Normen
B-VG Art131 Abs2;
GSpG 1989 §50 Abs7;
VwGG §26 Abs1 Z4;
B-VG Art131 Abs2;
GSpG 1989 §50 Abs7;
VwGG §26 Abs1 Z4;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgebhoben.
Begründung
Mit erstinstanzlichen Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. bzw. 20. Dezember 2011 wurde jeweils gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG in Verbindung mit § 45 Abs. 2 VStG von der Fortführung eines Verfahrens, welches wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1
4. Fall Glücksspielgesetz (GSpG) gegen den Mitbeteiligten als Geschäftsführer der M GesmbH und damit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichen dieser GmbH eingeleitet worden war, abgesehen und die Einstellung des Verfahrens verfügt.
Begründend wurde nach Wiedergabe der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen jeweils ausgeführt, es stehe aufgrund der durchgeführten Ermittlungen fest, dass sich die Tätigkeit der M GesmbH in den Beschwerdefällen lediglich auf ein Zurverfügungstellen von Speicherplatz auf einem Server beschränkt habe, wobei ausschließlich nur Speicherplatz angeboten worden sei, der Inhalt der Daten, die auf dem Server abgelegt worden seien, sei ausschließlich "dem Mieter oblegen".
In dieser Tätigkeit könne keine dem § 2 Abs. 1 GSpG entsprechende unmittelbare Handlung des Veranstaltens, Organisierens, Anbietens oder Zugänglichmachens von Glücksspielen in Form von Ausspielungen im Sinne des § 2 Abs. 1 GSpG erblickt werden. Es könne im Anbieten von Speicherplatz für die Aufzeichnung rein buchhalterischer Daten, auch bei einer weiten Auslegung, keine Handlung erkannt werden, welche für die Aufrechterhaltung oder die Fortsetzung eines Spielbetriebes erforderlich sei, da es sich dabei bloß um eine Erleichterung der Erfassung handle und der Spielbetrieb auch durch manuelle schriftliche Aufzeichnungen leicht aufrecht erhalten bzw. fortgesetzt werden könne. Daher könne mangels Erforderlichkeit der Handlung für die Aufrechterhaltung oder Fortsetzung des Spielbetriebes in der zweifelsohne vorliegenden unternehmerischen Beteiligung keine Verwaltungsübertretung im Sinne des § 52 Abs. 1 GSpG erkannt werden, weshalb gemäß § 45 Abs. 1 VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen gewesen sei.
Gegen diese Bescheide erhob das jeweils zuständige Finanzamt Berufung, weil die M GesmbH nicht bloß nachhaltig Einnahmen aus der Serververmietung erzielt, sondern auch maßgeblich an der Ermöglichung von Glücksspielen mitgewirkt habe und nicht bloß Serverleistung, sondern ein komplexes elektronisches System zur Durchführung von Glücksspielen in Form von verbotenen Ausspielungen zur Verfügung gestellt habe. In diesem System habe die Serverleistung bloß einen kleinen Teilbereich der technischen Leistungen dargestellt, die von der M GesmbH erbracht worden seien.
Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen jeweils ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde - auf das Wesentliche zusammengefasst - jeweils aus, der Beitrag der M GesmbH (Verkauf von Glücksspielen und elektronischen Dienstleistungen), sei mit Sicherheit vertraglich vereinbart und in der Folge umgesetzt worden, womit aber auch im Wesentlichen der "aktive Beitrag" des Mitbeteiligten geendet habe, wenn auch der von der Finanzbehörde als rechtswidrig festgestellte Zustand jedenfalls noch am 27. Juli 2011 um 8 Uhr angehalten habe. Es wäre daher zur Umschreibung der vom Mitbeteiligten zu verantwortenden Übertretung, welche ein Dauerdelikt sei, die Kenntnis des Zeitpunktes des Vertragsabschlusses zur Bestimmung des Beginnes des Tatzeitraumes, welcher im Rahmen der Prüfung der zeitraumbezogenen Tatbestandsmäßigkeit sowie der subjektiven Tatseite von Bedeutung sei, wesentlich. Damit unterscheide sich der Beitrag des Mitbeteiligten wesentlich von dem der örtlichen "Betreiber" der Glücksspielapparate.
Des Weiteren sei der Beitrag des Mitbeteiligten substituierbar. Da es auch durch andere elektronische Vorkehrungen möglich sei, die wesentlichen Merkmale einer verbotenen Ausspielung zu verwirklichen, sei der Beitrag des Mitbeteiligten zwar nicht unwesentlich, aber letztlich nicht unbedingt erforderlich.
Es seien gegen die "Betreiber" der anzeigepflichtigen Glücksspielgeräte jeweils in erster Instanz bereits abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt worden, welche zu Beschlagnahmen und Einziehungen geführt hätten; es spreche einiges dafür, dass der Kern des strafbaren Verhaltens des Mitbeteiligten von dieser Bestrafung der Betreiber der Glücksspielgeräte mitumfasst werde. Daher sei die Einstellung des Verfahrens zu Recht erfolgt.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Amtsbeschwerden, in welchen jeweils Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte jeweils die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Mitbeteiligte erstattete jeweils eine Gegenschrift, in welcher er die Zurückweisung der Beschwerden, in eventu die Ablehnung der Beschwerden beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Art. 131 Abs. 1 und 2 B-VG lautet auszugsweise:
"Artikel 131. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges;
2. …
(2) Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt.
…"
§ 26 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, in der Fassung BGBl. Nr. 330/1990 lautet:
"§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG oder gegen eine Weisung gemäß Art. 81a Abs. 4 B-VG beträgt sechs Wochen. Sie beginnt
…
4. in den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG dann, wenn der Bescheid auf Grund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat;
…"
§ 50 Abs. 7 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. Nr. 620/1989, in
der Fassung BGBl. Nr. 73/2010, lautet:
"§ 50. …
(7) Der Bundesminister für Finanzen ist berechtigt, gegen Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Die Unabhängigen Verwaltungssenate haben Ausfertigungen glücksspielrechtlicher Entscheidungen unverzüglich dem Bundesminister für Finanzen zu übermitteln.
…"
§ 19 E-Government-Gesetz (E-GovG), BGBl. I Nr. 10/2004, in
der Fassung BGBl. I Nr. 7/2008 lautet:
"Amtssignatur
§ 19. (1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur im Sinne des Signaturgesetzes, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat ausgewiesen wird.
(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Auftraggeber des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesen unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihnen erzeugten Dokumente verwendet werden.
(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur sind vom Auftraggeber des öffentlichen Bereichs bereitzustellen."
Die vorliegenden Beschwerdefälle gleichen sowohl hinsichtlich des maßgebenden Sachverhaltes als auch der maßgeblichen Rechtsfragen (sowohl bezüglich des Einwandes der Verspätung der Beschwerde als auch in der Sache hinsichtlich der Rechtsauffassung der belangten Behörde zu § 52 Abs. 1 Z. 1 vierter Fall GSpG) demjenigen, den der Verwaltungsgerichthof mit Erkenntnis vom 21. Dezember 2012, Zl. 2012/17/0386, zu entscheiden hatte. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
Der Mitbeteiligte bringt weiters vor, die Beschwerde sei zurückzuweisen, weil sich die Beschwerdeführerin bezüglich ihrer Beschwerdelegitimation auf unzutreffende Bestimmungen (Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 50 Abs. 7 GSpG) gestützt habe. Sie wäre verpflichtet gewesen, die Beschwerde auf Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG zu stützen und zunächst - weil eine Übermittlung der angefochtenen Entscheidung durch die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 50 Abs. 7 GSpG nicht erfolgt sei - die Verletzung des subjektiven öffentlichen Rechts auf Übermittlung der Entscheidung der belangten Behörde geltend zu machen. Erst dann wäre sie berechtigt gewesen, eine auf Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 50 Abs. 7 GSpG gestützte Beschwerde zu erheben.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Mitbeteiligte keine Gesichtspunkte auf, die zur Zurückweisung der Beschwerde führen. Die Erhebung einer Amtsbeschwerde der Bundesministerin für Finanzen setzte nicht voraus, dass ihr eine Ausfertigung der entsprechenden Entscheidung übermittelt worden war, weil diese Übermittlung - entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten - nach den anzuwendenden Bestimmungen keine notwendige Voraussetzung für die Erhebung einer Amtsbeschwerde bildet. Derartiges ist weder dem Wortlaut des § 50 Abs. 7 GSpG, BGBl. I Nr. 54/2010, noch den Gesetzesmaterialen zu dieser Bestimmung zu entnehmen. Wenn der Bundesministerin für Finanzen eine Ausfertigung einer glücksspielrechtlichen Entscheidung nicht zugestellt wird, steht es ihr gemäß § 26 Abs. 1 Z 4 VwGG offen - sobald sie von der Entscheidung Kenntnis erlangt - innerhalb der sechswöchigen Frist Amtsbeschwerde auf Grundlage der Art. 131 Abs. 2 B-VG in Verbindung mit § 50 Abs. 7 GSpG zu erheben.
Auch das Vorbringen, die Beschwerde sei nicht richtig unterfertigt, weil die elektronische Signatur als Unterzeichner nur das Bundesministerium für Finanzen aufweise und nicht die Bundesministerin für Finanzen selbst, die Beschwerde könne somit nicht der Bundesministerin für Finanzen zugerechnet werden, führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen.
Gemäß § 19 Abs. 2 erster Satz E-GovG dient die Amtssignatur der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Auftraggeber des öffentlichen Bereichs. Sie ist gemäß Abs. 3 leg. cit. im Dokument durch eine Bildmarke, die der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, darzustellen.
Die vorliegende Beschwerdeausfertigung enthält unbestritten (siehe Gegenschrift S. 5) die Bezeichnung der Behörde (Bundesministerin für Finanzen) und den Namen der Genehmigenden. Sie ist auch mit einer Amtssignatur im Sinne des § 19 E-GovG versehen. Aus dieser ist auch entsprechend § 19 Abs. 2 und 3 E-GovG der Auftraggeber des öffentlichen Bereichs, nämlich das Bundesministerium für Finanzen, sowie dessen im Internet gesichert veröffentlichte Bildmarke ersichtlich. Die vorliegende Beschwerdeausfertigung entspricht damit den gesetzlichen Vorschriften. Es ist auch ersichtlich, dass sie von der genannten Beamtin für die Bundesministerin für Finanzen gefertigt wurde.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Die belangte Behörde belastete die angefochtenen Bescheide im Sinne obiger Ausführungen, in denen maßgeblich auf das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2012 verwiesen wurde, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Sie waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 15. März 2013
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