VwGH 2013/07/0122

VwGH2013/07/012224.10.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. N. Bachler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des Mag. R F in Z, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 21. Mai 2013, Zl. UVS-5/14579/2-2013, betreffend Übertretung des Immissionsschutzgesetzes-Luft (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs1 impl;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §63 Abs1 impl;
VStG §51e Abs3 Z1;
VStG §51e Abs3 Z2;
VStG §51e Abs3 Z3;
VStG §51e Abs3 Z4;
VStG §51e Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell/See (BH) vom 20. Juni 2012 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dass er am 27. Mai 2010 in B, A10 bei Straßenkilometer 018.100, Fahrrichtung Salzburg, um 10:29 Uhr die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 27 km/h mit einem näher bezeichneten PKW überschritten habe.

Der Beschwerdeführer habe dadurch § 5 der Verordnung der Landeshauptfrau von Salzburg, LGBl. Nr. 89/2008, iVm § 30 Abs. 1 Z. 4 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 120,-- verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an die belangte Behörde. In dieser Berufung beantrage er ausdrücklich die Durchführung einer Berufungsverhandlung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab.

Nach Ansicht der belangten Behörde konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 4 VStG entfallen.

Dagegen errichtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte ihren Akt vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift. Die belangte Behörde wies anlässlich der Aktenvorlage darauf hin, dass der Akt der BH ihr bisher trotz Urgenz nicht vorgelegt worden sei. Dieser werde nach Einlangen nachgereicht.

Den Akt der BH legte die belangte Behörde nicht vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nachdem die belangte Behörde den Akt der BH nicht vorgelegt hat, liegt dem Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Beschwerdeführers nicht vor.

Gemäß § 38 Abs. 2 VwGG hat die Behörde die Verwaltungsakten vorzulegen. Unterlässt sie dies, so kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat, auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen.

Die belangte Behörde wurde mit Verfügung vom 11. Juli 2013 betreffend die Einleitung des Vorverfahrens auf die Bestimmung des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen, wonach der Verwaltungsgerichtshof im Falle des Unterbleibens einer fristgerechten Aktenvorlage berechtigt sei, auf Grund der Beschwerdebehauptungen zu erkennen.

Da dem Verwaltungsgerichtshof mangels Vorlage des Aktes der BH die Berufung des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis gebracht wurde, legt er seinem Erkenntnis die Beschwerdebehauptung zugrunde, wonach der Beschwerdeführer "in Punkt 3. seiner Berufungsanträge ausdrücklich einen Antrag auf Durchführung einer Berufungsverhandlung" gestellt habe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. September 2012, Zl. 2009/12/0174).

§ 51e VStG hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)

§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) …

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

  1. 2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
  2. 3. im angefochtenen Bescheid eine 500 EUR nichtübersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

    4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

    und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegen steht.

(5) …"

Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn eine der alternativen Voraussetzungen des § 51e Abs. 3 Z. 1 bis 4 VStG für das Absehen von einer Berufungsverhandlung erfüllt ist und darüber hinaus auch das - kumulativ zu erfüllende - Tatbestandsmerkmal gemäß § 51e Abs. 3 VStG, dass "keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat", erfüllt ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2012, Zl. 2012/03/0035). Aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer in seiner Berufung an die belangte Behörde ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, konnte von einer mündlichen Verhandlung nach § 51e Abs. 3 VStG nicht abgesehen werden.

Nach Ansicht der belangten Behörde konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 4 VStG entfallen.

Nach dieser Bestimmung kann der unabhängige Verwaltungssenat ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung aber nur dann absehen, wenn er - neben weiteren Voraussetzungen - einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat. Die Bestätigung eines erstinstanzlichen Straferkenntnisses stellt indessen keinen verfahrensrechtlichen Bescheid im Sinne des § 51e Abs. 4 VStG dar, sodass der Entfall der mündlichen Verhandlung nicht auf diese Bestimmung gestützt werden konnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2013, Zl. 2012/10/0256).

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c. VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hatte.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Oktober 2013

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