VwGH 2012/21/0253

VwGH2012/21/025316.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des I M in T, vertreten durch Dr. Joachim Rathbauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Weißenwolffstraße 1, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 18. Oktober 2012, Zl. E1/1012569/2012, betreffend Versagung der Ausstellung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §114 Abs1;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §94 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §114 Abs1;
FrPolG 2005 §92 Abs1 Z4;
FrPolG 2005 §94 Abs5;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.211,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation mit tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste am 15. September 2002 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Februar 2004 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Asylgesetz 1997 Asyl gewährt. Unter einem wurde gemäß § 12 Asylgesetz 1997 festgestellt, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

In der Folge erhielt der Beschwerdeführer am 4. März 2004 einen für zwei Jahre gültigen Konventionsreisepass, dessen Verlängerung er am 13. April 2006 beantragte. Diesen Antrag wies die Bundespolizeidirektion Linz mit Bescheid vom 6. September 2006 ab, weil der Beschwerdeführer mittlerweile mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichtes Laufen vom 9. März 2005 wegen Einschleusens von Ausländern zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe von 9 Monaten verurteilt worden war. Dem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer über Ersuchen eines nicht bekannten Auftraggebers gegen das Versprechen eines Entgelts am 1. Jänner 2005 vier tschetschenische Asylwerber mit seinem PKW vom Flüchtlingslager Traiskirchen nach Frankreich habe überstellen wollen, wobei er nach dem Grenzübertritt in Deutschland festgenommen worden sei. Der gegen die Antragsabweisung erhobenen Berufung gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 18. Februar 2008 keine Folge.

Bereits davor hatte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 24. September 2007 neuerlich den Antrag gestellt, die Gültigkeitsdauer des für ihn ausgestellten Konventionsreisepasses zu verlängern. Diesen Antrag wies die im Devolutionsweg zuständig gewordene Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich mit Bescheid vom 16. Juli 2008 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. September 2009 mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückgewiesen.

Hierauf stellte der Beschwerdeführer am 27. Oktober 2009 einen dritten Antrag, der sich auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses richtete. Auch dieser Antrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, und zwar mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 28. Jänner 2010.

Den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses brachte der Beschwerdeführer sodann am 14. Oktober 2011 ein. In einer Stellungnahme vom 27. Jänner 2012 brachte er dazu vor, der seit Begehung der dem Urteil des Amtsgerichtes Laufen zugrunde liegenden Straftat vergangene Zeitraum von mehr als sieben Jahren erscheine ausreichend, um von einer "günstigen Sozialprognose" ausgehen zu können. Im Übrigen habe er das für die Schlepperfahrt versprochene Entgelt von 300 US-Dollar pro Person nie erhalten, sodass nicht davon die Rede sein könne, die Gewinne im Schleppergewerbe seien sehr hoch und deshalb bestehe eine große Wiederholungsgefahr. Der Beschwerdeführer sei ein "redlicher Bürger" geworden und habe in Österreich eine "außerordentlich positive Karriere hingelegt". Derzeit sei er bei einer renommierten Firma in L., einem Maschinen- und Industriebauunternehmen, als Angestellter beschäftigt und studiere daneben an der J.-Universität. Er verfüge über eine Wohnung und habe hier familiären Anschluss; er beherrsche die deutsche Sprache in Wort und Schrift perfekt. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls nicht die Absicht, unter Verwendung des Konventionsreisepasses Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken; das sei auch aus der seinerzeitigen Verurteilung nicht (mehr) abzuleiten. Vielmehr sei es im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nötig, Auslandsbesuche in Form von Dienstreisen vorzunehmen. Im Übrigen sei auch die in Deutschland verfügte Einreisesperre mittlerweile aufgehoben worden.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 18. Oktober 2012 wurde dieser Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 92 Abs. 1 Z 4 und 5 iVm § 94 Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) abgewiesen.

Nach wörtlicher Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides und der Berufung sowie nach Zitierung der genannten Bestimmungen des FPG bezog sich die belangte Behörde im Rahmen ihrer rechtlichen Beurteilung zunächst auf die Begründung der Erstbehörde, die "in treffender Form" auf die vom Beschwerdeführer begangene strafbare Handlung im Bereich der Schlepperei hingewiesen habe. Auch die Tatsache, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr sieben Jahre wohlverhalten habe, ändere am Ergebnis nichts, weil der Beschwerdeführer damals bereits wenige Monate nach der Ausstellung des Konventionsreisepasses das zur Verurteilung führende Delikt gesetzt habe. Das spreche grundsätzlich für die Annahme, der Beschwerdeführer wolle den Konventionsreisepass benützen, um (neuerlich) Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken. Das gelte nämlich besonders dann, wenn eine mit einer Reisebewegung ins Ausland verbundene Tat bereits im Besitz eines solchen Dokuments begangen wurde, sodass sich die Annahme in der Vergangenheit bereits verwirklicht habe. Überdies handle es sich bei der Schlepperei um ein die öffentliche Ordnung besonders schwer beeinträchtigendes Fehlverhalten, bei dem Wiederholungsgefahr bestehe. Dass der Beschwerdeführer seither nicht mehr wegen Schlepperei verurteilt worden sei, relativiere sich auch deshalb, weil der Beschwerdeführer über keinen Reisepass für eine Tatwiederholung verfügt habe.

Dass die Annahme, der Beschwerdeführer werde Schlepperei begehen, auch die innere und äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden würde, brauche nicht eigens erwähnt zu werden. Die Ausstellung eines Reisedokumentes im Wissen um die mögliche Begehung von derartigen strafbaren Handlungen auch im Ausland würde darüber hinaus die Beziehungen Österreichs zu anderen Staaten gefährden.

Auch das Argument, der Beschwerdeführer habe eine außerordentliche Karriere hingelegt, führe - so begründete die belangte Behörde noch - nicht zum Erfolg, weil er die "beruflichen Fähigkeiten" auch ohne Konventionsreisepass "fortsetzen" könne. Gleiches gelte für die Tatsache, dass aktuell keine Einreiseverweigerung für Deutschland mehr bestehe, weil die belangte Behörde "den Sachverhalt" eigenständig zu beurteilen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten erwogen hat:

Dem Beschwerdeführer kommt infolge des Bescheides des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. Februar 2004 der Status eines Asylberechtigten zu, sodass ihm gemäß § 94 Abs. 1 FPG grundsätzlich auf Antrag ein Konventionsreisepass auszustellen ist. Allerdings gelten gemäß § 94 Abs. 5 letzter Halbsatz FPG der § 88 Abs. 4 FPG sowie die §§ 89 bis 93 FPG, die sich auf Fremdenpässe beziehen, auch für Konventionsreisepässe. Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist (u.a.) die Ausstellung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken (Z 4) oder dass durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde (Z 5).

Gegen die in diesem Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Prognosebeurteilung wendet sich der Beschwerdeführer und führt neuerlich ins Treffen, dass seit der "ohne jegliche Gewerbsmäßigkeit" verübten, einmalig gebliebenen Straftat "nunmehr so gut wie 8 Jahre" verstrichen seien. In diesem Zeitraum sei er in keiner Weise straffällig geworden und er habe sich in die österreichische Gesellschaft überdurchschnittlich integriert. Dazu verweist der Beschwerdeführer auf seine Berufstätigkeit, das daneben betriebene Studium und - wie schon in der Berufung - auch darauf, dass er als Dolmetscher in Asyl-, Fremdenpolizei- und auch Gerichtsverfahren tätig sei. Vor diesem Hintergrund sei die Annahme der belangten Behörde, er werde den Konventionsreisepass zur Begehung von Schlepperei verwenden, nicht gerechtfertigt.

Der belangten Behörde ist darin zu folgen, dass die vom Beschwerdeführer Anfang 2005 begangene Schlepperei von vier Landsleuten gegen Zusage eines nicht unbeträchtlichen Entgelts eine große Wiederholungsgefahr indizierte, hat der Beschwerdeführer die Straftat doch ungeachtet der Asylgewährung durch Österreich und vor allem unter Verwendung des nicht lange davor ausgestellten Konventionsreisepasses verübt. Zu Recht hat die belangte Behörde auch darauf verwiesen, dass sich damit die maßgebliche Annahme im Sinne der Z 4 des § 92 Abs. 1 FPG bereits verwirklicht hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt das auch von der belangten Behörde zitierte hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2012, Zl. 2010/21/0345).

Anders als in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall, in dem ein Wohlverhalten seit der Tatbegehung von nur etwa einem Jahr gegeben war, hat dieser Zeitraum hier bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides aber schon sieben Jahre und zehn Monate gedauert. Richtig ist zwar, dass die Begehung von Schlepperei mangels Besitzes eines Reisedokumentes in dieser Zeit schwieriger gewesen wäre, sie war aber nicht ausgeschlossen, zumal Mitwirkungshandlungen auch innerhalb Österreichs oder im Rahmen illegaler Grenzübertritte möglich gewesen wären. Angesichts dessen hätte die belangte Behörde dem - offenbar auch sonst tadellosen - Verhalten des Beschwerdeführers während des langen Zeitraums von fast acht Jahren bei der Prognosebeurteilung doch maßgebliche Bedeutung zumessen müssen.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer ins Treffen geführt, seine persönlichen Verhältnisse hätten sich in den letzten Jahren entscheidend geändert. Das hat die belangte Behörde nicht in Frage gestellt. Angesichts dessen hätte es aber einer näheren Begründung bedurft, weshalb der Beschwerdeführer, wie von der belangten Behörde unterstellt, ungeachtet seiner mittlerweile erlangten sozialen und wirtschaftlichen Integration noch immer das Risiko der Begehung von Schlepperei eingehen sollte. Dem wird der Hinweis im angefochtenen Bescheid, der Beschwerdeführer könne die "beruflichen Fähigkeiten auch ohne Konventionsreisepass fortsetzen", nicht gerecht. Mit der bei dieser Deliktsform (infolge guter "Verdienstmöglichkeiten" generell) anzunehmenden großen Wiederholungsgefahr, auf die sich vor allem die Erstbehörde berufen hatte, lässt sich das fallbezogen nicht mehr ausreichend begründen.

Der angefochtene Bescheid war daher angesichts der aufgezeigten Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3, 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008 und erfolgte im ausdrücklich verzeichneten Umfang.

Wien, am 16. Mai 2013

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