VwGH 2012/13/0077

VwGH2012/13/007726.6.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Finanzamts Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 29. Juni 2012, Zl. RV/2648- W/07, miterledigt RV/3736-W/08, betreffend Einkommensteuer 2006 und 2007 (mitbeteiligte Partei: F in W), zu Recht erkannt:

Normen

EStG §34 Abs8;
EStG §34 Abs8;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die in Wien wohnhafte Mitbeteiligte bezog in den Streitjahren 2006 und 2007 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und machte in den Einkommensteuererklärungen die Aufwendungen für das Biologiestudium ihrer Tochter in London als außergewöhnliche Belastung gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 geltend.

Gegen die Einkommensteuerbescheide, in denen das Finanzamt den Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 jeweils nicht zuerkannte, erhob die Mitbeteiligte Berufungen, in denen sie geltend machte, ihre Tochter sei "englischsprachig erzogen" worden und die Lehrinhalte würden in London in englischer Sprache angeboten, womit sie sich von den in Österreich angebotenen "grundlegend" unterschieden. In Wien werde zwar auch Molekularbiologie gelehrt, aber nicht an einer fremdsprachigen Universität.

Nach Vorlage der Berufungen brachte die Mitbeteiligte in Beantwortung eines Vorhaltes der belangten Behörde vor, die unter einem vorgelegten Studienpläne einerseits der Wiener Universität und andererseits des in London besuchten College seien im ersten Jahr in etwa gleich. Im zweiten und dritten Jahr würden in London jeweils näher bezeichnete Fächer angeboten, auf die das in Wien in den Streitjahren nicht zugetroffen habe. Eine Spezialisierung auf Meeresbiologie und Virologie wäre der Tochter der Mitbeteiligten in Wien nicht möglich gewesen. Zum Zeitpunkt des Studienbeginns habe es in Wien auch kein dreijähriges Biologiestudium mit Bachelor-Abschluss gegeben, sondern nur das Diplomstudium mit einer Studiendauer von 10 Semestern (durchschnittliche Studiendauer 7 Jahre). Der von der Tochter der Mitbeteiligten gewählte Ausbildungsweg - dreijähriges Bachelorstudium in englischer Sprache - biete "international eine ausschlaggebende Qualifikation". Davon abgesehen liege das College in London im "Times Higher Education University Ranking 2006" auf Platz 25, die Universität Wien hingegen auf Platz 87. Zusammenfassend biete das dreijährige Bachelorstudium in englischer Sprache an einer Universität mit sehr guter internationaler Reputation einen rascheren Einstieg in das Berufsleben und insgesamt bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt als ein siebenjähriges Studium, das "nicht auf internationale Komponenten Rücksicht" nehme und keine Spezialisierung auf Meeresbiologie und molekulare Virologie ermögliche.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde den Berufungen Folge, wobei sie im Sachverhalt vom Vorbringen der Mitbeteiligten und den vorgelegten Studienplänen ausging und in rechtlicher Hinsicht den Standpunkt vertrat, schon angesichts der Vermittlung der Lehrinhalte in einer Fremdsprache sei "von unterschiedlichen Lehrinhalten und damit von einer fehlenden Vergleichbarkeit der auswärtigen Ausbildung mit einer inländischen (deutschsprachigen) auszugehen". Darüber hinaus sei in Wien damals nur das zehnsemestrige Diplomstudium und kein dreijähriges Bachelorstudium angeboten worden. Das Studium in London ermögliche der Tochter der Mitbeteiligten daher einen rascheren Einstieg ins Berufsleben und insgesamt anders gelagerte Chancen auf dem Arbeitsmarkt als ein zehnsemestriges Diplomstudium (mit noch weit höherer Durchschnittsstudiendauer) in Wien in deutscher Sprache, bei dem "andere Grundintentionen vorliegen (beispielsweise wesentlich längere Ausbildungsdauer an der Uni Wien mit weniger rascher Berufseinstiegsmöglichkeit, dadurch jedoch allenfalls eine höhere Ausbildungskomponente hinsichtlich allfälliger künftiger wissenschaftlicher Arbeit auf diesem Gebiet; größere Rücksichtnahme auf internationale Komponenten an der Universität London; größere Chancen auf internationalen Arbeitsmärkten durch Studienabschluss in englischer Sprache am UCL udgl.)". Unter zusätzlicher Berücksichtigung der Tatsache, dass die Tochter der Mitbeteiligten englischsprachig erzogen worden sei, sei die belangte Behörde bei Abwägung der im Streitzeitraum vorhandenen Studienmöglichkeiten daher zu der Ansicht gelangt, "dass die beiden Studien, nämlich das dreijährige Studium in englischer Sprache in London und das fünfjährige Studium in Wien im Fall der englischsprachig erzogenen Tochter" der Mitbeteiligten nicht im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 vergleichbar gewesen seien.

Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, in der unter dem Gesichtspunkt der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides - wie im Fall des Erkenntnisses vom heutigen Tag, 2012/13/0076 - der Ansicht der belangten Behörde, schon die Vermittlung der Lehrinhalte in einer Fremdsprache bewirke die fehlende Vergleichbarkeit der Ausbildungen, entgegengetreten und dazu auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2012, 2008/15/0169, verwiesen wird. Zum Unterschied zwischen einem dreijährigen Bachelorstudium und einem erheblich längeren Diplomstudium wird in der Amtsbeschwerde ausgeführt, auch diese Argumentation sei "nicht schlüssig, sagt sie doch nichts darüber aus, ob sich die beiden Studien in ihren Kernbereichen unterscheiden". Im Übrigen wird dazu auf die Verfahrensrüge verwiesen.

Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Amtsbeschwerde, aus den Ausführungen der belangten Behörde sei nicht ersichtlich, dass sie "hinsichtlich der Kernbereiche der gegenständlichen Studienmöglichkeiten Ermittlungshandlungen gesetzt hätte. Jedenfalls hat die belangte Behörde dem beschwerdeführenden Finanzamt keine entsprechenden konkreten und auf die Kernbereiche der zur Auswahl stehenden Studienmöglichkeiten bezogenen Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht und diesem somit die Gelegenheit genommen, entsprechend Stellung zu nehmen und gegebenenfalls aufzuzeigen, dass die beiden Biologiestudien inhaltlich doch vergleichbar sind". Es werde daher beantragt, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Die Mitbeteiligte hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 34 Abs. 8 EStG 1988 lautet:

"(8) Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes gelten dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt."

Die angefochtene Entscheidung beruht auf der vom beschwerdeführenden Finanzamt nicht geteilten Ansicht der belangten Behörde, in Wien habe keine dem Studium der Tochter der Mitbeteiligten in London "entsprechende Ausbildungsmöglichkeit" bestanden.

Insoweit sich die Amtsbeschwerde dabei im Zusammenhang mit der Fremdsprachigkeit der Ausbildung in London auf das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2012, 2008/15/0169, beruft, genügt es, anzumerken, dass die darin enthaltene - die Entscheidung nicht tragende - Bemerkung, die Fremdsprachigkeit der Ausbildung berühre nicht deren "Kernbereich", ein österreichisches Jusstudium betraf und auch diesbezüglich keine Sachverhaltsfeststellungen über die mit einem rein deutschsprachigen Studium einerseits und einem teilweise oder zur Gänze fremdsprachigen Studium andererseits verbundenen Berufsaussichten vorlagen, weil die Fremdsprachigkeit der auswärtigen Ausbildung im Verwaltungsverfahren nicht ins Treffen geführt worden war.

Näher braucht darauf hier nicht eingegangen zu werden, weil die belangte Behörde ihre Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass ein praxisbezogenes dreijähriges Bachelorstudium mit einem um Jahre längeren, stärker wissenschaftsbezogenen Diplomstudium nicht im Sinne des § 34 Abs. 8 EStG 1988 vergleichbar sei. Dieser Argumentation tritt die Amtsbeschwerde nur mit einer pauschalen Gegenbehauptung und mit dem Verweis auf die Verfahrensrüge entgegen, die nicht mit konkretem Vorbringen zur Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels verbunden ist.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird damit nicht aufgezeigt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Wien, am 26. Juni 2013

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