Normen
AVG §66 Abs4;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8;
AVG §66 Abs4;
FrPolG 2005 §125 Abs3;
FrPolG 2005 §65 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs1;
MRK Art8;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12. März 2004 gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 rechtskräftig ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dem lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. März 2004 wegen des - gemeinsam mit einem Mittäter begangenen - Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten (davon zehn Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt worden war.
Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2008 beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung dieses Aufenthaltsverbotes, weil er sich seit der genannten Verurteilung wohlverhalten habe. Dieser Antrag wurde von der Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 18. März 2008 in erster Instanz abgewiesen. Mit Bescheid vom 8. Juli 2009 gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien der dagegen erhobenen Berufung Folge und hob das Aufenthaltsverbot gemäß § 65 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) auf. Dieser Bescheid wurde auf Grund einer Beschwerde der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0299, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Begründend führte der Verwaltungsgerichtshof - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit (insbesondere die Gesundheit und die Rechte anderer) darstelle, die wegen der besonderen Gefährlichkeit der Gewaltkriminalität ein Grundinteresse der Gesellschaft iSd § 86 Abs. 1 zweiter Satz FPG berühre. Im fortgesetzten Verfahren gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Bescheid vom 4. Dezember 2009 der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
Mit Schriftsatz vom 26. Jänner 2010 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes. Begründend verwies er insbesondere darauf, dass er am 15. Jänner 2010 eine rumänische Staatsbürgerin geheiratet habe, mit der er zwei - am 18. Jänner 2004 und am 15. Mai 2008 geborene -
Kinder habe. Sowohl seine Frau als auch seine Kinder würden über Anmeldebescheinigungen (in Österreich) verfügen. Weiters brachte er vor, dass die Verurteilung nunmehr nahezu sechs Jahre zurückliege sowie dass er ein Hausbetreuungsunternehmen betreibe und in Österreich vollkommen integriert sei.
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 4. Mai 2010 wurde der Antrag des Beschwerdeführers "vom 16.4.2010" gemäß § 65 Abs. 1 FPG abgewiesen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, dass im Spruch das Datum "16.4.2010" durch das Datum "26.1.2010" ersetzt werde. Nach Darstellung der gegen den Beschwerdeführer ergangenen Verurteilung und des zugrunde liegenden strafbaren Verhaltens sowie des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde weiters fest, dass der Beschwerdeführer nach Verbüßung seiner Strafhaft am 1. Juni 2004 nach Rumänien abgeschoben worden sei, aber trotz bestehenden Aufenthaltsverbotes im Jahr 2006 wieder nach Österreich eingereist sei und hier "schwarz gearbeitet" habe. Seit 1. November 2007 sei er als gewerblich selbstständig Erwerbstätiger bei der Sozialversicherung gemeldet. Bis 17. Februar 2010 habe er (seit seiner behördlichen Meldung im März 2007) mit seiner nunmehrigen Ehefrau und den beiden Kindern in Wien gelebt. Mit Schreiben vom 1. März 2010 habe der damalige Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer am 18. Februar 2010 nach Rumänien ausgereist sei.
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen, wonach die erstinstanzliche Behörde über einen Antrag vom 16. April 2010 abgesprochen habe, obwohl der Antrag schon am 26. Jänner 2010 gestellt worden sei, erachtete die belangte Behörde eine "Umdeutung des Bescheidspruches" als geboten. Es bestehe kein Zweifel, dass nur auf Grund eines Irrtums im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides das Datum der Vollmachtsbekanntgabe der nunmehr einschreitenden Rechtsanwaltskanzlei anstelle des Datums der Antragstellung aufscheine. Da in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides genau auf die Argumentation des Beschwerdeführers in seinem Antrag vom 26. Jänner 2010 Bezug genommen werde, sei es unzweifelhaft, dass über den vom Beschwerdeführer am 26. Jänner 2010 gestellten Aufhebungsantrag abgesprochen werde.
Im Hinblick auf die am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG vorzunehmende Gefährdungsprognose verwies die belangte Behörde darauf, dass - wie sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 2009 sowie aus dem rechtskräftigen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 4. Dezember 2009 ergebe - eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes jedenfalls bis November/Dezember 2009 nicht in Betracht gekommen sei. Aus dem vom Beschwerdeführer in seinem neuerlichen Aufhebungsantrag vorgebrachten Umstand der Eheschließung mit seiner langjährigen Lebensgefährtin am 15. Jänner 2010 könne nicht auf einen Wegfall der aus seinem persönlichen Verhalten resultierenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit geschlossen werden. Dabei berücksichtigte die belangte Behörde auch, dass sich der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2006 längere Zeiträume hindurch entgegen dem über ihn verhängten Aufenthaltsverbot rechtswidrig im Bundesgebiet aufgehalten habe. An der vom Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis getroffenen Einschätzung über die nach wie vor aufrechte Gefährdungsprognose habe sich somit nichts geändert.
Der Abweisung des Antrags auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes stünden auch § 66 FPG und Art. 8 EMRK nicht entgegen. Der Beschwerdeführer und seine vormalige Lebensgefährtin hätten nämlich die Ehe im Bewusstsein des über den Beschwerdeführer rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbotes geschlossen. Vor diesem Hintergrund könne die Eheschließung keine Verstärkung der familiären Bindungen des Beschwerdeführers bewirken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich - im Hinblick auf die Zustellung des angefochtenen Bescheides am 20. September 2010 - um die Fassung BGBl. I Nr. 135/2009.
Zunächst ist auf die Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 3 FPG zu verweisen, wonach Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten des FPG (am 1. Jänner 2006) noch nicht abgelaufen war, als nach dem FPG erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer gelten. Dies trifft auf das gegenständliche Aufenthaltsverbot zu.
1. Gemäß § 65 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Ein darauf abzielender Antrag kann nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben. Im vorliegenden Fall ist - im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer auf Grund des Beitritts Rumäniens zur Europäischen Union als freizügigkeitsberechtigter EWR-Bürger anzusehen ist - überdies zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nur im Grund des (einen erhöhten Gefährdungsmaßstab normierenden) § 86 Abs. 1 FPG zulässig ist (vgl. etwa das - ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende - hg. Erkenntnis vom 9. November 2009, Zl. 2009/18/0299).
Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass seit seiner Verurteilung über sechs Jahre vergangen seien und keine weitere Verurteilung vorliege. Im Hinblick darauf könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass von ihm eine am besonders strengen Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG zu messende Gefährdung ausgehe.
Die belangte Behörde verweist im Rahmen ihrer Gefährdungsprognose im Wesentlichen darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 9. November 2009 zur Einschätzung gelangt sei, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 86 Abs. 1 FPG darstelle. Diesbezüglich ist zwar anzumerken, dass der für die Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof maßgebliche Zeitpunkt derjenige der Erlassung des damals bei ihm angefochtenen Bescheides (im Juli 2009) war und nicht - wie die belangte Behörde offenbar meint - der Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes. Dies vermag aber im Hinblick darauf, dass zwischen Juli 2009 und der Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides im September 2010 auch nur 14 Monate vergangen sind, zu keiner für den Beschwerdeführer günstigeren Gefährdungsprognose zu führen. Zudem durfte die belangte Behörde auch berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer trotz des aufrechten Aufenthaltsverbotes im Jahr 2006 nach Österreich eingereist ist und sich somit im fremdenrechtlichen Sinn nicht wohlverhalten hat. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie die am Maßstab des § 86 Abs. 1 FPG vorzunehmende Gefährdungsannahme auch zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung nach wie vor als gerechtfertigt ansah.
2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG verweist der Beschwerdeführer auf die familiären Bindungen zu seiner Ehefrau und seinen minderjährigen Kindern, die beide in Österreich geboren seien. Seine Angehörigen seien zwar (ebenso wie er) rumänische Staatsangehörige, es sei ihnen aber nicht zumutbar, das Familienleben in Rumänien fortzusetzen, weil sich ihr Lebensmittelpunkt bereits seit Jahren in Österreich befinde. Seine Ehefrau gehe zudem einer Erwerbstätigkeit nach und sein Sohn besuche in Wien die Volksschule. Die belangte Behörde habe es aber unterlassen, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln.
Der belangten Behörde ist zwar anzulasten, dass ihre Interessenabwägung im vorliegenden Fall sehr knapp ausgefallen ist. Allerdings wurde der Umstand, dass der Beschwerdeführer mit seiner (damals:) Lebensgefährtin ein Kind habe, bereits dem im Jahr 2004 verhängten Aufenthaltsverbot zugrunde gelegt. Im Ergebnis hat die belangte Behörde auch zutreffend darauf verwiesen, dass die (nunmehr ins Treffen geführte) Eheschließung zu einem Zeitpunkt erfolgte, zu dem sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers im Hinblick auf das gegen ihn bestehende Aufenthaltsverbot bewusst waren. Auch wenn dies - anders als die Formulierung im angefochtenen Bescheid nahe legen könnte - nicht dazu führt, dass die Eheschließung (überhaupt) keine Verstärkung der familiären Bindungen des Beschwerdeführers bewirkt, kommt diesem Umstand bei der Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 Z 8 FPG jedenfalls Bedeutung zu. Im Hinblick auf das erhebliche öffentliche Interesse an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen der vorliegenden Art kann es im Ergebnis nicht als rechtswidrig erkannt werden, dass die belangte Behörde kein Überwiegen der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Aufrechterhaltung annahm. Die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familienangehörigen sind im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.
3. Der Beschwerdeführer macht schließlich noch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensmängeln geltend, weil mit dem erstinstanzlichen Bescheid über einen "falschen Antrag" abgesprochen worden sei. Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Die Bundespolizeidirektion Wien hat in ihrem Bescheid vom 4. Mai 2010 den Antrag des Beschwerdeführers "vom 16.4.2010" auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes abgewiesen. Die belangte Behörde hat die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch das Datum "16.4.2010" durch das Datum "26.1.2010" ersetzt werde.
Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2010 (nur) einen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt hat - nämlich am 26. Jänner 2010. Wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, ist am 16. April 2010 kein weiterer Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes gestellt worden, sondern lediglich eine Vollmachtsbekanntgabe bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt. Die erstinstanzliche Behörde hat im Spruch ihres Bescheides zwar das Datum des Antrags mit 16. April 2010 angegeben, sie hat aber - worauf auch die belangte Behörde zutreffend verwiesen hat - in der Begründung ihres Bescheides den Inhalt des Antrags des Beschwerdeführers vom 26. Jänner 2010 - soweit für ihre Entscheidung relevant - wiedergegeben und somit auf diesen Antrag Bezug genommen.
Angesichts dieser Umstände bestehen aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keine Zweifel daran, dass die erstinstanzliche Behörde mit ihrem Bescheid vom 4. Mai 2010 (ungeachtet der falschen Datumsangabe im Spruch) inhaltlich über den Antrag des Beschwerdeführers vom 26. Jänner 2010 abgesprochen hat. Die belangte Behörde konnte im Rahmen ihrer Überprüfungsbefugnis gemäß § 66 Abs. 4 AVG den erstinstanzlichen Spruch diesbezüglich abändern bzw. richtig stellen.
Soweit die Beschwerde auf die hg. Rechtsprechung Bezug nimmt, wonach ein Bescheid mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit behaftet ist, wenn damit über einen nicht gestellten Antrag entschieden wurde, ist daraus für den hier vorliegenden Fall, in dem unbestrittener Maßen ein einziger Antrag im Jahr 2010 vorliegt, über den auch entschieden wurde, nichts abzuleiten. Die belangte Behörde war daher - anders als der Beschwerdeführer offenbar meint - nicht gehalten, den erstinstanzlichen Bescheid wegen Unzuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde aufzuheben.
4. Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am 3. Oktober 2013
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