VwGH 2012/16/0236

VwGH2012/16/023618.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde der T in W, vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Oppolzergasse 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 2. November 2012, Zl. FSRV/0077-W/12, betreffend Versagung der Erbringung gemeinnütziger Leistungen nach § 175 FinStrG iVm § 3a StVG, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §175 Abs1;
StVG §3 Abs1;
StVG §3a;
FinStrG §175 Abs1;
StVG §3 Abs1;
StVG §3a;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war mit Erkenntnis des Spruchsenates des Finanzamtes Wien 1/23 vom 1. Juli 2011 des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2a FinStrG schuldig erkannt und hiefür nach § 33 Abs. 5 unter Bedachtnahme auf § 23 Abs. 3 FinStrG mit einer Geldstrafe von EUR 40.000,-- bestraft worden. Gemäß § 20 Abs. 1 FinStrG wurde für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten festgesetzt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erbringung gemeinnütziger Leistungen nach § 3a StVG als unzulässig mit folgender tragenden Begründung zurück:

"Zu lösen ist nunmehr die Frage, ob die Bestimmungen über die Erbringung gemeinnütziger Leistungen nach § 3 und § 3a StVG auch auf in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängte Geldstrafen Anwendung finden.

Zur Lösung dieser Frage ist der dritte Satz des § 175 Abs. 1 FinStrG heranzuziehen: 'Soweit dieses Bundesgesetz nicht besondere Bestimmungen enthält, sind für den Vollzug die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit folgender Maßgabe sinngemäß anzuwenden.' und zu prüfen, ob das Finanzstrafgesetz 'besondere Bestimmungen' enthält oder die §§ 3 und 3a StVG sinngemäß anzuwenden sind.

In der vom Bf. zur Untermauerung seines Rechtsstandpunktes angeführten Entscheidung des VwGH vom 15.4.2011, 2010/16/0279 ging es um einen Strafaufschub.

Nach Abweisung der Beschwerde wurde in einem obiter dictum der folgende Satz angeführt: 'Auf die seit 1. Jänner 2008 bestehende grundsätzliche Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 175 Abs. 1 FinStrG iVm § 3 Abs. 1 dritter Satz und § 3a StVG) wird im Übrigen hingewiesen.'

Den Rechtsansichten der Bf. und dem obiter dictum werden seitens des Unabhängigen Finanzsenates folgende Erwägungen entgegen gehalten:

§ 3 Strafvollzugsgesetz regelt die Erlassung einer Aufforderung zum Strafantritt zur Vollziehung einer gerichtlichen Freiheitsstrafe durch das Gericht und hält fest, dass der Verurteilte in der Aufforderung zum Strafantritt über das Ausmaß einer zu erbringenden gemeinnützigen Leistung zu informieren ist.

In § 175 Abs. 2 FinStrG ist eine Informationsverpflichtung der Finanzstrafbehörde über eine vom Gesetzgeber eingeräumte Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen an einen rechtskräftig Bestraften mit einer Aufforderung zum Strafantritt in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren jedoch nicht normiert.

Das Finanzstrafgesetz enthält demnach im § 175 FinStrG eine besondere Bestimmung im Sinn des § 175 Abs. 1, dritter Satz zum Inhalt einer Aufforderung zum Strafantritt für Personen, bei denen die in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen ist.

Hätte der Gesetzgeber bei Normierung des § 3a StVG mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2008, BGBl I, 109/2007 gewollt, dass auch in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren die Erbringung einer gemeinnützigen Leistung zulässig sein sollte, hätte er die dazu für das gerichtliche Strafverfahren normierten Vorgaben, Aufnahme der Mitteilung über das Ausmaß der zu erbringenden gemeinnützigen Leistungen in die Aufforderung zum Strafantritt und Mitteilung an eine in der Sozialarbeit erfahrene Person in § 175 Abs. 2 FinStrG übernehmen und diese Spezialregelung anpassen müssen.

Wie sonst könnte eine in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren bestrafte Person in gleicher Weise wie dies in gerichtlichen Verfahren normiert ist, über dieses Recht, statt einem Strafvollzug gemeinnützige Leistungen erbringen zu können, Kenntnis erlangen?

Eine Antragstellung zur Erbringung gemeinnütziger Leistungen sieht auch § 3a StVG nicht vor.

Nach § 3a Abs. 2 StVG hat der Verurteilte lediglich nach der Information durch die Aufforderung zum Strafantritt innerhalb der Frist des § 3 Abs. 2 StVG dem Gericht mitzuteilen, dass er sich bereit erkläre, gemeinnützige Leistungen zu erbringen und wird, wenn dies rechtlich zulässig ist, die einmonatige Frist gehemmt.

Für die weiteren in dieser Bestimmung normierten Vorgaben, dass der Verurteilte innerhalb eines Monats ein Einvernehmen mit einer geeigneten Einrichtung erreichen und dies dem Gericht mitteilen muss, bzw. Folgen, dass, wenn innerhalb dieser Frist kein Einvernehmen erzielt wird, die Frist des § 3 Abs. 2 fortläuft und bei rechtzeitiger Mitteilung durch den Verurteilten, der Strafvollzug mit dem Tag des Einlangens der Mitteilung bei Gericht bis zum Nachweis der Erbringung der gemeinnützigen Leistungen als aufgeschoben gilt, gibt es ebenfalls keine entsprechenden Vorschriften für die Finanzstrafbehörden.

Da diese gesetzlichen Vorgaben nicht im Aufgabenbereich des zuständigen gerichtlichen Gefangenenhauses oder der Strafvollzugsanstalt sondern beim Gericht, das ein Urteil gefällt hat, liegen (§ 7 Abs. 1 StVG) und die Finanzstrafbehörde gemäß § 175 Abs. 3 FinStrG nur berechtigt ist beim Vollzug der verwaltungsbehördlichen Ersatzfreiheitsstrafen bzw. Freiheitsstrafen den Leiter des zuständigen gerichtlichen Gefangenenhauses oder der Strafvollzugsanstalt um den Vollzug der Freiheitsstrafe zu ersuchen, ist eindeutig, dass eine Anwendung der Bestimmung des § 3a StVG auf im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren verhängte Ersatzfreiheitsstrafen nicht zulässig sein kann.

Eine Wahrnehmung der für eine Erfüllung der Voraussetzungen dieser Bestimmung erforderlichen Aufgaben für ein verwaltungsbehördliches Finanzstrafverfahren ist nicht normiert. Wer sollte im verwaltungsbehördlichen Verfahren das machen, was sonst der Richter nach § 3a StVG zu tun hat? Der den Vollzug im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren betreibenden Beamte ist lediglich Normadressat der Spezialbestimmung des § 175 Abs. 2 FinStrG.

Wie der Bf. richtig ausgeführt hat, geht es bei dieser Maßnahme nach § 3a StVG eben um die Abwendung eines Vollzuges und daher nicht um Aufgaben des Leiters der Strafvollzugsanstalt, der auch im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens tätig werden kann.

Ein Anwendungsbereich des Wortes 'sinngemäß' im § 175 FinStrG auf ein verwaltungsbehördliches Strafverfahren ist nicht gegeben, weil das Verfahren zur Erbringung einer gemeinnützigen Leistung einem Strafvollzug und den dafür geschaffenen Bestimmungen vorgelagert ist und die Freiheitsstrafe bei Erfüllung aller Voraussetzungen lediglich als vollzogen gilt.

Zur Abrundung darf zu der These, was für in Gerichtszuständigkeit fallende Vergehen gelte, müsse erst recht auf geringere Verfehlungen mit weniger Unrechtsgehalt anzuwenden sein, festgehalten werden, dass es dem Gesetzgeber unzweifelhaft zusteht unterschiedliche Sanktionen für gerichtliche und verwaltungsbehördliche Finanzstrafverfahren zu normieren, wie er dies beispielsweise auch beim Ausschluss von bedingten Strafen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren getan hat.

Mit dem gegenständlichen Antrag wurde somit ein vom Gesetzgeber nicht eingeräumter Rechtsanspruch behauptet, weswegen der Antrag zu Recht als unzulässig eingebracht zurückgewiesen wurde. "

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung (im Sinne einer Stattgebung ihres Antrages) verletzt; sie beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde weist in ihrer Gegenschrift auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Oktober 2012, B 1070/11, hin, das ihr im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht bekannt gewesen sei; von einer Vorlage der Verwaltungsakten werde im Hinblick auf das genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Soweit die vorliegende Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde darin erblickt, die Beschwerdeführerin habe bezugnehmend auf den dem (rechtskräftigen) Straferkenntnis des Spruchsenates zugrunde liegenden Sachverhalt einen Bescheid über die Einleitung eines weiteren Finanzstrafverfahrens wegen Verkürzung von Lohnsteuer und Dienstgeberbeiträgen erhalten, womit aufgrund ein und desselben rechtserzeugenden Sachverhaltes die für die Zuständigkeit der Strafgerichte maßgebliche Wertgrenze nunmehr überschritten sei, verkennt sie den Gegenstand des angefochtenen Bescheides, der im Instanzenzug über die Zulässigkeit eines Antrages auf Erbringung gemeinnütziger Leistungen nach § 3a StVG in Vollziehung des - rechtskräftigen - Erkenntnisses des Spruchsenates absprach. Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über die Beschwerde gegen die Versagung der Erbringung gemeinnütziger Leistung nach § 3a StVG als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz ergibt sich vorliegend aus § 62 Abs. 1 FinStrG.

Die monierte Unzuständigkeit der belangten Behörde ist im vorliegenden Fall daher nicht gegeben.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt die Beschwerde darin, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 5. April 2011, 2010/16/0279, ausdrücklich darauf hingewiesen, dass im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren die grundsätzliche Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen bestehe.

In dem zitierten Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof abschließend (obiter) aus, dass auf die seit 1. Jänner 2008 bestehende grundsätzliche Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§ 175 Abs. 1 FinStrG iVm § 3 Abs. 1 dritter Satz und § 3a StVG) hingewiesen werde.

Damit brachte er zum Ausdruck, dass zufolge des § 175 Abs. 1 dritter Satz FinStrG für den Vollzug von finanzstrafbehördlich verhängten Freiheitsstrafen, deren Strafzeit 18 Monate nicht übersteigt, die sinngemäße Anwendung des Strafvollzugsgesetzes u. a. § 3 Abs. 1 dritter Satz und § 3a StVG mit umfasst.

Der Verfassungsgerichtshof führte in dem - von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift zitierten - Erkenntnis vom 11. Oktober 2012, B 1070/11, aus:

"III.3. Die belangte Behörde nimmt an, dass eine Substitution des Vollzuges finanzstrafbehördlich ausgesprochener (Ersatz-)Freiheitsstrafen schon von Gesetzes wegen ausscheide: Da die eigenständige, auf den Vollzug finanzverwaltungsbehördlich verhängter (Ersatz-)Freiheitsstrafen anzuwendende Bestimmung des § 175 Abs1 FinStrG eine den §§ 3 und 3a StVG vergleichbare Regelung nicht kenne , seien diese iVm dem Inhalt der Begriffsbestimmungen des § 1 leg. cit. nur auf von Strafgerichten wegen gerichtlich strafbarer Handlungen Verurteilte, nicht aber auf wegen verwaltungsbehördlicher Finanzdelikte Bestrafte anwendbar; damit mangle der Finanzstrafbehörde erster Instanz die Kompetenz zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag.

3.1. Damit hat die belangte Behörde der Vorschrift des § 175 FinStrG aber einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:

3.2. § 175 Abs. 1 dritter Satz FinStrG ordnet für den Vollzug von (Ersatz-) Freiheitsstrafen die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des StVG über den Vollzug von Freiheitsstrafen (bis höchstens achtzehn Monaten) an, soweit dies zu Anlass und Ausmaß der Freiheitsstrafe nicht außer Verhältnis steht und das FinStrG keine speziellen Regelungen vorsieht.

Die hier maßgeblichen Vorschriften der §§ 3 und 3a StVG über die Möglichkeit der Abwendung der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch gemeinnützige Tätigkeit finden sich nicht in der taxativen Aufzählung der Ausnahmebestimmungen in § 175 Abs1 lit. a FinStrG. Allerdings enthält § 175 Abs. 2 FinStrG eine im Sinne des § 175 Abs. 1 dritter Satz leg. cit. eigenständige (von § 3 Abs. 1 und 2 StVG abweichende) Regelung für die Anordnung bzw. Einleitung des Vollzuges verwaltungsbehördlich verhängter (Ersatz-)Freiheitsstrafen (RV 1130 BlgNR 13. GP, 84 - siehe oben II.4.).

3.3. Es ist daher im gegebenen Zusammenhang zu prüfen, ob die (seit der Fassung BGBl. I 138/2000 unverändert in Geltung stehende) Vorschrift des § 175 Abs. 2 FinStrG - als lex specialis -

den Bestimmungen der §§ 3 f. StVG uneingeschränkt (also auch in Bezug auf die erst später in den Rechtsbestand aufgenommene Regelung über die Möglichkeit der Abwendung von Freiheitsstrafen durch Erbringung gemeinnütziger Leistungen) vorgeht oder nur insoweit, als Vorgänge um die Strafvollzugsanordnung bzw. den Strafantritt betroffen sind.

Unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ist davon auszugehen, dass § 175 Abs. 2 nur insoweit besondere Bestimmungen zu §§ 3 und 3a StVG enthält, als der Strafantritt als solcher oder die Vorführung geregelt sind. Anderes trifft indes auf jene Teile der §§ 3 und 3a StVG zu, welche die Haftverschonung durch gemeinnützige Leistung regeln:

Die Annahme einer gänzlichen Verdrängung der §§ 3 und 3a StVG einschließlich der hier maßgeblichen Regelungen über die Möglichkeit der Abwendung der Strafverbüßung durch § 175 Abs. 2 FinStrG würde nämlich zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch zwischen dem Vollzug von Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren einerseits und im gerichtlichen Finanzstrafverfahren andererseits führen.

3.4. Der Verfassungsgerichtshof verkennt nicht, dass zwischen gerichtlichem und verwaltungsbehördlichem Finanzstrafverfahren wesentliche Unterschiede bestehen, die - etwa aus Gründen der Verwaltungsökonomie - grundsätzlich verschiedenartige Regelungen einer Frage (auch auf dem Gebiet des Strafvollzuges) sachlich zu rechtfertigen vermögen (vgl. VfSlg. 8017/1977, 9956/1984).

3.4.1. Es ist jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, § 175 Abs. 2 FinStrG so zu verstehen, dass die von einem Strafgericht wegen einer Finanzstraftat zu einer - maximal neunmonatigen - (Ersatz-)Freiheitsstrafe Verurteilten in §§ 3 und 3a StVG eröffnete Option einer von der Finanzstrafbehörde mit einer - geringeren (höchstens dreimonatigen - § 20 Abs. 2 FinStrG) - Ersatzfreiheitsstrafe belegten Person nicht zukommt.

3.4.2. Eine solche - von der belangten Behörde vorgenommene - Auslegung würde eine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare unsachliche Schlechterstellung eines im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Bestraften gegenüber einem im gerichtlichen Finanzstrafverfahren Verurteilten bedeuten. Denn der Gesetzgeber stuft in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fallende Finanzvergehen von vornherein - schon wegen der vergleichsweise geringeren Höhe des Hinterziehungsbetrages - als weniger schwerwiegend ein als der gerichtlichen Kompetenz unterfallende Finanzdelikte und sieht für erstere deshalb eine geringere Strafdrohung vor (vgl. VfSlg. 8017/1977, 14.973/1997, 15.772/2000, 16.184/2001).

3.5. Der Auffassung der belangten Behörde zuwider widerstreitet diese - verfassungsrechtlich gebotene - Interpretation auch nicht dem Wortlaut des § 1 StVG. Dass sich die diesbezüglichen Begriffsdefinitionen - wie alle Bestimmungen des StVG - auf den Vollzug gerichtlich verhängter Freiheitsstrafen beziehen, hindert die sinngemäße Anwendung der §§ 3 Abs. 1 zweiter und dritter Satz sowie 3a StVG im finanzstrafbehördlichen Vollzugsverfahren in keiner Weise.

3.6. Schließlich spricht die Bedachtnahme auf die Intention des Gesetzgebers, mit der Schaffung des § 3a StVG der Sozialschädlichkeit von kurzen Freiheitsstrafen begegnen zu können (RV 302 BlgNR 23.GP, 4), ebenfalls für die dargelegte - gleichheitskonforme - Auslegung, zumal gemäß §175 Abs. 1 erster Satz FinStrG verwaltungsbehördlich verhängte Ersatzfreiheitsstrafen gleich gerichtlichen in Justizanstalten zu vollziehen sind."

Im Lichte dessen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag, der vorliegenden Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 18. März 2013

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