetzt, die Wohnung in Wien 14 sei für sie und die Kinder zu klein geworden. Ob diese Wohnung 'zu klein' ist, ist anhand des § 17 Abs. 3 WWFSG 1989 zu beurteilen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war."

Im fortgesetzten Berufungsverfahren führte die belangte Behörde am 26. Februar 2013 eine mündliche Verhandlung durch. Mit E-Mail vom 24. Jänner 2013 teilte die Beschwerdeführerin u.a. mit, dass sie umgezogen sei und nunmehr in Wien 16 wohne. Gemäß der Niederschrift über die mündliche Verhandlung erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe in der Zwischenzeit noch eine andere Wohnung in Wien 16, die sie ab 1. August 2010 "vermietet" (gemeint offenbar: bezogen) habe. Sie hätte demnach nur Wohnbeihilfe bis Juli 2010 beantragt. Sie habe die Wohnung in Wien 14 verkauft, weil sie sich eine größere Wohnung in Wien 16 gekauft habe. In dieser Wohnung habe ihr Sohn einen eigenen Wohnbereich mit Bad. Sie habe die neue Wohnung auch mit Kredit finanziert (es folgten nähere Angaben). Sie arbeite mittlerweile auch länger und habe ein entsprechend höheres Einkommen.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung erneut keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt.

Begründend führte sie nach Darstellung des Verfahrensganges aus, gemäß § 17 Abs. 3 des Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz 1989 (WWFSG 1989) betrage das angemessene Ausmaß der Wohnnutzfläche für eine Person 50 m2, wobei sich dieses Ausmaß für die erste im gemeinsamen Haushalt lebende Person um 20 m2 und für jede weitere um 15 m2 erhöhe. Dabei handle es sich um Höchstgrenzen, wodurch die Förderung von Luxuswohnungen hintangehalten werden solle.

Die angemessene Wohnnutzfläche für einen Vierpersonenhaushalt (wie im Beschwerdefall) wäre 100 m2. Entsprechend dem im Akt einliegenden Mietvertrag bestehe die Wohnung in Wien 14 aus zwei Zimmern, einem Kabinett, einer Küche, Bad, WC, Vorzimmer und Balkon. Selbst wenn die Wohnung nicht über die gemäß § 17 Abs. 3 WWFSG 1989 angemessene Wohnnutzfläche verfüge, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar, weshalb diese Wohnung nicht geeignet sein solle, der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses zu dienen. Es sei im Verfahren nicht vorgebracht worden, dass die Wohnung weniger als 30 m2 aufweise und daher nicht als Wohnung im Sinne der Wiener Bauordnung anzusehen wäre, weshalb von einer ortsüblichen Wohnung auszugehen gewesen sei. Nach Auffassung der belangen Behörde hätte die Beschwerdeführerin den Mieter der Wohnung kündigen müssen, um die Wohnung für sich selbst zu verwenden. Es sei daher davon auszugehen, dass ihr eine weitere - in ihrem Eigentum stehende - Wohnung zur Verfügung gestanden und diese auch zur Befriedigung ihres Wohnbedürfnisses geeignet gewesen sei.

Weiters sei in diesem Zusammenhang zu betonen, dass das Eigentum an einer anderen Wohnung von vornherein die Gewährung einer Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 ausschließe. Angesichts der Tatsache, dass "die Gewährung einer Wohnbeihilfe unter den Kompetenztatbestand 'Armenwesen'" falle, bedürfe es keiner näheren Ausführungen dazu, dass der Beschwerdeführerin, wenn sie ihre Eigentumswohnung weitervermiete, nicht noch zusätzlich für die tatsächlich bewohnte Wohnung Wohnbeihilfe nach dem WWFSG 1989 gewährt werden könne. Dabei sei es nach Auffassung der belangten Behörde auch unerheblich, aus welchen Gründen die gegenständliche Eigentumswohnung, "dessen Vermögenswert dem Regelungstatbestand 'Armenwesen' ab ovo diametral entgegensteht, nicht vom Eigentümer selbst bewohnt wird. Es kann dem Gesetzgeber wohl nicht unterstellt werden, die Anhäufung von Vermögenswerten zu begünstigen. Sinn der Wohnbauförderung ist die Verschaffung einer Wohnmöglichkeit, nicht aber die Vermietung einer vorhandenen Wohnung, um eine andere, geförderte Wohnung zu erhalten."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Auf das vorliegende, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Beschwerdeverfahren sind die Bestimmungen des VwGG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 33/2013 weiter anzuwenden (vgl. § 79 Abs. 11 VwGG).

Hat der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012) stattgegeben, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Bei der Erlassung des Ersatzbescheides besteht somit eine Bindungswirkung an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2011, Zl. 2010/21/0286, mwN). Keine Bindungswirkung bestünde bei einer relevanten Änderung der Sach- oder Rechtslage; dass es sich bei der Wohnung in Wien 14 um eine Eigentumswohnung handelt, war von Anfang an bekannt.

Gegen die oben dargestellte Bindungswirkung hat die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren verstoßen. Zum einen insofern, als sie dem angefochtenen Bescheid ihre Rechtsansicht zugrunde gelegt hat, die Gewährung von Wohnbeihilfe für die antragsgegenständliche Wohnung in Wien 15 komme wegen der Wohnung in Wien 14 von vornherein nicht in Betracht. Zum anderen deshalb, weil sie die Frage, ob die Wohnung in Wien 14 im Sinn des Vorbringens der Beschwerdeführerin "zu klein" sei, nicht gehörig anhand der Kriterien des § 17 Abs. 3 WWSFG 1989 geprüft hat. Die belangte Behörde hat zwar im fortgesetzten Verfahren eine mündliche Verhandlung durchgeführt, dabei aber die zur Klärung dieser Frage erforderlichen Ermittlungen (etwa durch Einvernahme der Beschwerdeführerin dazu) unterlassen. Die Schlussfolgerung der belangten Behörde, die Wohnung in Wien 14 sei zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses der Beschwerdeführerin (und ihrer Kinder) geeignet, beruht lediglich auf Annahmen und Mutmaßungen, nicht aber auf den Ergebnissen eines gehörig ergänzten Ermittlungsverfahrens, wie es auf Grund der Bindungswirkung des oben genannten Vorerkenntnisses durchzuführen gewesen wäre. Im Übrigen wird bemerkt, dass angesichts des Vorbringens der Beschwerdeführerin auch zu klären gewesen wäre, ob diese ihren Antrag in zeitlicher Hinsicht einschränkt.

Da somit die belangte Behörde unter Missachtung der sich aus § 63 Abs. 1 VwGG ergebenden Bindungswirkung des aufhebenden hg. Erkenntnisses vom 13. November 2012 die darin geäußerte Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes nicht beachtet hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014 weiterhin anzuwendenden Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am 5. März 2014

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