VwGH 2011/09/0199

VwGH2011/09/019923.4.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des T in T, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. September 2011, Zl. uvs-2011/18/2434-3, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Erhebung einer Berufung gegen Bestrafungen wegen Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (weitere Parteien: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs3 impl;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
VwGG §46 Abs1 impl;
VwGG §46 Abs3 impl;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des im Instanzenzug ergangenen Bescheides der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist als unbegründet abgewiesen.

Das Straferkenntnis der Behörde erster Instanz sei am 24. Juni 2011 fristauslösend zugestellt worden, die Frist für die Einbringung der Berufung habe am 8. Juli 2011 geendet, eine Berufung sei persönlich aber erst am 11. Juli 2011 bei der Behörde erster Instanz eingebracht worden.

Die belangte Behörde setzte in der Begründung fort (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):

"Die vom (Beschwerdeführer) behauptete Einbringung der Berufung vorab per E-Mail ist nicht erfolgt, zumal ein derartiger Eingang eines E-Mails bei der Bezirkshauptmannschaft I (auch nach Nachfrage bei der Datenverarbeitung Tirol) nicht festgestellt werden konnte. Damit ist lediglich die persönlich am 11.07.2011 überbrachte Berufung eingegangen. Diese ist jedoch erst nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist eingebracht worden, sodass im Sinne des § 71 Abs.1 AVG eine Frist versäumt worden ist.

Bei der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung wurde der Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft I, GR, zeugenschaftlich einvernommen. Dabei wurde ihm der im erstinstanzlichen Akt erliegende Aktenvermerk vom 15.07.2011 betreffend einem Telefonat mit dem (Beschwerdeführer) vorgehalten.

Der Zeuge GR gab dazu an, dass er am 15.07.2011 mit dem (Beschwerdeführer) telefoniert hat und ihm dabei dezidiert mitgeteilt hat, dass die persönlich überbrachte Berufung verspätet (am 11.07.2011) eingebracht worden ist und kein Eingang dieser Berufung vorab per E-Mail festzustellen ist.

Weiters gab der Zeuge an, dass er am 15.07.2011 seinen EDV-Betreuer MG ersucht hat, hinsichtlich der vom (Beschwerdeführer) bei diesem Telefonat angegebenen E-Mail-Adresse …@... über die DVT nachzuforschen, wobei dem diesbezüglichen E-Mail des GR an MG vom 15.07.2011 zu entnehmen ist, dass dabei der Hinweis erfolgte, dass die Berufung zwischen 04.07. und 11.07.2011 eingelangt sein müsste.

Dem Zeugen sei sodann am 18.07.2011 (von MG) mitgeteilt worden, dass definitiv kein derartiges E-Mail eingelangt ist.

Auch der (Beschwerdeführer) bestätigte ein derartiges Gespräch mit GR und gab zudem an, dass dies auch Grund dafür gewesen ist, schlussendlich Herrn Rechtsanwalt Dr. M mit dieser Sache zu betrauen.

Damit war dem (Beschwerdeführer) seit dem Telefonat mit Herrn GR am 15.07.2011 bekannt, dass keine Berufung mittels E-Mail bei der Behörde aufscheint und die persönlich übermittelte Berufung verspätet am 11.07.2011 überbracht worden ist. Damit hätte ein Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen bis spätestens 29.07.2011 erfolgen müssen. Im gegenständlichen Fall wurde jedoch der Antrag erst mit E-Mail der Rechtsvertreter des (Beschwerdeführers) vom 05.08.2011 sowie mit Telefax vom selben Tag gestellt.

Mit der Kenntnis der Versäumung der Berufungsfrist hat im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Hindernis im Sinne des § 71 Abs.2 AVG aufgehört und die Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zu laufen begonnen (VwGH 20.11.1977, Slg. 9434A).

Damit wurde die zweiwöchige Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages im gegenständlichen Fall nicht eingehalten, sodass der Antrag schon aufgrund dieses Umstandes nicht zu bewilligen gewesen ist."

Des Weiteren begründete die belangte Behörde, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch inhaltlich nicht berechtigt gewesen wäre.

Ausschließlich gegen diesen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde betreffend das Telefonat vom 15. Juli 2011 festgestellten Sachverhalt nicht. Er bringt mit weiteren Erklärungen zum Geschehensablauf vor, sein Rechtsvertreter habe letztendlich erst "definitiv" gesicherte Kenntnis vom Nichteinlangen des E-Mails vom 4. Juli 2011 am 22. Juli 2011 erhalten, weshalb seiner Ansicht nach die Frist des § 71 Abs. 2 AVG erst mit diesem Tag zu laufen begonnen habe.

Gemäß § 71 Abs. 2 AVG muss der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur diesbezüglich inhaltsgleichen Bestimmung des § 46 Abs. 3 VwGG, welche daher auch für § 71 Abs. 2 AVG maßgebend ist, in ständiger Rechtsprechung erkannt, dass diese Frist mit dem "Aufhören des Hindernisses" beginnt. Als Hindernis ist dabei jenes Ereignis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG (hier: § 71 Abs. 1 AVG) zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat. Dem Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages zufolge wurzelte das Hindernis in einem Irrtum des Antragstellers über die erfolgreiche Versendung eines E-Mails am 4. Juli 2011, das die Berufung enthielt, an die Behörde erster Instanz. In dem Zeitpunkt, zu welchem dieser Tatsachenirrtum als solcher erkannt werden konnte und musste, hörte auch das Hindernis im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG (hier: § 71 Abs. 1 AVG) auf (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Oktober 2006, Zl. 2006/12/0064, mwN).

Auch in dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom 21. November 1977, Zl. 1558/77, VwSlg 9434 A (ergangen zu § 71 Abs. 2 AVG 1950), hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es darauf ankommt, wann der Irrtum hätte "auffallen müssen", also auf die "Erkennbarkeit" des Irrtums.

Der Irrtum über die erfolgreiche Versendung des E-Mails verlor jedenfalls mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des GR am 15. Juli 2011, dass kein Eingang der Berufung "vorab per E-Mail festzustellen ist", seine Eigenschaft als Ereignis, welches die Wahrung der Beschwerdefrist verhindern konnte.

Für den Wegfall (das "Aufhören des Hindernisses" im Sinn des § 71 Abs. 2 erster Fall AVG) kommt es auch dann nur auf objektive Sachverhaltselemente an, wenn das "Hindernis" in einem Tatsachenirrtum des Beschwerdeführers besteht. Objektiv musste die Fehleinschätzung über die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung schon mit der Mitteilung des GR am 15. Juli 2011, der diese Fehleinschätzung des Beschwerdeführers aufzeigte, als beseitigt gelten (vgl. den zitierten hg. Beschluss vom 23. Oktober 2006), weil durch diese Mitteilung der Tatsachenirrtum als solcher erkannt werden konnte und musste. Dass später noch ein weiterer Irrtum seines Rechtsvertreters hinzukam (verursacht dadurch, dass der Beschwerdeführer seinen Rechtsvertreter über die Einbringungsprobleme im Unklaren ließ), ändert nichts.

Der Inhalt des Gesprächs, dass keine E-Mail des Beschwerdeführers bei der Behörde erster Instanz eingelangt sei, ist auch in der Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz enthalten, was der Beschwerdeführer in der Beschwerde auch richtig wiedergibt. Dass GR noch weitere Erhebungen zusicherte, ändert nichts an der Erkennbarkeit des Tatsachenirrtums. Denn entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kommt es nicht auf eine durch spätere und wiederholte Nachforschungen "definitiv" gesicherte Kenntnis an. Der vom Sachbearbeiter der Behörde erster Instanz gezogene Schluss auf eine Rechtzeitigkeit des Antrages ist rechtlich unerheblich.

Schon aus diesem Grund gehen alle Verfahrensrügen des Beschwerdeführers ins Leere.

Die belangte Behörde durfte zu Recht von der Verspätung der Antragstellung im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG ausgehen.

Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, zu untersuchen, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung von der belangten Behörde auch aus den von ihr angestellten inhaltlichen Erwägungen zu Recht abgewiesen wurde.

Dass der Antrag spruchgemäß abgewiesen, statt bei diesem Ergebnis richtig zurückgewiesen wurde, verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 23. April 2013

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