VwGH 2013/08/0110

VwGH2013/08/01104.9.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein des Schriftführers Mag. Berthou, über die Beschwerde der EE in W, vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 66, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 2. Mai 2013, Zl. BMASK- 424058/0001-II/A/3/2011, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (mitbeteiligte Parteien: 1. GE GmbH in W, 2. Wiener Gebietskrankenkasse in 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19,

3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67), zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §5 Abs2;
ASVG §7 Z3 lita;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §5 Abs1 Z2;
ASVG §5 Abs2;
ASVG §7 Z3 lita;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem mit dieser vorgelegten angefochtenen Bescheid ergibt sich Folgendes:

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass die Beschwerdeführerin im Zeitraum 1. Oktober 2003 bis 21. November 2011 auf Grund ihrer Tätigkeit bei der erstmitbeteiligten Partei der Voll-(Kranken-, Pensions- und Unfall)versicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie der Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 1 Abs. 1 lit. a AlVG und nicht der Teilversicherung nach § 7 Z 3 lit. a ASVG iVm § 5 Abs. 2 ASVG unterlegen sei.

Die belangte Behörde ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Die erstmitbeteiligte Gesellschaft betreibe an einer näher bezeichneten Adresse ein Gasthaus. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sei die Beschwerdeführerin ebenso wie ihr mittlerweile verstorbener Ehemann mit 20% an dieser Gesellschaft beteiligt gewesen; der Bruder der Beschwerdeführerin habe 60% der Anteile gehalten. Laut Aussage der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor der Einspruchsbehörde habe im gegenständlichen Zeitraum abweichend von der Eintragung im Firmenbuch nicht sie, sondern ihr Mann die Geschäfte geführt. Die Tätigkeit der Beschwerdeführerin habe sich nach dieser glaubwürdigen Aussage im Wesentlichen auf die der Köchin beschränkt, wobei sie nicht während der gesamten Öffnungszeiten des Lokals anwesend gewesen sei. Folgende sozialversicherungsrechtliche Meldungen bezüglich dieser Tätigkeit lägen vor:

Bis 30. September 2003 sei die Beschwerdeführerin als "Angestellte" zur Vollversicherung nach dem ASVG gemeldet gewesen. Dieser Anmeldung sei laut Berufungsvorbringen eine Beschäftigung im Ausmaß von 28,5 Stunden zugrunde gelegen. Für den Zeitraum 1. Oktober 2003 bis 30. November 2007 sei eine Meldung als geringfügig beschäftigte Dienstnehmerin zur Teilversicherung in der Unfallversicherung nach dem ASVG erfolgt. Im Zeitraum 1. Dezember 2007 bis 31. Mai 2008 sei die Beschwerdeführerin auf Grund einer Tätigkeit im Ausmaß von 20 Wochenstunden zur Vollversicherung nach dem ASVG angemeldet gewesen. Für den Zeitraum 1. Juni 2008 bis 31. August 2010 sei wieder eine Meldung zur Teilversicherung nach dem ASVG auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung erfolgt. Im Zeitraum 1. September 2010 bis 21. November 2011 sei die Beschwerdeführerin wieder zur Vollversicherung nach dem ASVG gemeldet gewesen. Seit dem 22. November 2011 sei sie Eigentümerin von 100% der Gesellschaftsanteile und unterliege ab diesem Zeitpunkt der Sozialversicherungspflicht nach dem GSVG.

Auf Grund des Ermittlungsverfahrens könne für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Feststellung, dass das Beschäftigungsausmaß der Beschwerdeführerin das Ausmaß von 20 Stunden nicht überschritten habe, nicht getroffen werden: In der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsbehörde habe die Beschwerdeführerin selbst angegeben, dass sie nicht während der gesamten Öffnungszeiten des Lokals anwesend gewesen wäre; an den Betriebstagen (Dienstag bis Sonntag) hätte sie jeweils "ca. um 11 Uhr in der Küche zu arbeiten begonnen" und wäre an "manchen Tagen" schon "zwischen 14 und 16 Uhr" nach Hause gegangen; "wenn am Abend genügend Gäste anwesend waren" hätte sie natürlich "auch diese zubereitet". Trotz der offiziellen Öffnungszeiten (bis 23 Uhr) hätte das Lokal ab 2003 immer schon zwischen 18 und 21 Uhr zugesperrt.

Aus diesen Angaben der Beschwerdeführerin ergebe sich eine durchschnittliche rechnerische wöchentliche Arbeitszeit von 24 Stunden. Darüber hinaus stehe auf Grund des Berufungsvorbringens unzweifelhaft fest, dass die Beschwerdeführerin ihre Tätigkeit in einem Ausmaß verrichtet habe, das über das der Sozialversicherung gemeldete hinausgehe, wobei sie auf die "Auszahlung der entsprechenden Beitragsgrundlagen" verzichtet habe.

Im Hinblick auf diese Angaben und die Feststellungen im Zuge der für die Jahre 2003 bis 2006 durchgeführten Beitragsprüfung sei somit festzustellen, dass die Beschwerdeführerin auch ab 1. Oktober 2003 mit durchgehendem, unvermindertem Arbeitseinsatz für die Gesellschaft tätig gewesen sei.

Hinsichtlich der Abgrenzung des verfahrensgegenständlichen Zeitraums führte die belangte Behörde aus, die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse habe die Pflichtversicherung ab dem 1. Oktober 2003 festgestellt, da die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 30. November 2007 als geringfügig beschäftigt umgemeldet worden sei, obwohl sie die ganze Zeit wie vor dem 1. Oktober 2003 tätig gewesen sei. Nach dem 1. Dezember 2007 sei die Beschwerdeführerin auf Grund einer Änderungsmeldung wieder der Vollversicherung unterlegen. Im Bescheid der Einspruchsbehörde sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin (auch) im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis 31. August 2010 als geringfügig beschäftigt gemeldet gewesen sei. Alle in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen der Gebietskrankenkasse sowie der Einspruchs- und Berufungsbehörde zum Tätigkeitsumfang bzw. dem daraus gebührenden Entgelt bezögen sich auf den gesamten Zeitraum ab 1. Oktober 2003. Dem Berufungsvorbringen, wonach jegliche Verfahrensergebnisse und Feststellungen für den Zeitraum ab 1. Jänner 2007 fehlten, könne auch insofern nicht gefolgt werden, als im Verfahren vor der Gebietskrankenkasse eine Niederschrift mit der Beschwerdeführerin aufgenommen worden sei und im Verfahren vor der Einspruchsbehörde eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe. Alle bei diesen Gelegenheiten gestellten Fragen und erfolgten Angaben hätten sich undifferenziert auf den gesamten Zeitraum ab 1. Oktober 2003 bezogen. Für eine Beschränkung des verfahrensgegenständlichen Zeitraums auf den Prüfzeitraum (2003 bis 2006) bestehe daher keine Grundlage. Die verfahrensgegenständliche unselbständige Tätigkeit der Beschwerdeführerin für die mitbeteiligte Gesellschaft habe mit 21. November 2011 geendet.

In der Sache erklärte die belangte Behörde, dass auf Grund der Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Köchin vom Vorliegen eines Dienstverhältnisses auszugehen sei. Zwar werde im Einspruch bzw. in der Berufung - unabhängig von der tatsächlich erfolgten Meldung als Dienstnehmerin - auch dahingehend argumentiert, dass die Beschwerdeführerin als handels- und gewerberechtliche Geschäftsführerin völlig selbständig und eigenverantwortlich gehandelt habe; dies widerspreche jedoch eindeutig den Aussagen der Beschwerdeführerin, wonach sich ihre Tätigkeit auf die der Köchin beschränkt habe bzw. würde auch die Tätigkeit einer Geschäftsführerin ein Dienstverhältnis keineswegs ausschließen. Ebenso schließe das familiäre Naheverhältnis das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus.

Für die Beurteilung der Versicherungspflicht der Beschwerdeführerin als Dienstnehmerin nach § 4 Abs. 2 iVm Abs. 1 Z 2 ASVG sei daher ausschließlich entscheidend, ob das ihr für ihre Tätigkeit gebührende Entgelt im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG überschritten habe oder nicht. Diese monatliche Geringfügigkeitsgrenze habe in den Jahren 2003 bis 2010 zwischen EUR 309,98 (2003) und EUR 366,33 (2010) betragen. Selbst bei Zugrundelegen einer (nicht festgestellten) 20-Stunden-Woche (im Sinn des Berufungsbegehrens) und dementsprechender Heranziehung nur der halben gebührenden Kollektivvertragslöhne seien in den betroffenen Zeiträumen diese Grenzwerte überschritten.

In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass das Eintreten der gesetzlichen Sozialversicherung nicht der vertraglichen Disposition unterliege. Sie trete bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein, auch unabhängig von der Erstattung einer Anmeldung und vom Wollen der Vertragsparteien. Dass die Beschwerdeführerin auf Entgeltbestandteile "verzichtet" habe, könne schon aus diesem Grund sowie nach dem entsprechenden Wortlaut des § 5 Abs. 1 Z 2 ASVG ("gebührt") die rechtliche Beurteilung nicht beeinflussen. Darüber hinaus sei auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Regelungen des Arbeitsrechts auch dann zur Anwendung zu kommen hätten, wenn ein Arbeitsvertrag mit einer Gesellschaft abgeschlossen werde, deren geschäftsführender Gesellschafter der Lebensgefährte der Arbeitnehmerin sei, weshalb die Lebensgefährtin jedenfalls Anspruch auf das vereinbarte bzw. kollektivvertragliche Entgelt habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bestreitet nicht (mehr), dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Zeitraum als Dienstnehmerin in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit tätig gewesen sei. Strittig sind ausschließlich das Ausmaß der Beschäftigung und damit die Frage, ob die Beschwerdeführerin der Vollversicherung oder nur der Teilversicherung nach § 7 Z 3 lit. a iVm. § 5 Abs. 2 ASVG unterlegen ist.

Gegen die Annahme der belangten Behörde, das Beschäftigungsausmaß habe jedenfalls einen über der Geringfügigkeitsgrenze liegenden Entgeltanspruch begründet, bringt die Beschwerde im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe in unzulässiger Weise Zeiten der bloßen Anwesenheit der Beschwerdeführerin im Lokal mit Beschäftigungszeiten gleichgesetzt: Die Beschwerdeführerin habe ausgesagt, dass sie im Familienbetrieb über mehrere Stunden am Tag mehr oder weniger regelmäßig anwesend gewesen sei; es sei aber naheliegend, dass sie sich als Gesellschafterin und Ehegattin auch dann im Gasthaus aufgehalten habe, wenn sie gerade nicht arbeitete, nämlich "um sich mit ihrem Gatten bzw. Gästen zu unterhalten, Zeitung zu lesen oder Fernsehen zu schauen". Auch "kleine Handgriffe, wie etwa das Abräumen eines Glases etc. im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht ihrem Ehegatten sowie ihrem Bruder gegenüber" seien keinesfalls als "berufliche versicherungspflichtige Tätigkeit" zu qualifizieren. Von einer reinen Anwesenheit im Gasthaus könne nicht auf eine versicherungspflichtige Tätigkeit geschlossen werden, sodass die belangte Behörde detaillierte Feststellungen zur tatsächlich von der Beschwerdeführerin täglich verrichteten Arbeit zu treffen gehabt hätte. Die belangte Behörde habe sich dagegen mit der Feststellung einer Anwesenheit im Betrieb genügt. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, die einzelnen Zeiträume mit jeweils unterschiedlichen Anmeldungen zur Sozialversicherung detailliert zu betrachten, obwohl der Umstand unterschiedlicher Meldungen nahelege, dass sich der Arbeitsumfang der Beschwerdeführerin tatsächlich geändert habe.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde die Beweiswürdigung der belangten Behörde - die der Verwaltungsgerichtshof nur im Hinblick auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. März 2013, Zl. 2011/08/0187, mwN) - nicht zu erschüttern:

Zum einen trifft es nicht zu, dass die belangte Behörde aus bloßen Anwesenheitszeiten im Lokal auf Arbeitszeiten geschlossen hat: Vielmehr hat sie sich, wie oben dargestellt, auf die Aussagen der Beschwerdeführerin selbst gestützt, die sich eindeutig auf ihre Arbeit in der Küche bezogen hatten. Außerdem hatte die Beschwerdeführerin nach den unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde in der Berufung selbst angegeben, Tätigkeiten in einem höheren als dem gemeldeten Ausmaß verrichtet zu haben, aber auf die Auszahlung der entsprechenden "Beitragsgrundlagen" verzichtet zu haben. Zum anderen führt auch die Beschwerde nicht konkret aus, inwieweit und auf Grund welcher Umstände sich das Beschäftigungsausmaß in den Zeiträumen, in denen die Beschwerdeführerin nur zur Teilversicherung angemeldet war, geändert haben sollte.

Soweit die Beschwerde sich dagegen wendet, dass die belangte Behörde die Pflichtversicherung auch für Zeiträume festgestellt hat, die außerhalb des Zeitraums der für die Jahre 2003 bis 2006 durchgeführten Beitragsprüfung liegen, unterlässt sie es ebenfalls darzulegen, welche entscheidungswesentlichen, von der belangten Behörde nicht berücksichtigten Änderungen nach diesem Zeitraum eingetreten seien.

Schließlich ist nicht ersichtlich, inwieweit die Beschwerdeführerin dadurch, dass die belangte Behörde die Pflichtversicherung nach § 4 Abs. 1 iVm Abs. 2 ASVG auch für einen Zeitraum festgestellt hat, für den ohnedies eine Anmeldung zur Vollversicherung vorlag, in Rechten verletzt sein konnte.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, das genaue Beschäftigungsausmaß der Beschwerdeführerin festzustellen. Vielmehr war es im Verfahren betreffend die Feststellung der Pflichtversicherung ausreichend, darzulegen, dass jedenfalls ein über der Geringfügigkeitsgrenze liegender Entgeltanspruch bestand.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 4. September 2013

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