VwGH 2012/15/0033

VwGH2012/15/003319.12.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Landeck/Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Innsbruck, vom 22. Dezember 2011, Zl. RV/0682-I/06, betreffend Feststellung von Einkünften für 2003 (mitbeteiligte Parteien:

1. AM in A, vertreten durch die Marsoner + Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 6020 Innsbruck, Andreas Hofer Straße 43, und 2. RM in I), zu Recht erkannt:

Normen

BewG 1955 §10;
BewG 1955 §10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte AM war Alleineigentümer einer Liegenschaft, die unmittelbar dem Betrieb eines Hotels durch die steuerliche Mitunternehmerschaft AM und RM diente. Der Gewinn aus dem Hotelbetrieb wurde im Streitjahr 2003 gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt.

Im Juni 2003 wurde das Hotel samt Liegenschaft ohne Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zwangsversteigert. Der Versteigerungserlös betrug 1,380.784 EUR.

Anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde der von den mitbeteiligten Parteien erklärte Veräußerungsgewinn aus der Versteigerung der Betriebsliegenschaft insoweit abgeändert, als der auf Grund und Boden entfallende und daher nicht steuerpflichtige Anteil am Versteigerungserlös vermindert und im selben Ausmaß der auf das Gebäude entfallende Veräußerungserlös erhöht wurde.

Der Prüfer stützte sich dabei auf ein im Auftrag des Gerichtes erstelltes Gutachten über den Verkehrswert der Liegenschaft nach dem Sachwertverfahren. Der vom Gutachter B ermittelte Sachwert wurde vom Finanzamt insoweit abgeändert, als dem Verkehrswert für Grund und Boden anstatt wie bisher 120 EUR/m2 nunmehr ein Preis von 150 EUR/m2 mit der Begründung zu Grunde gelegt wurde, dass zwischen Erstellung des Schätzgutachtens und Versteigerungstermin eine (werterhöhende) Umwidmung erfolgt sei. Weiters wurde ein Rechenfehler korrigiert.

Ausgehend von dem in der geschilderten Weise adaptierten Grundwert laut Gutachten von 285.210 EUR und dem Gebäudewert laut Gutachten von 1,863.658 EUR ermittelte das Finanzamt das Verhältnis des Grundwertes zum Gebäudewert mit 13,27% zu 86,73% und behandelte dementsprechend 13,27% des tatsächlich erzielten Versteigerungserlöses von 1,380.784 EUR als auf Grund und Boden entfallend.

Gegen den in diesem Sinne erlassenen Bescheid, mit dem die Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2003 einheitlich und gesondert festgestellt wurden, erhob die Mitunternehmerschaft Berufung. Darin vertrat sie die Ansicht, dass die "korrekte Ermittlung des Grundanteils (…) nur die Division des außer Streit befindlichen Grundwertes von EUR 285.210,- (…) durch den tatsächlich erzielten Versteigerungspreis (der Fremdvergleich gibt den Verkehrswert jedenfalls am besten wider) von EUR 1.380.784,-" sein könne. Der Grundanteil errechne sich solcherart mit 20,66%.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung in diesem Punkt Folge. Sie begründete ihre Entscheidung zum einen damit, dass im Beschwerdefall ausschließlich abgabenrechtliche Vorschriften und nicht Bestimmungen des Liegenschaftsbewertungsgesetzes anzuwenden seien. Zum anderen damit, dass bei Feststellung des Ertragswertes im Rahmen eines weiteren vom Gericht in Auftrag gegebenen Gutachtens Ermittlungsschwierigkeiten eingeräumt worden seien und bereits geringfügige Änderungen des Kapitalisierungszinssatzes große Auswirkungen auf den Ertragswert haben würden.

Das Gutachten hätte daher lediglich dem Gericht für Zwecke der vorzunehmenden Versteigerung einen Anhaltspunkt über den Wert der Liegenschaft liefern können, auf Grund der aufgezeigten Unsicherheiten sei es aber nicht ersichtlich, warum der darin ermittelte Wert dem Verkehrswert näher kommen sollte, als der bei der öffentlichen Versteigerung tatsächlich erzielte Erlös. Der Wert des Grund und Bodens habe unbedenklich mit 285.210 EUR angenommen werden können. Gehe man davon aus, dass das Meistbot dem Verkehrswert entspreche, ergebe sich der Gebäudewert, indem man den Wert des Grund und Bodens vom Versteigerungserlös in Abzug bringe mit 1,095.574 EUR.

Dagegen wendet sich die vorliegende vom Finanzamt gemäß § 292 BAO erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Aufteilung eines Kaufpreises einer bebauten Liegenschaft nach streng objektiven Maßstäben zu erfolgen. Hiezu ist jeweils der Verkehrswert des bloßen Grund und Bodens einerseits und des Gebäudes andererseits zu schätzen und der Kaufpreis im Verhältnis dieser Werte aufzuteilen (Methode des Sachwertverhältnisses).

Der Aufteilung des Kaufpreises nach dem Sachwertverhältnis liegt die Auffassung zu Grunde, dass der Ertrag durch das bebaute Grundstück insgesamt erwirtschaftet wird und der Ertragswert daher wiederum nach dem Sachwertverhältnis dem Boden einerseits und dem Gebäude andererseits zuzuweisen ist.

Eine Differenzrechnung, bei welcher der Wert des Bodens vom Gesamtkaufpreis in Abzug gebracht wird, führt in der Regel nicht zu einer den Wertverhältnissen entsprechenden Aufteilung (vgl. zum Ganzen die hg. Erkenntnisse vom 29. April 2010, 2008/15/0111, und vom 4. Juni 2003, 99/13/0238).

Die von der belangten Behörde angewandte Differenzmethode, bei der nach Feststellung des Wertes von Grund und Boden der Gebäudewert als "Restgröße" ermittelt wird, kann nur in jenen Fällen zu einem wirklichkeitsnahen Ergebnis führen, in denen der Wert von Grund und Boden (unter Berücksichtigung des wertbeeinflussenden Umstandes der Bebauung) unbedenklich festgestellt werden kann und überdies der tatsächliche gesamte Kaufpreis für die bebaute Liegenschaft weitestgehend ihrem Verkehrswert entspricht. Treffen diese beiden Voraussetzungen nicht zu, so ist der Methode des Sachwertverhältnisses der Vorzug zu geben, wobei der Verkehrswert der gesamten Liegenschaft festgestellt, in seine beiden Komponenten Gebäudewert und Wert von Grund und Boden aufgeteilt und in diesem Verhältnis mit dem tatsächlichen Kaufpreis verglichen bzw. zu diesem in Relation gesetzt wird. Mit dieser Methode wird vermieden, dass das Wertverhältnis zwischen Gebäudewert und Wert von Grund und Boden in jenen Fällen unrealistisch verzerrt wird, in denen der tatsächlich erzielte Veräußerungspreis vom Verkehrswert abweicht (vgl. dazu grundlegend bereits das hg. Erkenntnis vom 7. September 1990, 86/14/0084).

Für den Beschwerdefall ist daher entscheidend, ob die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen durfte, dass der tatsächlich erzielte Versteigerungserlös dem Verkehrswert der Hotelliegenschaft entsprochen hat. Nur in diesem Fall erweist sich - wie aufgezeigt - die Differenzmethode als geeignete Methode der Aufteilung des Gesamtkaufpreises auf den (nicht steuerpflichtigen) Bodenwert einerseits und den (steuerpflichtigen) Gebäudewert andererseits.

Gegenständlich lagen der belangten Behörde von Gericht in Auftrag gegebene Gutachten zum Verkehrswert der streitgegenständlichen Liegenschaft vor. In einem Gutachten wurde der Verkehrswert mit Hilfe des Sachwertverfahrens und in einem weiteren Gutachten an Hand des Ertragswertverfahrens ermittelt. Schließlich wurden beide Einzelwerte zusammengeführt und im Verhältnis 1 (Sachwert) zu 4 (Ertragswert) gewichtet. Nach keinem der - nach anerkannten Methoden der Liegenschaftsbewertung erstellten - Gutachten ergab sich ein Verkehrswert, der auch nur annähernd dem tatsächlich erzielten Versteigerungserlös entsprochen hätte. Selbst der niedrigste der drei (nach dem reinen Ertragswertverfahren ermittelte) Werte lag mit 1,813.127 EUR deutlich über dem tatsächlich erzielten Versteigerungserlös von lediglich 1,380.784 EUR.

Die belangte Behörde hat die Verkehrswertermittlung durch die beiden gerichtlich bestellten Sachverständigen unter Hinweis auf Unsicherheitsfaktoren verworfen. Die Gutachter hätten selbst eingeräumt, dass die bewertungsgegenständliche Hotelliegenschaft - näher dargestellte - wertmindernde Faktoren aufweise. Die Gutachten aus diesem Grund außer Acht zu lassen, ist jedoch schon deshalb unschlüssig, weil die von den Gutachtern angeführten negativen Wertfaktoren ihren Niederschlag ohnedies in entsprechenden Abschlägen gefunden haben. Dass mit diesen Abschlägen nicht das Auslangen zu finden wäre, macht die belangte Behörde nicht einsichtig. Insoweit bleibt daher ihre Feststellung, der Versteigerungserlös habe dem Verkehrswert entsprochen, eine begründungslose Behauptung, die im Übrigen auch nicht ohne weiteres mit der Lebenserfahrung zur Preisbildung bei Bestehen einer Zwangslage auf Seiten des Verkäufers in Einklang zu bringen ist.

Im Beschwerdefall ist somit nicht zu erkennen, dass der tatsächlich erzielte Versteigerungserlös sachgerecht zwischen Bodenwert und Gebäudewert aufgeteilt worden wäre. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Wien, am 19. Dezember 2013

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