VwGH 2013/08/0018

VwGH2013/08/001810.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des P B in Wien, vertreten durch Dr. Andreas Frank, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Albertgasse 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. November 2012, Zl. UVS-07/AV/6/5785/2012-7, betreffend Bestrafung nach dem ASVG, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §62 Abs4;
AVG §62 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2012, Zl. 2012/08/0078, verwiesen.

Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid vom 29. November 2012 wurde der Beschwerdeführer (neuerlich) für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der G. GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin es unterlassen habe, die von ihr am 10. Februar 2011 um 14.45 Uhr auf dem Bauvorhaben in P. als Bauhilfsarbeiter beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten acht namentlich genannten Personen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe dadurch § 33 Abs. 1 ASVG iVm § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG verletzt und werde deswegen gemäß § 111 Abs. 2 erster Strafsatz ASVG mit acht Geldstrafen von je EUR 910,--, insgesamt EUR 7.280,--, (acht Ersatzfreiheitsstrafen von je 2 Tagen und 11 Stunden) bestraft.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der G. GmbH und habe "die Beschäftigung der acht verfahrensgegenständlichen Ausländer zu vertreten". Er hätte diese vor Arbeitsbeginn beim zuständigen Versicherungsträger anmelden müssen. Der Zeuge K G. habe nicht bestritten, die Arbeiter angeworben zu haben. Dieser habe aktiv und wissentlich durch Akquirierung von Schwarzarbeitern für die Beschäftigung durch die G. GmbH Beihilfe geleistet. (Der Zeuge wurde selbst am 31. August 2011 vor dem Magistratischen Bezirksamt für den 15. Wiener Gemeindebezirk als Beschuldigter vernommen.) Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers sei K G. diesem bekannt gewesen, und zwar schon seit der Zeit, als der Beschwerdeführer noch bei der K GmbH beschäftigt gewesen sei. K G. habe auch in der Wohnung der Ehefrau des Beschwerdeführers gewohnt. Der Beschwerdeführer habe K G. beauftragt, für die Baustelle in P. "Arbeiter zu organisieren". Für die Fahrt zur Baustelle habe der Beschwerdeführer dem K G. zwei Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Eines dieser Fahrzeuge sei ein Firmenfahrzeug (der G. GmbH) gewesen, das andere Fahrzeug sei das der Ehefrau des Beschwerdeführers gewesen.

Es entspreche nicht der Wahrheit, dass sich K G. als Mitarbeiter der L. GmbH ausgegeben habe und für die Bereitstellung von Dienstnehmern verantwortlich gewesen sei. K G. habe auch die Geschäftsführerin der L. GmbH nicht gekannt. Er sei zum Zeitpunkt der Kontrolle auch nicht Dienstnehmer der L. GmbH gewesen.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, es sei unglaubwürdig, dass der Beschwerdeführer K G. beauftragt haben sollte, für einen Subunternehmer (die L. GmbH) das Personal zu organisieren. Gegenüber den ersterhebenden Beamten habe der Beschwerdeführer nichts von einem Subunternehmervertrages erwähnt. Der Beschwerdeführer habe K G. unterwiesen, welche Arbeiten auf der Baustelle durchzuführen seien. K G. habe den von ihm "organisierten" Arbeitern gesagt, was sie zu tun hätten. Er sei vom Beschwerdeführer zum Brunnenmarkt geschickt worden, um dort neue Leute zu übernehmen und weiter zur Baustelle zu fahren. K G. habe auch selbst auf der Baustelle mitgearbeitet.

Mit wem (mit welchem Vertreter der L. GmbH) der vom Beschwerdeführer später behauptete Subunternehmervertrag tatsächlich abgeschlossen worden sei, habe er nicht dargelegt. Im Beweisantrag vom 20. Dezember 2011 sei von einem Zeugen "F N." die Rede gewesen. K G. habe von einem "H" gesprochen, welcher sich bei ihm als Geschäftsführer oder auch als Chef der L. GmbH bezeichnet habe. Von "H" seien (auch) zwei Arbeiter für die Baustelle des Beschwerdeführers "organisiert" worden. Es sei auch möglich, dass "von einem H von der L. GmbH zwei Arbeiter gekommen sind". Es sei unglaubwürdig, dass jene Person, mit der ein Subunternehmervertrag abgeschlossen worden sei, vom Beschwerdeführer nicht habe ausgeforscht werden können. Unglaubwürdig sei auch die Angabe des Beschwerdeführers gewesen, dass K G. die Arbeiter für diesen Subunternehmer organisiert haben soll. Unglaubwürdig sei auch, dass die kontrollierten Arbeiter dem Beschwerdeführer unbekannt seien, zumal einer der Arbeiter, S M., vier Tage später bei einer anderen Kontrolle (zufällig) bei einer anderen Arbeit für die G. GmbH von der Polizei angetroffen worden sei. S M., der mit einem Firmenfahrzeug der G. GmbH unterwegs gewesen war, sei zu keinem der beiden Kontrolltage bei der L. GmbH angemeldet gewesen. Der Beschwerdeführer habe K G. beauftragt, zusätzliche Arbeiter "zu organisieren". Es sei keinesfalls Intention des Beschwerdeführers gewesen, eine geeignete Kontrolle einzurichten. Der festgestellte Sachverhalt decke sich auch mit der Sachverhaltsdarstellung vom 10. Februar 2011 durch die anzeigende Polizeiinspektion P. Zu keinem Zeitpunkt hätten die an der Sache beteiligten Personen im Zuge der Sachverhaltsaufnahme eine L. GmbH als Subunternehmerin erwähnt. Es handle sich um eine Schutzbehauptung des Beschwerdeführers. Die im Nachhinein vorgelegten (Subunternehmer-)Verträge seien kein Beweis dafür, dass die am Kontrolltag durchgeführten Tätigkeiten der Arbeiter nicht für die vom Beschwerdeführer vertretene G. GmbH durchgeführt worden seien.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die G. GmbH habe das Firmenfahrzeug, mit dem auch das Material auf die Baustelle gebracht worden sei, zur Verfügung gestellt. Des Weiteren seien vom Beschwerdeführer Anweisungen gekommen. Es sei zumindest von einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis der acht genannten Personen zu der vom Beschwerdeführer vertretenen G. GmbH auszugehen, die eine Anmeldung zur Sozialversicherung notwendig gemacht hätte. Der Beschwerdeführer habe diese Meldungen unterlassen.

Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer komme der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu Gute. Seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse hätten mangels Angaben im Verfahren nicht berücksichtigt werden können. Ein Überwiegen der Milderungsgründe habe nicht festgestellt werden können. Die Ersatzfreiheitsstrafe erweise sich nach den Strafzumessungsgründen (ohne Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers) und auch im Verhältnis zur Geldstrafe als milde bemessen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, ihn wesen Rechtswidrigkeit des Inhalts und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde bekämpft die Beweiswürdigung der belangten Behörde und bringt vor, es hätten sich keinerlei Hinweise dahin ergeben, dass der Beschwerdeführer (die G. GmbH) die Dienstnehmer beschäftigt hätte. Der Zeuge K G. habe in einem Verfahren, in dem er selbst als Beschuldigter geführt worden sei, angegeben, "für einen Arbeitgeber im Gasthaus in Wien" Ausländer angeworben zu haben. Der Arbeitgeber habe "H" geheißen und sei blond gewesen. Mehr wisse er über den Arbeitgeber nicht. Diesen Angaben hätte die belangte Behörde mehr Glauben schenken sollen als denjenigen, die K G. als Zeuge vor der belangten Behörde gemacht habe.

Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist -

die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen dann, wenn sie den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, nicht widersprechen. Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2012, Zl. 2008/08/0252, mwN).

Die belangte Behörde ist - auch auf Grund der Angaben des Zeugen K G. - zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser nicht nur selbst Arbeitnehmer der G. GmbH gewesen ist, sondern für die G. GmbH weitere für die Durchführung der Fassadenarbeiten benötigte Arbeitnehmer "organisiert" hat. Die beweiswürdigenden Überlegungen der belangten Behörde, die sich insbesondere darauf stützen, dass die Arbeitnehmer und das Material mit Fahrzeugen der G. GmbH zu deren Baustelle gebracht worden sind, können nicht als unschlüssig erkannt werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge K G. als Beschuldigter ausführte, der Arbeitgeber hätte Hans geheißen und wäre blond gewesen, wobei er sonst über diesen Arbeitgeber nichts wisse. Es ist schlüssig und nachvollziehbar, wenn die belangte Behörde unbestimmten Angaben über einen solchen unbekannten Dritten keinen Glauben geschenkt hat. Es soll auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass K G. am 11. Februar 2011 vor der Polizeiinspektion P. angegeben hat, für die G. GmbH, deren operativer Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei, die sieben (weiteren) Schwarzarbeiter angeheuert zu haben. Der Beschwerdeführer gab am 11. Februar 2011 vor der Polizeiinspektion P. an, dass K G. seine "rechte Hand" gewesen sei. Es trifft auch nicht zu, dass sich aus der Aussage des Zeugen K G. ergeben würde, dass er nicht beim Beschwerdeführer als Dienstnehmer beschäftigt worden sei, hat er doch einerseits deponiert, "ich selbst war dabei und auch mein Sohn D", und andererseits eingeräumt, selbst Arbeiten (Streichen einer Dachrinne) durchgeführt zu haben. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer nach dem Bericht des Landespolizeikommandos für Burgenland vom 10. Februar 2011 angegeben hat, K G. wäre von ihm "als Subunternehmer mit den Außenfassadenarbeiten am genannten Haus beauftragt" worden, spricht gegen die Glaubwürdigkeit seines nunmehrigen Vorbringens, die L. GmbH hätte (als Subunternehmerin) die genannten acht Personen beschäftigt.

Vor diesem Hintergrund vermag die Beschwerde auch mit dem Unterbleiben der Vernehmung der Zeugin L C. keinen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Diese Zeugin war vom Beschwerdeführer zum Beweis dafür genannt worden, dass "die Firma L. Subunternehmer der Firma G. war". Der bloße Umstand einer solchen Subunternehmerschaft steht jedoch - ebenso wie der vom Beschwerdeführer vorgelegte schriftliche Subunternehmervertrag mit der L. GmbH vom 4. Februar 2011 - in keinem Widerspruch zu den vom Beschwerdeführer bekämpften Feststellungen über die Einstellung der Arbeitnehmer durch K G. für die G. GmbH. Dass diese Zeugin konkrete Wahrnehmungen darüber gemacht hätte, für welchen Dienstgeber die zur Rede stehenden Arbeitnehmer aufgenommen worden sind, behauptet der Beschwerdeführer nicht. Es liegt im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass weitere, die Glaubwürdigkeit von Aussagen betreffende Beweisanträge ("Kontrollbeweise" bzw. "Hilfsbeweise") nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2009, Zl. 2006/08/0182, mwN). Auch aus dem schriftlichen Subunternehmervertrag ergibt sich entgegen den Angaben in der Beschwerde nicht, dass die gegenständlichen Arbeitnehmer für die L. GmbH aufgenommen worden wären.

Eine weitere Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt der Beschwerdeführer darin, dass es in seinem Spruch heißt "(...) nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 20.9.2012 entschieden und verkündet: (...)". Tatsächlich sei der Strafbescheid nicht mündlich verkündet worden.

Aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 20. September 2012 ergibt sich, dass auf die mündliche Verkündung des Berufungsbescheides verzichtet und eine solche auch nicht vorgenommen wurde. Bei der vom Beschwerdeführer gerügten Unrichtigkeit des angefochtenen Bescheides handelt es sich um einen jederzeit berichtigungsfähigen Schreibfehler, der den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt.

Im Übrigen wendet sich die Beschwerde weder gegen die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides noch gegen die Strafzumessung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 10. April 2013

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