VwGH 2012/06/0011

VwGH2012/06/001121.3.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch sowie die Hofrätin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zöchling, über die Beschwerde des V K in Graz, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger und Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 27/DG, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 23. November 2011, Zl. 035066/2010/0009, betreffend einen Bauauftrag (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
AVG §45 Abs2;
BauG Stmk 1995 §19 Z1;
BauG Stmk 1995 §40 Abs1;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;
AVG §38;
AVG §45 Abs2;
BauG Stmk 1995 §19 Z1;
BauG Stmk 1995 §40 Abs1;
BauG Stmk 1995 §40 Abs2;
BauG Stmk 1995 §40 Abs3;
BauG Stmk 1995 §41 Abs3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Graz vom 1. Oktober 2010 erging (soweit für das vorliegende Beschwerdeverfahren von Bedeutung) an den Beschwerdeführer der Auftrag, den auf einem näher bezeichneten Grundstück vorgenommenen Umbau, nämlich "den Einbau eines Kunststofffensterelementes im Ausmaß von ca. 110/200 cm im 3. OG der Ostfassade und "Abluftöffnungen, welche in der Nordfassade im 3. OG im Bereich DU/WC/AR eingebaut wurden", binnen sechs Wochen ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

2. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. November 2011 keine Folge und bestätigte den Bescheid der erstinstanzlichen Behörde.

Begründend legte die belangte Behörde im Wesentlichen dar, aus dem Erhebungsbericht vom 24. September 2010 und den dabei angefertigten Fotos gehe eindeutig hervor, dass an der Ostfassade (Feuermauer) im dritten Obergeschoss ein Kunststofffensterelement im Ausmaß von ca. 110/200 cm und in der Nordfassade (Feuermauer) im dritten Obergeschoss Abluftöffnungen eingebaut worden seien. Aus den vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Fotos, sei ersichtlich, dass es sich nicht um Einbauten in der Zeit vor 1984 handeln könne (unstrittig gemeint: vor Ablauf des 31. Dezember 1984). Dies korrespondiere auch mit den im Akt zu einer näher genannten Geschäftszahl einliegenden Plänen betreffend eine "§ 12-Bescheinigung" (gemeint: Bescheinigung gemäß § 12 Abs. 2 Z. 2 WEG 1975), in denen die gegenständlichen Abluftöffnungen und Fenster ebenfalls nicht ersichtlich seien, sodass im Ergebnis nicht vom Vorliegen eines rechtmäßigen Bestandes ausgegangen werden könne. Es sei in diesem genehmigten Plan betreffend die "§ 12-Bescheinigung" ersichtlich, dass Sanitärräume eingebaut seien. Es möge zutreffen, dass die im Beseitigungsauftrag genannten Fenster und Abluftöffnungen zum Zeitpunkt des Erwerbes der Wohnung im Jahre 1999 vorhanden gewesen seien, was aber in Bezug auf § 40 Stmk BauG 1995 zu keinem andern Verfahrensausgang geführt hätte. Ein allfälliger Mangel des Parteiengehörs erscheine jedenfalls durch die mit der Berufung gegebenen Möglichkeiten der Stellungnahme saniert. Die gegenständlichen Umbauten hätten schon vor ihrer Errichtung einer Bewilligung bedurft. Da für die verfahrensgegenständlichen Umbauten keine behördliche Baubewilligung vorliege, sei der Beseitigungsauftrag zu Recht ergangen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist folgende Rechtslage von Bedeutung:

Steiermärkisches Baugesetz 1995 (Stmk BauG 1995), im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides idF LGBl. Nr. 13/2011:

"§ 4

...

58. Umbau: die Umgestaltung des Inneren oder Äußeren einer bestehenden baulichen Anlage, die die äußeren Abmessungen nicht vergrößert oder nur unwesentlich verkleinert, jedoch geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren (z.B. Brandschutz, Standsicherheit, äußeres Erscheinungsbild), bei überwiegender Erhaltung der Bausubstanz;

...

§ 19

Baubewilligungspflichtige Vorhaben Bewilligungspflichtig sind folgende Vorhaben, sofern sich aus

den §§ 20 und 21 nichts anderes ergibt:

1. Neu-, Zu- oder Umbauten von baulichen Anlagen sowie umfassende Sanierungen;

...

§ 21

Baubewilligungsfreie Vorhaben

...

(2) Bewilligungsfrei sind überdies:

1. der Umbau einer baulichen Anlage oder Wohnung, der keine Änderung der äußeren Gestaltung bewirkt;

...

§ 40

Rechtmäßiger Bestand

(1) Bestehende bauliche Anlagen und Feuerstätten, für die eine Baubewilligung zum Zeitpunkt ihrer Errichtung erforderlich gewesen ist und diese nicht nachgewiesen werden kann, gelten als rechtmäßig, wenn sie vor dem 1. Jänner 1969 errichtet wurden.

(2) Weiters gelten solche bauliche Anlagen und Feuerstätten als rechtmäßig, die zwischen dem 1. Jänner 1969 und 31. Dezember 1984 errichtet wurden und zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bewilligungsfähig gewesen wären.

(3) Die Rechtmäßigkeit nach Abs. 2 ist über Antrag des Bauwerbers oder von Amts wegen zu beurteilen. Dabei ist die zum Zeitpunkt der Errichtung des Baues maßgebliche Rechtslage zu berücksichtigen. Liegen die Voraussetzungen nach Abs. 2 vor, hat die Behörde die Rechtmäßigkeit festzustellen. Der Feststellungsbescheid gilt als Bau- und Benützungsbewilligung.

...

§ 41

Baueinstellung und Beseitigungsauftrag

...

(3) Die Behörde hat hinsichtlich vorschriftswidriger baulicher Anlagen einen Beseitigungsauftrag zu erlassen. Der Auftrag ist ungeachtet eines Antrages auf nachträgliche Erteilung einer Baubewilligung oder einer Anzeige gemäß § 33 Abs. 1 zu erteilen.

..."

4.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, entgegen der Ansicht der belangten Behörde seien weder der in den Fotos vom 24. September 2010 dokumentierte Bauzustand noch die im Akt einliegenden Pläne geeignete Beweisgrundlagen für die Feststellung bzw. Schlussfolgerung der Behörde, die Umbauten seien erst nach 1984 vorgenommen worden. Abgesehen davon, dass bereits deshalb eine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorliege, weil dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den von der belangten Behörde beigeschafften Plänen aus dem genannten Akt gegeben worden sei, lasse sich aus diesen Plänen keinesfalls der Schluss ziehen, dass die Umbauten erst nach 1984 erfolgt seien. Die eingereichten Pläne seien 1984 zur Einholung einer "§ 12-WEG Bescheinigung" vorgelegt worden, und zwar anlässlich der Begründung von Wohnungseigentum an der gegenständlichen Liegenschaft. Gemäß § 12 WEG 1975 habe die Baubehörde diese Bescheinigung über die baurechtliche Selbständigkeit der jeweiligen Objekte auszustellen. Sie habe somit lediglich den Bestand an selbständigen Wohnungen und sonstigen selbständigen Räumlichkeiten festzustellen. Das betreffende Haus sei ein Altbau, der Mitte des 19. Jahrhunderts errichtet worden sei, wie sich ebenfalls aus den im Akt befindlichen historischen Plänen ergebe. Diese historischen Pläne, die sozusagen den baurechtlich bewilligten Zustand darstellten, seien ganz offensichtlich unter Berücksichtigung einiger kleinerer Änderungen im Inneren des Hauses, jedoch ohne die zwischenzeitig eingebauten Fenster einzuzeichnen, für die "§ 12-WEG-Bescheinigung" herangezogen worden. Es sei für ein derartiges Verfahren, das allein zur Feststellung der im Haus vorhandenen selbständigen Räumlichkeiten diene, auch völlig irrelevant, ob hier sämtliche tatsächlich vorhandenen Fenster gemäß dem aktuellen Bauzustand eingezeichnet gewesen seien. Des Weiteren gebe es keinerlei Beweisergebnisse, ob diese Pläne auf einem Befund beruhten, der vor Ort aufgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung ausführlich vorgebracht und unter Beweis gestellt, dass es sich bei den Fenstern um einen Altbestand handle, wobei das Fenster im

3. OG vermutlich aus den 50er Jahren stamme. Dies sei dem Beschwerdeführer "von einem Fachmann für Fenster" mitgeteilt worden. Es sei daher davon auszugehen, dass auch das Fenster im

1. Stock aus dieser Zeit stamme. Es seien jedoch weder die vom Beschwerdeführer beantragten Beweise aufgenommen worden noch sei von Amts wegen ein weiteres Ermittlungsverfahren durchgeführt worden. Durch die Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen sowie bei Durchführung eines Ortsaugenscheines hätte sich ergeben, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Fenster bereits vor dem 1. Jänner 1969 eingebaut worden seien, sodass von einem rechtmäßigen Bestand im Sinne des § 40 Stmk BauG 1995 auszugehen sei und der Beseitigungsauftrag zu beheben gewesen wäre. Gemäß § 37 AVG habe die Behörde nach den im Verwaltungsverfahren herrschenden Grundsätzen der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheitsfindung von sich aus den wahren Sachverhalt festzustellen.

4.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass die Erteilung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 nur dann in Betracht kommt, wenn die Errichtung eines bestimmten Baues sowohl zum Zeitpunkt der Bauausführung als auch zum Zeitpunkt der Erteilung des Beseitigungsauftrages bewilligungspflichtig bzw. anzeigepflichtig bzw. zwar bewilligungsfrei, aber gegen Bestimmungen des Stmk BauG 1995 verstoßend war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 7. August 2013, Zl. 2013/06/0036).

§ 40 Abs. 2 Stmk BauG 1995 kommt - bei gleichheitskonformer Auslegung - nicht nur zur Anwendung, wenn im angegebenen Zeitraum eine bauliche Anlage "errichtet" im engeren Wortsinn wird, sondern auch bei konsensbedürftigen Nutzungsänderungen oder - wie im vorliegenden Fall - bei konsensbedürftigen Umbauten. Die Frage der Rechtmäßigkeit einer baulichen Anlage ist als Vorfrage vor dem Erlassen eines Beseitigungsauftrages gemäß § 41 Abs. 3 Stmk BauG 1995 zu klären (vgl. auch dazu das vorgenannte Erkenntnis vom 7. August 2013).

Vom Vorliegen des Kriteriums der "Errichtung" im Sinne des § 40 Stmk BauG 1995 (hier: des gegenständlichen Umbaus) in dem relevanten Zeitraum kann immer nur dann ausgegangen werden, wenn entsprechende Beweismittel eine solche Schlussfolgerung rechtens zulassen. Ein Grundsatz dahingehend, dass im Zweifel von einer Errichtung im fraglichen Zeitraum auszugehen wäre, kann aus dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2010, Zl. 2009/06/0093).

Die belangte Behörde hat auf Grund entsprechender Ermittlungen und Feststellungen und einer nicht als unschlüssig zu beanstandenden Beweiswürdigung (zur diesbezüglichen Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053, VwSlg 11.894A/1985) die "Errichtung" der gegenständlichen Einbauten vor Ablauf des 31. Dezember 1984 verneint, was jedenfalls auch bedeutet, dass ein rechtmäßiger Bestand nach § 40 Abs. 1 Stmk BauG 1995 nicht vorliegt.

Die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels (Einvernahme von Zeugen und Durchführung eines Ortsaugenscheines) wird schon deshalb nicht dargetan, weil zum einen nach dem in den Verwaltungsakten erliegenden diesbezüglichen Beweisantrag des Beschwerdeführers durch die Einvernahme der Zeugen bloß für den (nicht verfahrensrelevanten) Zeitraum nach Erwerb der Wohnung im Jahre 1999 der Bestand bezeugt werden sollte (die Zeugin DI W hinsichtlich der Abluftöffnungen und der Zeuge Mag. K hinsichtlich des Bereiches der Fensteröffnungen) und zum anderen in der Beschwerde nicht dargelegt wird, was die Durchführung eines Ortsaugenscheines gezeigt hätte.

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, er habe keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu den von der belangten Behörde beigeschafften Plänen aus dem Akt betreffend die Bescheinigung gemäß § 12 WEG 1975 gehabt, legt er auch in diesem Zusammenhang nicht dar, inwiefern mit seiner diesbezüglichen Stellungnahme für seinen Standpunkt etwas hätte gewonnen werden können.

Nach dem Vorgesagten ist auch der Rüge, die belangte Behörde sei ihrer Pflicht zur amtswegigen Sachverhaltsermittlung (§ 37 AVG) nicht nachgekommen, der Boden entzogen.

Die Erlassung eines Beseitigungsauftrages ist im Beschwerdefall demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG weiter anzuwendenden §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008 (siehe § 3 Z. 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014).

Wien, am 21. März 2014

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