VwGH 2013/17/0215

VwGH2013/17/021526.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky und die Hofräte Dr. Köhler und Dr. Schwarz als Richter, unter Beiziehung der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde des Ing. H M in S, vertreten durch Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH, in 5020 Salzburg, Moosstraße 58c, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 5. Februar 2013, Zl. Senat-PP-12-0012, betreffend Übertretung des GSpG, zu Recht erkannt:

Normen

GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
MRKZP 07te Art4;
StGB §168;
StPO §190 Z2;
StPO §190;
VStG §30;
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1;
GSpG 1989 §52 Abs1;
GSpG 1989 §52 Abs2;
MRKZP 07te Art4;
StGB §168;
StPO §190 Z2;
StPO §190;
VStG §30;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 3. Jänner 2012 wurde der Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der M GmbH der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 des Glücksspielgesetzes (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 8.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 19 Tagen) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Strafhöhe Folge und präzisierte den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses.

Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung der Geräte, auf denen virtuelle Walzenspiele angeboten wurden, u. a. aus, welches Spiel anlässlich einer Überprüfung jeweils gespielt worden sei und welche Einsätze und Gewinne dabei möglich gewesen seien. Ob es auch möglich gewesen sei, mit Einsätzen von über EUR 10,-- pro Spiel zu spielen bzw. ob tatsächlich mit derartigen Einsätzen gespielt worden sei, habe nicht festgestellt werden können. Es lägen keine Beweisergebnisse vor, wonach ein Einsatz von über EUR 10,-- überhaupt möglich gewesen, "geschweige denn tatsächlich eingesetzt worden wäre". Abgesehen davon sei die Zuständigkeit des Gerichtes nur für jene Spiele gegeben, bei denen der geleistete Einsatz den Betrag von EUR 10,-- übersteige, im Übrigen sei aber die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden gegeben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer sei von der Staatsanwaltschaft gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben. Die Beschwerde bringt u.a. vor, dass bei jedem Gerät zumindest bei einem Spiel ein Einsatz von mehr als EUR 10,-- geleistet werden konnte.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass nach einer Verfahrenseinstellung oder einem freisprechenden Urteil durch die Gerichte die Verwaltungsbehörde die Frage, ob ein vom Gericht zu ahndender Tatbestand vorlag, selbständig zu beurteilen habe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 1999, Zl. 98/17/0134).

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Juni 2013, B 422/2013, ausgeführt, dass bei der Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 GSpG und nach § 168 StGB sowie damit auch der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden und der Strafgerichte darauf abzustellen sei, ob derjenige, der eine Ausspielung etwa mit einem Glücksspielapparat oder Glücksspielautomaten bzw. mit einem darauf installierten Spielprogramm veranstalte, organisiere, anbiete oder unternehmerisch zugänglich mache, Einsätze von höchstens EUR 10,-- oder mehr als EUR 10,-- ermögliche. Für die Beurteilung, ob eine Gerichtszuständigkeit gemäß § 168 StGB oder die Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörden gemäß § 52 Abs. 1 GSpG bestehe, habe die Verwaltungsstrafbehörde stets zu ermitteln, welcher mögliche Höchsteinsatz an einem Glücksspielautomat geleistet werden könne (bzw. ob Serienspiele veranlasst werden können). Dieser Rechtsansicht hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, angeschlossen. Der Verwaltungsgerichtshof ist insoweit auch von der im hg. Erkenntnis vom 15. März 2013, Zlen. 2012/17/0365 und 0366, in Fortführung seiner Rechtsprechung zur Subsidiarität der Straftatbestände nach § 52 Abs. 1 GSpG gegenüber der Strafbarkeit nach § 168 StGB geäußerten Rechtsauffassung abgegangen, der Fortsetzung des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens hinsichtlich jener Spiele, bei denen mit einem Einsatz von bis zu EUR 10,-- gespielt worden sei, stehe Art. 4 7. ZPMRK nicht entgegen.

2.2. Die belangte Behörde weist zutreffend darauf hin, dass eine Einstellung nach § 190 StPO nicht automatisch bedeute, dass damit eine gerichtlich strafbare Handlung auszuschließen sei, und beurteilte das (Nicht)Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung selbst. Soweit die belangte Behörde jedoch davon ausgeht, dass die Zuständigkeit des Gerichtes nur für jene Spiele gegeben sei, bei denen der geleistete Einsatz den Betrag von EUR 10,-- übersteige, ist auf die nunmehrige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis vom 23. Juli 2013, Zl. 2012/17/0249, zu verweisen, wonach der tatsächlich geleistete Einsatz für die Abgrenzung der Strafbarkeit nach § 52 Abs. 1 GSpG und nach § 168 StGB nicht relevant ist.

2.3. Zur Feststellung, dass Einsätze von über EUR 10,-- gar nicht möglich gewesen wären, führte die belangte Behörde in ihrer Beweiswürdigung aus, dass sich hinsichtlich dieses Punktes der Beschwerdeführer vornehmlich auf die "Gamble" Funktion berufe und verweist auf die diesbezüglichen rechtlichen Ausführungen, wonach es sich hiebei nicht um ein eigenes Spiel handle, sondern das Walzenspiel mit dem ursprünglichen Einsatz in Form einer mehrstufigen Ausspielung lediglich weitergespielt werde. Mit der Aussage des Beschwerdeführers in der durchgeführten mündlichen Verhandlung, wonach "auch Einsätze in der Größenordnung von EUR 20,-- geleistet" worden seien, setzte sich die belangte Behörde nicht auseinander. Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge einvernommene Mitarbeiter des Finanzamtes, Herr M, sagte aus, dass pro Automat von allen möglichen Spielen nur ein Spiel gespielt worden sei und man nicht geprüft habe, ob bei den anderen Spielen ein höherer Einsatz (als EUR 5,--) möglich gewesen wäre. Die Behörde legte nicht dar, worauf sich ihre Feststellung, dass Einsätze von über EUR 10,-- nicht möglich wären, stützt.

Indem die Beschwerde diese Feststellung bestreitet und sich gegen die dieser behördlichen Annahme zugrunde liegende Beweiswürdigung wendet, zeigt sie einen Verfahrensmangel auf. Tatsächlich erweist sich die Beweiswürdigung der belangten Behörde als unschlüssig (vgl. zur Schlüssigkeit der Beweiswürdigung das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 2008, Zl. 2007/02/0288), weil es die belangte Behörde verabsäumt hat, sich mit den Aussagen des Beschwerdeführers und des Zeugen M zu befassen bzw. zu begründen, weshalb sie davon ausgeht, dass an den gegenständlichen Geräten keine Einsätze von über EUR 10,-- möglich gewesen wären.

Die belangte Behörde hat demnach Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren wird angemerkt, dass auch keine Feststellung darüber getroffen wurde, ob Serienspiele im Sinne der angeführten höchstgerichtlichen Judikatur veranlasst werden konnten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 26. September 2013

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