VwGH 2012/08/0254

VwGH2012/08/025414.2.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des RF in Wien, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 76/2/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 29. Mai 2012, Zl. UVS- 07/A/57/5104/2012-5, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

VStG §19 Abs3;
VStG §51f Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VStG §19 Abs3;
VStG §51f Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der B.T. GmbH mit Sitz in Wien zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Dienstgeberin es unterlassen habe, den von dieser am 28. Oktober 2010 beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten E Sch. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 33 Abs. 1 iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG verletzt und werde mit einer Geldstrafe von EUR 910,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage und 11 Stunden) bestraft.

Die belangte Behörde stellte fest, die Dienstgeberin B.T. GmbH habe es am 28. Oktober 2010 unterlassen, den von ihr als Lkw-Fahrer beschäftigten E Sch. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Geschäftsführer sowohl der B.T. GmbH als auch der B.S. GmbH. E Sch. habe am 28. Oktober 2010 ein Fahrzeug der B.T. GmbH gefahren. E Sch. habe sowohl Aufträge der B.T. GmbH als auch der B.S. GmbH durchgeführt, wobei ihn jeweils dieselben Personen angerufen hätten, um ihn zu fragen, ob er einen Auftrag übernehmen könne. Diese Personen seien alle Mitarbeiter der B.T. GmbH. Wenn E Sch. einen Auftrag übernommen habe, sei er auf das Gelände der B.T. GmbH gekommen und habe dort den schriftlichen Auftrag und ein Fahrzeug übernommen. An dieser Örtlichkeit befinde sich auch die Geschäftsanschrift der B.S. GmbH. E Sch. sei stundenweise in kollektivvertraglicher Höhe entlohnt worden.

Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Transportvertrag, den

E Sch. mit der B.S. GmbH abgeschlossen habe, beinhalte kein konkretes Werk. Es sei damit ein unbefristeter Vertrag über Transportlieferungen abgeschlossen worden. Es sei eine monatsweise Abrechnung vereinbart worden. Ausdrücklich sei vermerkt gewesen, dass der "Auftragnehmer" keinen Anspruch auf Urlaubsgeld und etwaige Sonderzahlungen hätte. E Sch. sei jeweils ein Fahrzeug (der B.T. GmbH) zur Verfügung gestellt worden. Der vorgelegte (zwischen E Sch. und der B.T. GmbH abgeschlossene) "Sammelmietvertrag für Kraftfahrzeuge" sei ein Scheinvertrag, um bei etwaigen Kontrollen den Anschein zu erwecken, dass der jeweilige Fahrer das betreffende Fahrzeug (von der B.T. GmbH) gemietet habe.

E Sch. sei "unter ähnlichen Bedingungen wie ein Arbeitnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit für den (Beschwerdeführer)" tätig gewesen. Aus dem Transportvertrag mit der B.S. GmbH gehe nicht hervor, welches konkret umschriebene Werk bzw. welchen Erfolg er seiner Auftraggeberin bis zu welchem Termin geschuldet haben soll. Vielmehr sei der Vertrag auf Dauer abgeschlossen. E Sch. habe stundenweise als Lkw-Fahrer gearbeitet und sei nach dem Kollektivvertrag entlohnt worden. Das jeweilige Fahrzeug sei von der B.T. GmbH zur Verfügung gestellt worden. Bei der Tätigkeit des E Sch. handle es sich um eine Beschäftigung im Sinn des § 33 ASVG. Der Beschwerdeführer wäre verpflichtet gewesen, E Sch. zur Krankenversicherung anzumelden. Indem der Beschwerdeführer als Arbeitgeber das unterlassen habe, habe er gegen § 33 Abs. 2 ASVG verstoßen und gemäß § 111 ASVG eine Verwaltungsübertretung begangen.

In weiterer Folge führte die belangte Behörde ihre Strafbemessungsgründe aus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde geltend, dass die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vernommen habe. Dieser habe zum Verhandlungstermin am 24. Mai 2012 wegen einer Erkrankung nicht erscheinen können. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe dessen Nichterscheinen in der Verhandlung vom 24. Mai 2012 entschuldigt und vorgebracht, dass er am Vortag erkrankt sei und eine Krankenstandsbestätigung nachgebracht werde. Diese Krankenstandsbestätigung sei anschließend auch an die belangte Behörde übermittelt worden. Vor der (vormittags stattfindenden) Verhandlung wäre die Vorlage der Krankenstandsbestätigung nicht möglich gewesen, weil der Beschwerdeführer am Tag davor erkrankt sei und er erst am nächsten Tag einen Arzt habe aufsuchen können. Die Entschuldigung des Fernbleibens des Beschwerdeführers durch seinen Vertreter unter anschließender Übermittlung der Krankenstandsbestätigung an die belangte Behörde sei ausreichend. Der Beschwerdeführer habe sowohl seine eigene Vernehmung als auch die Einvernahme des Zeugen K. zu dem Thema beantragt, dass E Sch. nicht Angestellter der B.T. GmbH, sondern selbstständig gewesen sei. E Sch. habe nur für die B.S. GmbH und nicht für die B.T. GmbH gearbeitet. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer einvernommen, hätte dieser Aufschluss über das Verhältnis der beiden Firmen geben können. Die belangte Behörde wäre zur richtigen Beurteilung gelangt, dass E Sch. nur Mieter eines Fahrzeugs der B.T. GmbH gewesen sei und - wenn er Zeit gehabt habe - für die B.S. GmbH als selbstständiger Unternehmer Transportaufträge durchgeführt habe.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Die belangte Behörde führt aus,

"dass ein entschuldigtes Fernbleiben von der Verhandlung im Sinne des § 19 Abs. 3 VStG (richtig: AVG) nur dann gegeben ist, wenn vor Verhandlungstermin diesbezügliche Mitteilungen bzw. Nachweise an die Behörde ergangen sind. Eine solche Mitteilung bzw. ein derartiger Nachweis ist nicht vor der Verhandlung an den UVS Wien übermittelt worden. Des Weiteren ist auch der Hinweis der Rechtsvertreterin des (Beschwerdeführers), wonach dieser erkrankt sei, nicht ausreichend."

Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten, und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen das Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann in Bezug auf die behördliche Ladung nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2012, Zl. 2011/08/0364, mwN).

Dem § 19 Abs. 3 AVG ist nicht zu entnehmen, dass diesbezügliche Mitteilungen bzw. Nachweise der Parteien an die Behörde in jedem Fall vor dem Verhandlungstermin zu ergehen hätten. Es kommt vielmehr darauf an, dass ein "begründetes Hindernis" im Sinn des § 19 Abs. 3 AVG konkretisiert und unter Angabe von Bescheinigungsmitteln dargelegt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 2012, Zl. 2010/09/0114). In Anbetracht einer (angekündigten und später vorgelegten) Krankenstandsbestätigung durfte die belangte Behörde nicht oder zumindest nicht ohne weitere Ermittlungen davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer im Sinn des § 24 VStG iVm § 19 Abs. 3 AVG ohne triftigen Grund und damit unentschuldigt zur Berufungsverhandlung nicht erschienen wäre. Damit erweist sich die Durchführung der Berufungsverhandlung in seiner Abwesenheit gemäß § 51f Abs. 2 VStG als nicht zulässig, was den angefochtenen Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2011/08/0364).

Der Beschwerdeführer hat zudem im Verwaltungsverfahren mehrfach darauf hingewiesen und sich zum Beweis dafür auf die eigene Vernehmung sowie auf die des Zeugen K. berufen, dass E Sch. mit der B.T. GmbH lediglich einen Mietvertrag (über Fahrzeuge) abgeschlossen habe. Hingegen habe er mit der B.S. GmbH einen "Transportvertrag" abgeschlossen, den er selbstständig ausgeführt habe.

Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen nicht auseinander gesetzt. Sie hat trotz der Aussage des - für die belangte Behörde "im persönlichen Eindruck sehr glaubwürdigen" Zeugen E Sch., wonach dieser "für die B.S. gearbeitet" habe, und ungeachtet ihrer eigenen Feststellung, dass E Sch. mit der B.S. GmbH (und nicht etwa mit der B.T. GmbH) die Durchführung von Transportleistungen vereinbart habe, dennoch angenommen, dass die B.T. GmbH Dienstgeberin des E Sch. gewesen wäre und der Beschwerdeführer als Vertreter dieser Gesellschaft E Sch. bei der zuständigen Gebietskrankenkasse hätte anmelden müssen. Eine Begründung dafür ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde nachvollziehbare beweiswürdigende Überlegungen dazu anzustellen haben, zu welchem Dienstgeber das abhängige Beschäftigungsverhältnis des E Sch. bestanden hat (vgl. dazu das ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom 14. November 2012, Zl. 2012/08/0193).

Der angefochtene Bescheid war gemäß § 42 Abs. 3 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Zuerkennung von Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 14. Februar 2013

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