VwGH 2012/02/0174

VwGH2012/02/017424.5.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Riedinger und die Hofräte Dr. Beck und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des L. in K., vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Poschacherstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 25. Mai 2012, Zl. VwSen-166758/10/Sch/Eg, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
VStG §44a Z1;
AVG §59 Abs1;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 25. Mai 2012 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 16. Juni 2011 um 20.17 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw im Gemeindegebiet von K. auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zu einer näher genannten Liegenschaft in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (gemessener Alkoholwert der Atemluft: 1,73 mg/l) gelenkt.

Er habe dadurch eine Übertretung des § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 336 Stunden) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, es sei unbestritten, dass der auf den Beschwerdeführer zugelassene PKW von einem unbeteiligten Verkehrsteilnehmer am 16. Juni 2011 kurz nach 20.00 Uhr auf der B 3 etwa auf Höhe der Ortschaft A. wahrgenommen worden sei, wobei der Lenker eine unsichere Fahrweise eingehalten habe. Die verständigten Polizeibeamten, eine Polizeibeamtin sei anlässlich der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde zeugenschaftlich befragt worden, hätten den Lenker vor Ort nicht mehr angetroffen, anhand des Fahrzeugkennzeichens allerdings den Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer ausforschen können. Dieser sei dann zu Hause aufgesucht worden. Dort sei es dann zu einer Amtshandlung gekommen, der vorausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer von seiner Gattin, die den Beamten die Haustür geöffnet habe, geweckt worden sei. Diese habe angegeben, dass ihr Gatte zwischen 20.00 und 20.30 Uhr nach Hause gekommen sei und sie das Garagentor gehört habe. Sie habe in der entsprechenden Niederschrift vom 12. Dezember 2011 noch angegeben, dass das Auto während des Tages nicht zu Hause gewesen sei.

In der Anzeige finde sich nicht dezidiert das Wort "gelenkt", aus welchem Umstand der Beschwerdeführer abzuleiten versuche, dass er nicht der Lenker des Fahrzeuges gewesen sei. Bestritten habe er die Lenkereigenschaft bei der Amtshandlung allerdings mit keinem Wort, welche Tatsache von ihm bei der Berufungsverhandlung auch bestätigt worden sei. Die beiden amtshandelnden Beamten seien schon im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich befragt worden, wobei beide angegeben hätten, dass der Beschwerdeführer zugegeben habe, sein Kfz nach Hause gelenkt zu haben. Die eine Beamtin sei auch in der Berufungsverhandlung befragt worden; auch hier habe sie bestätigt, dass von einem Lenken des Fahrzeuges des Beschwerdeführers vor der Amtshandlung ausdrücklich die Rede gewesen sei.

Nach den Aussagen des Beschwerdeführers bei der Berufungsverhandlung und auch der einvernommenen Polizeibeamtin habe der Beschwerdeführer bei seiner Befragung mit keinem Wort erwähnt, dass er seinen Pkw nicht gelenkt habe, sondern nach Hause gebracht worden sei. Diese Behauptung sei ihm erst Monate nach dem Vorfall "eingefallen".

Die Zeugin habe bei der Berufungsverhandlung auch glaubwürdig und überzeugend darlegen können, dass der Beschwerdeführer eingestanden habe, mit dem Fahrzeug nach Hause gefahren zu sein. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in der Anzeige anstelle von "nach Hause gefahren, das Fahrzeug nach Hause gelenkt" eben die Formulierung "nach Hause gekommen" verwendet worden sei. Der Versuch des Beschwerdeführers einen anderen Lenker darzutun, sei schon im erstbehördlichen Verfahren gescheitert. Anlässlich der Berufungsverhandlung habe sich der Beschwerdeführer in der Mutmaßung ergangen, dass am Vorfallstag eine ihm nicht bekannte Person angerufen habe, die sein Auto hätte haben wollen. Er habe dem Anrufer gesagt, der Schlüssel sei im Postkasten. Der Beschwerdeführer sei sich sicher, dass dieser Anrufer dann zu ihm nach Hause gekommen sei, den Schlüssel aus dem Postkasten genommen und dann mit dem Auto gefahren sei. Am Abend habe er es dann wieder nach Hause gebracht und den Schlüssel im Postkasten deponiert.

Damit habe der Beschwerdeführer allerdings seine Lenkereigenschaft nicht in Zweifel ziehen können, vielmehr verlange er angesichts der oben geschilderten Umstände des Falles demjenigen, der diese Version glauben solle, ein hohes Maß an Leichtgläubigkeit ab. Die belangte Behörde könne jedenfalls diese Version nicht ernsthaft in Betracht ziehen.

Eine Entlastung für den Beschwerdeführer hätte mit der Zeugenaussage des W. B. verbunden sein können, der angegeben habe, den Beschwerdeführer am Vorfallstag um 19.30 Uhr abgeholt und gegen 20.15 Uhr bei ihm zu Hause abgeliefert zu haben. Gehe man dabei nicht von einer Gefälligkeitsaussage aus, die nicht den Tatsachen entspreche, dann wäre die Aussage nur dann von Bedeutung, wenn sie die Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers - dessen Fahrzeug sei kurz nach 20.15 Uhr auf der B 3 wahrgenommen worden sei - tatsächlich ausschließen oder zumindest so stark in Zweifel hätte ziehen können, dass diese Annahme dadurch erschüttert werde. Dem sei allerdings gegenständlich nicht so. Abgesehen von zeitlichen Unschärfen bei der Wiedergabe von Vorgängen - dieser Zeuge sei erst am 11. Oktober 2011 erstmals befragt worden -‚ die lebensnah vorkommen könnten, stehe fest, dass das Fahrzeug des Beschwerdeführers von dem eingangs erwähnten Verkehrsteilnehmer auf der B 3 gelenkt wahrgenommen worden sei; dieser Umstand setze natürlich einen Fahrzeuglenker voraus. Da aber nach der Beweislage jede andere Version als jene, dass der Beschwerdeführer selbst der Lenker gewesen sei, ausscheide, habe durch die Aussage des Zeugen W. B. für den Beschwerdeführer nichts gewonnen werden können.

Für die belangte Behörde hätten sich zusammenfassend keine Zweifel daran ergeben, dass der Beschwerdeführer selbst das Fahrzeug gelenkt habe, wobei wohl eine gewisse örtliche Ungenauigkeit gegeben sein könne, weil die Wahrnehmung des Verkehrsteilnehmers auf der B 3 etwa um 20.15 Uhr erfolgt sei und dieser Zeitpunkt sich im Spruch des Straferkenntnisses im Hinblick auf den Tatort im Gemeindegebiet K. auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zur Liegenschaft R. 131 wiederfinde. Die Ortschaft A. im Bereich der B 3 liege nicht im Gemeindegebiet von K., sodass angenommen werden müsse, dass der Beschwerdeführer dieses Gemeindegebiet mit Wahrscheinlichkeit erst einige Minuten später erreicht habe. Aus diesem Umstand allerdings - wie vom Beschwerdeführer ausgeführt - die Möglichkeit einer Doppelbestrafung ableiten zu wollen, könne die belangte Behörde nicht nachvollziehen. Es sei daher auch keine Veranlassung gesehen worden, hier eine Änderung im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vorzunehmen, zu der die belangte Behörde nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durchaus - auch außerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG - berechtigt wäre (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 31. März 2000, 99/02/0101, wo sogar eine Tatzeit"korrektur" von 1,5 Stunden für unbedenklich erachtet worden sei). Dass der Beschwerdeführer um (etwa) 20.17 Uhr des Vorfallstages auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr als Lenker seines Pkw unterwegs gewesen sei, stehe nach der Beweislage jedenfalls fest, ob dieses Straßenstück dann im Gemeindegebiet von K., St. oder St. G. gewesen sei, halte die belangte Behörde für nicht entscheidungsrelevant.

Ausgehend von der Lenkereigenschaft des Beschwerdeführers müsse ihm daher auch der bei der anschließenden polizeilichen Amtshandlung festgestellte Atemluftalkoholgehalt als Lenker eines Pkw zugerechnet werden. Demnach habe der Beschwerdeführer etwa eine Stunde nach dem Lenkzeitpunkt noch einen Atemluftalkoholgehalt von 1,73 mg/l aufgewiesen. Rechne man diesen Wert auf den Lenkzeitpunkt überschlagsmäßig zurück - ein Nachtrunk sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden -‚ dann ergebe sich ein Wert um die 3,5 Promille Blutalkoholgehalt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, der Zeuge W. B. habe bei seiner am 11. Oktober 2011 vor der Bezirkshauptmannschaft P. stattgefundenen Einvernahme und bei seiner am 10. Mai 2012 vor der belangten Behörde stattgefundenen Einvernahme die Verantwortung des Beschwerdeführers vollinhaltlich bestätigt und hiezu völlig glaubwürdig angegeben, dass er den Beschwerdeführer am 16. Juni 2011 um 19.30 Uhr mit seinem Kraftfahrzeug vom Gasthaus Z. in L. abgeholt und zu seinem Wohnhaus in R. 131 in K., wo sie um ca. 20.15 Uhr angekommen seien, gebracht habe.

Weiters ergebe sich aus dem vor der Bezirkshauptmannschaft P. durchgeführten Beweisverfahren und aus dem vor der belangten Behörde durchgeführten Beweisverfahren, dass die einschreitenden Polizeibeamten GI G. E. und RI K. W. keine eigenen dienstlichen oder außerdienstlichen Beobachtungen darüber gemacht hätten, wer am 16. Juni 2011 um 20.17 Uhr den dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw gelenkt habe.

Aus keinem einzigen Beweismittel des durchgeführten Beweisverfahrens ergebe sich, dass der Beschwerdeführer am 16. Juni 2011 um 20.17 Uhr ein Fahrzeug gelenkt habe. Gegenteilige Feststellungen im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft P. und im angefochtenen Bescheid seien daher aktenwidrig, und zwar insbesondere im Hinblick auf die vorzitierte Aussage des Zeugen W. B.

Auch in der von der Polizeiinspektion S. verfassten Anzeige vom 17. Juni 2011 sei in keiner Weise erwähnt, dass es der Beschwerdeführer gewesen sei, der diesen Pkw gelenkt habe.

Dazu ist Folgendes zu bemerken:

Nach der Rechtsprechung bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2012, Zl. 2012/02/0127, m.w.N.).

Der Beschwerdeführer entfernt sich mit der Behauptung, es fehle überhaupt an Beweismitteln, dass er zum Tatzeitpunkt ein Fahrzeug gelenkt habe, von dem von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt und den von der belangten Behörde erhobenen Beweisen. Gerade die beiden im erstinstanzlichen Verfahren als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten sowie die von der belangten Behörde nochmals als Zeugin einvernommene Polizeibeamtin RI K. W. bestätigten übereinstimmend, dass der Beschwerdeführer bei seiner ersten Befragung durch die Polizeibeamten mitgeteilt habe, selbst das Fahrzeug nach Hause gelenkt zu haben. Dies wird auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides festgehalten und im Zuge einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung entsprechend verwertet.

Ferner legt die belangte Behörde in schlüssiger Weise dar, weshalb die Aussage des Zeugen W. B. selbst dann, wenn man sie nicht als Gefälligkeitsaussage wertet, nicht geeignet war, den Beschwerdeführer zu entlasten. Der Beschwerdeführer vermag daher mit seinen diesbezüglichen Verfahrensrügen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

In der Beschwerde wird ferner gerügt, die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, dass sich der Beschwerdeführer mit dem auf ihn zugelassenen PKW in der Ortschaft A. befunden habe und von dort in das Gemeindegebiet von K. gefahren sei, sei aktenwidrig und insofern von entscheidungswesentlicher Bedeutung, weil die Fahrt von P. nach R. und die Fahrt von A. nach R. grundsätzlich über verschiedene Straßen erfolge, sodass ein Deliktsort nicht hinreichend bestimmbar sei.

Entsprechend dem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft P. vom 12. Oktober 2011 (Lenkeranfrage nach § 103 Abs. 2 KFG 1967) habe sich der Pkw des Beschwerdeführers am 16. Juni 2011 um 20.17 Uhr auf der Donau-Bundesstraße B 3 - Bahnübergang P. befunden.

Es sei daher zeitlich und örtlich auszuschließen, dass der Beschwerdeführer am 16. Juni 2011 um 20.17 Uhr zeitgleich diesen PKW zur Liegenschaft R. 131 und auf der Donau-Bundesstraße B 3 im Bereich der Kreuzung dieser Bundesstraße mit dem Bahnübergang P. gelenkt habe, wobei zu berücksichtigen sei, dass die verschiedenen Orte mindestens eine Fahrzeit mit einem Pkw von 20 Minuten voneinander entfernt seien.

Die belangte Behörde vertrete im angefochtenen Bescheid die Rechtsansicht, dass nicht einmal eine "Tatzeitkorrektur" des Spruches des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft P. erforderlich sei, weil die Ortschaft A. im Bereich der Donau-Bundesstraße B 3 zwar nicht im Gemeindegebiet von K. liege, jedoch anzunehmen sei, dass der Beschwerdeführer das Gemeindegebiet von K. mit Wahrscheinlichkeit einige Minuten später erreicht habe.

Hierzu verweise der Beschwerdeführer darauf, dass sich aus dem gesamten Verwaltungsstrafakt nicht ergebe, dass sich der Beschwerdeführer oder der auf ihn zugelassene Pkw in der Ortschaft A. befunden hätten.

Darüber hinaus sei das "Gemeindegebiet von K. auf Straßen mit öffentlichem Verkehr" nicht als Deliktsort zu werten, weil es im Gemeindegebiet von K. mehrere Straßen gebe, die befahren werden könnten, um zum Haus R. 131 zu gelangen.

Wenn man unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Erfordernisses der Bestimmtheit eines Deliktsortes die öffentliche Straße vor dem Haus R. 131 als Deliktsort annehmen würde, ergebe sich, dass hinsichtlich des Deliktszeitpunktes eine Differenz von 20 Minuten und hinsichtlich des Deliktsortes eine Differenz von 18 Kilometer vorliege.

Wenn man schon davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer der Lenker des auf ihn zugelassenen Pkw gewesen sei, hätte für die Bezirkshauptmannschaft P. die Verpflichtung bestanden, in dem von ihr gefällten Straferkenntnis den Deliktszeitpunkt und den Deliktsort in Einklang zu bringen, und zwar dahingehend, dass der Beschwerdeführer am 16. Juni 2011 um 20.17 Uhr seinen PKW auf der Donau-Bundesstraße B 3 beim Bahnübergang P. im Gemeindegebiet von S. gelenkt habe. Eine derartige Tatortänderung sei jedoch im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Verfolgungsverjährungsfrist nicht zulässig.

Aus dem Anruf des anonymen Anzeigers ergebe sich eindeutig, dass der Spruch der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft P. nicht mit einem Fehler in der Tatzeit sondern mit einem Fehler im Tatort behaftet sei.

Dementsprechend sei auch der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig, weil der Tatort und die Tatzeit feststellbar gewesen wären. Die belangte Behörde habe im angefochtenen Bescheid gegen den Grundsatz der Identität der Tat verstoßen.

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Sie bildet den den Deliktstatbestand erfüllenden Sachverhalt. Es bedarf daher im Bescheidspruch der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschriften erforderlich sind. Wesentlich für die Bezeichnung der Tat ist der Ausspruch über Zeit und Ort der Begehung.

So hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, VwSlg. Nr. 11.466/A, u.a. ausgesprochen, dass es nach § 44a lit. a (nunmehr Z. 1) VStG rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und dass 2) die Identität der Tat insbesondere nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht. Was den Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Feststehen der Identität der Tat), so muss a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1984).

Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, VwSlg. Nr. 11.894/A, dargetan, dass nach diesen, aber nur nach diesen Gesichtspunkten in jedem konkreten Fall zu beurteilen ist, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44a lit. a (nunmehr Z. 1) VStG genügt oder nicht genügt, mithin, ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Es wird daher das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. März 2007, Zl. 2004/07/0041).

Gerade bei einem Delikt wie jenem nach § 5 Abs. 1 StVO 1960, das über längere Strecken begangen werden kann, darf weder die Tatzeitangabe noch die Umschreibung des Tatortes isoliert gesehen werden, sondern sind beide Elemente in ihrer Verbindung zu betrachten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. September 1993, Zl. 92/03/0198).

Im Hinblick darauf, dass die Polizeibeamten den Beschwerdeführer nicht unmittelbar beim Lenken beobachten konnten, sondern lediglich dessen Fahrzeug - bereits abgestellt vor seinem Haus - unmittelbar vor seiner ersten Befragung vorfanden, erscheint es nicht rechtswidrig, dass die Behörde davon ausging, dass er (bezüglich seiner Lenkereigenschaft siehe die vorstehenden Ausführungen) zuvor mit seinem Fahrzeug zu diesem Haus gefahren sein musste und daher eine Wegstrecke auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr, die zu diesem Haus führt, spruchgemäß als Tatort annimmt. Wie der Beschwerdeführer selbst einräumt, ist dieses Haus nur über Straßen mit öffentlichem Verkehr zu erreichen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob das Fahrzeug des Beschwerdeführers von der (anonym gebliebenen) Anzeigerin an einem anderen Ort auf der B 3 beobachtet wurde. Hinsichtlich der Tatzeit besteht eine gewisse Unschärfe. Angemerkt sei, dass laut Anzeige die "gegenständliche Übertretung" am 16. Juni 2011 "um

20.17 Uhr" bei der PI G. (anonym) zur Anzeige gebracht wurde. Damit wird aber - mangels weiterer Beweise und darauf aufbauender Sachverhaltsfeststellungen - nicht dargetan, dass sich das Fahrzeug des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt tatsächlich an dem vom Beschwerdeführer behaupteten Ort auf der B 3 beim Bahnübergang P. befunden hat.

Da ein genauer Zeitpunkt nicht feststellbar war, wann das Abstellen des Fahrzeugs des Beschwerdeführers im Nahbereich seines Hauses stattgefunden hat (nach Aussage seiner Ehegattin vom 12. Dezember 2011 ist der Beschwerdeführer am Tattag zwischen 20.00 Uhr und 20.30 Uhr nach Hause gekommen), und es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass zum angenommenen Tatzeitpunkt eine weitere Fahrt mit diesem Fahrzeug unternommen wurde, ist nicht zu ersehen, dass der Beschwerdeführer bei Beibehaltung des unverändert angenommenen Tatzeitpunktes "um 20.17 Uhr" im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt war. Auch war es dem Beschwerdeführer im Hinblick auf den hinreichend konkret umschriebenen Tatvorwurf möglich, Beweise anzubieten, um eben diesen zu widerlegen.

Der Beschwerdeführer vermag daher auch mit seinem Vorbringen betreffend Tatort und Tatzeit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Mai 2013

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