VwGH 2011/05/0049

VwGH2011/05/004929.1.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. der K K und 2. des Dipl.Ing. F K, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Karl Mayer, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wiener Straße 46, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 3. Februar 2011, Zl. RU1-BR-1450/001-2010, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. H S und 2. I S-S, beide in W, sowie 3. Stadtgemeinde E), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z2;
BauRallg;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwRallg;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §6 Abs2;
BauO NÖ 1996 §70 Abs1 Z2;
BauRallg;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben zu gleichen Teilen dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem beim Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde am 30. Juni 2008 eingegangenen Ansuchen beantragten die erstmitbeteiligte und die zweitmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Bauwerber) die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines einstöckigen Zubaues mit Umbauten an ihrem Einfamilienhaus auf dem Grundstück Nr. 752/269 der EZ 173, KG E.

Dieses Grundstück ist laut dem bestehenden Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet. Im Bebauungsplan sind eine offene oder gekuppelte Bebauungsweise und die Bauklasse I oder II jeweils wahlweise festgelegt. Ferner ist eine vordere Baufluchtlinie festgelegt.

Das bestehende Einfamilienhaus der Bauwerber ist an der westlichen Grenze ihres Grundstückes zum Grundstück der Beschwerdeführer situiert und mit dem Einfamilienhaus auf diesem Nachbargrundstück gekuppelt. Bei beiden Gebäuden handelt es sich um Objekte mit vermutetem baurechtlichen Konsens. Der genannte Zubau soll südwestseitig entlang dieser Grundstücksgrenze auf einer Länge von 4,00 m erfolgen und Keller-, Erd- und Dachgeschoss umfassen.

Die Beschwerdeführer erhoben gegen das Bauvorhaben Einwendungen und brachten u.a. vor, dass durch den geplanten Zubau der seitliche Lichteinfall eines Hauptfensters ihres Gebäudes und der frontale Lichteinfall von Südosten auf die Seitenöffnung des offenen Säulenvorbaues ihres Gebäudes behindert würden. Auch werde die Übereinstimmung der Grenzen des Teilungsplanes mit den aktuellen Grenzen bezweifelt.

Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 21. Juni 2010 wurde den Bauwerbern auf Grund der Ergebnisse der am 6. April 2010 durchgeführten Bauverhandlung die baubehördliche Bewilligung für die Zu- und Umbauten an ihrem Einfamilienhaus unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt. Unter anderem wurde die Auflage erteilt, dass der Anschluss an das Nachbargebäude dauerhaft wasserdicht zu verblechen sei.

Die von den Beschwerdeführern dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Stadtsenates der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. September 2010 als unbegründet abgewiesen. Dazu führte der Stadtsenat aus, dass die Nachbarn (Beschwerdeführer) durch das Bauvorhaben in keinen Abstands- und Höhenbestimmungen verletzt seien, weil für das Baugrundstück die gekuppelte Bebauungsweise und Bauklasse I oder II wahlweise festgesetzt seien. Grundsätzlich habe jeder Grundstückseigentümer für eine ausreichende Belichtung und Belüftung seiner Bauten auf seinem Grundstück Sorge zu tragen. Die gekuppelte Bebauungsweise sei bereits konsumiert worden und werde durch das Projekt nicht abgeändert. Eine eventuelle Beeinträchtigung der Sonneneinstrahlung oder eine Verminderung der Wohnqualität betreffe kein Nachbarrecht im Sinn des § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996. Die Grundstücksgrenzen seien in der Vermessungsurkunde des DI T. vom 29. September 2009 lagerichtig dargestellt und daraus gehe hervor, dass keine Grundstücksgrenzen überbaut würden. Inhalt der Vermessungsurkunde sei auch eine beabsichtigte geringfügige Grenzänderung, im Zuge derer 1 m2 Grundfläche des Bauplatzes dem "rechten Nachbargrundstück" (= Grundstück der Beschwerdeführer) zugefügt werden solle. Werde diese Grenzänderung grundbücherlich durchgeführt, so werde das Projekt an der im Zubaubereich neu festgelegten rechten Grundstücksgrenze stehen. Bei Nichtdurchführung dieser geplanten Grenzänderung würde der geplante Zubau einen Abstand von bis zu 12 cm zur rechten (= nordwestlichen) Grundstücksgrenze aufweisen. Die anschließend an den Zubau geplante Einfriedungsmauer würde bei grundbücherlicher Durchführung der geplanten Grenzänderung ebenfalls an der rechten Grundstücksgrenze stehen, und bei Nichtdurchführung dieser Grenzänderung würde zur rechten Grundstücksgrenze ein Abstand von 12 cm entstehen. Im Bebauungsplan sei keine hintere Baufluchtlinie eingetragen, sodass der Abstand zur hinteren Grundstücksgrenze der halben Gebäudehöhe zu entsprechen und mindestens 3,00 m zu betragen habe. Diese Abstandsbestimmungen würden durch das Projekt bei weitem erfüllt. In der Baubeschreibung sei angeführt, dass bezüglich des Schallschutzes die Bestimmungen des § 7 NÖ Bautechnikverordnung 1997 berücksichtigt würden. Außerdem stelle der Schutz vor Immissionen aus der Benützung eines Gebäudes für Wohnzwecke kein Nachbarrecht im Sinn des § 6 Abs. 2 NÖ BauO 1996 dar. Auch sei von Ing. B. (Landesstelle für Brandverhütung des Bundeslandes Niederösterreich) im Schreiben vom 21. Juni 2010 angeführt worden, dass das gegenständliche Objekt der Bauwerber und das Objekt der Beschwerdeführer an der Grundgrenze jeweils mit einer äußeren Brandwand im Sinne des § 10 NÖ Bautechnikverordnung 1997 ausgeführt seien.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung brachten die Beschwerdeführer (u.a.) vor, dass die Grenze zwischen den beiden Grundstücken im Bereich der hinteren Baufluchtlinie ihres Objektes laut dem Plan des DI T. "springt" und der Zubau der Bauwerber demgemäß in einer Schräglage errichtet werden solle, wodurch im Bereich der Hauskante zwischen ihrem Objekt und dem Zubau ein Abstand von mehreren Zentimetern entstehen würde. Dies widerspreche jedenfalls den Bestimmungen des Bebauungsplanes und der NÖ Bauordnung, weil der Zubau in gekuppelter Bauweise zu errichten oder ein Abstand zur Nachbarliegenschaft im Ausmaß von 3 m einzuhalten sei. Auch aus Gründen des Schallschutzes entspreche das Einreichobjekt nicht. Würde andererseits das geplante Einreichobjekt in gerader Verlängerung des bisherigen Objektes errichtet, wäre damit jedenfalls ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Beschwerdeführer verbunden. Dazu komme, dass durch den Zubau wesentliche Wohnbereiche ihres Objektes zur Gänze abgeschattet würden.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid der belangten Behörde vom 3. Februar 2011 wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Was den Vorwurf anlange, dass die Grundstücksgrenze laut dem genannten Plan "springt" und der Zubau in einer Schräge errichtet werde, so sei dazu auszuführen, dass, wie aus diesem Plan hervorgehe, keine Grundstücksgrenzen durch das gegenständliche Projekt überbaut würden. Inhalt dieser Vermessungsurkunde sei eine beabsichtigte geringfügige Grenzänderung. Werde diese grundbücherlich durchgeführt, werde das Projekt an der im Zubaubereich neu festgelegten rechten Grundstücksgrenze stehen. Zur Frage der Ankuppelung werde ausgeführt, dass der Neubau ja direkt an das bestehende Nachbargebäude angebaut werde und dort auch kein Abstand bestehe. Erst ab dem Eckpunkt des bestehenden Nachbargebäudes weise die neue Grundstücksgrenze laut dem genannten Vermessungsplan einen "Rücksprung" auf das Grundstück der Bauwerber auf. Es liege an den Beschwerdeführern selbst, der vorgeschlagenen Grenzänderung zuzustimmen und den zwölf Zentimeter breiten Streifen zu erwerben, sodass in diesem Fall das geplante Objekt direkt auf der Grundstücksgrenze stehen würde.

Was den Vorwurf der Abschattung betreffe, so gebe es kein Nachbarrecht auf Einhaltung einer bestimmten Besonnung, sondern lediglich die Bestimmung, dass der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster gewährleistet sein müsse. Dies gelte natürlich an der Grundstücksgrenze nicht, wenn laut dem Bebauungsplan eine geschlossene oder gekuppelte Bauweise vorgeschrieben sei. Aus dem Grundrissplan sei auch erkenntlich, dass die Sonne bei Sonnenhöchststand im Süden zur Mittagszeit diese 45 Grad-Tangente trotzdem einhalten würde. Auf vorliegende Sonnenstandsberechnungen brauche daher nicht eingegangen zu werden. Im Übrigen sei der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster gegeben. Selbst für den Fall, dass die Beschwerdeführer ebenfalls einen Zubau in südwestlicher Richtung errichten wollten, müssten sie diesen auf Grund der gekuppelten Bauweise direkt an der Grundstücksgrenze errichten, sodass von keiner Einschränkung einer eventuell zukünftigen Bebauung gesprochen werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragen.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Bauwerber und die mitbeteiligte Gemeinde haben sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt vor, die Begründung im angefochtenen Bescheid, dass die Beschwerdeführer einen zwölf Zentimeter breiten Streifen erwerben sollten, damit die Bauwerber das Objekt errichten könnten, stelle einen Eingriff in fremde Rechte dar, weil jene wohl nicht allen Ernstes dazu verhalten werden könnten, ein Grundstück zu erwerben. Die österreichische Rechtslage kenne zwar eine Enteignung, nicht jedoch einen zwangsweisen Erwerb.

Mit diesem Vorbringen missverstehen die Beschwerdeführer die Begründung des angefochtenen Bescheides. So hat die belangte Behörde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es an den Beschwerdeführern liege, der vorgeschlagenen Grenzänderung zuzustimmen und den zwölf Zentimeter breiten Streifen zu erwerben, - somit ein Zustimmungserfordernis vorliege. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde von einem "zwangsweisen Erwerb", also von einer Verpflichtung der Beschwerdeführer, den Grundstücksstreifen zu erwerben, ausgegangen sei.

Die Beschwerde bringt weiters vor, dass der Zubau nicht an der Grundstücksgrenze erfolgen würde, obwohl dies auf Grund des Bebauungsplanes (gekuppelte Bauweise) erforderlich wäre, und dass vielmehr der Zubau in einem Abstand von 3 m zur Grundstücksgrenze auszuführen wäre. Unklar bleibe auch, wieso die belangte Behörde die Meinung vertrete, dass dann, wenn eine geschlossene oder gekuppelte Bauweise vorgeschrieben sei, die Vorschrift, dass der Lichteinfall unter 45 Grad auf Hauptfenster gewährleistet sein müsse, nicht gelte. Die Fenster der Beschwerdeführer seien in südwestlicher Richtung situiert, und im Falle des Zubaus durch die Bauwerber wäre der Lichteinfall in ihre südwestlichen Zimmer gravierend beeinträchtigt. Insbesondere wäre das Fenster, welches der Grenze am nächsten gelegen sei, völlig "von der Sonne abgedunkelt", und sogar die Verandatüre wäre massiv betroffen. Die Beschwerdeführer könnten nicht gezwungen werden, ihrerseits einen Zubau in den Garten hinein zu errichten, damit der Lichteinfall gleich wie vorher wäre.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Im Beschwerdefall sind die Bestimmungen der NÖ Bauordnung 1996 in der Fassung LGBl. 8200-16 (im Folgenden: BauO) maßgeblich.

§ 6 BauO lautet auszugsweise:

"§ 6

Parteien, Nachbarn und Beteiligte

(1) In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:

(…)

3. die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und

(…)

Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.

Beteiligte sind alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden.

(2) Subjektiv-öffentliche Rechte werden begründet durch jene Bestimmungen dieses Gesetzes, des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976, LGBl. 8000, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, sowie der Durchführungsverordnungen zu diesen Gesetzen, die

1. die Standsicherheit, die Trockenheit und den Brandschutz der Bauwerke der Nachbarn (Abs. 1 Z. 4)

sowie

2. den Schutz vor Immissionen (§ 48), ausgenommen jene, die sich aus der Benützung eines Gebäudes zu Wohnzwecken oder einer Abstellanlage im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß (§ 63) ergeben,

gewährleisten und über

3. die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe, den Bauwich, die Abstände zwischen Bauwerken oder deren zulässige Höhe, soweit diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z. 9) der zulässigen (bestehende bewilligte und zukünftig bewilligungsfähige) Gebäude der Nachbarn dienen.

(…)"

Die Beschwerdeführer sind Nachbarn im Sinn des § 6 Abs. 1 Z 3 leg. cit. Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist demnach in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Daraus folgt, dass die Prüfungsbefugnisse der Berufungsbehörde sowie der Aufsichtsbehörde und auch der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf Nachbarn im Baubewilligungsverfahren zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als subjektivöffentliches Recht besteht und soweit rechtzeitig im Verfahren derartige Einwendungen erhoben wurden. Ein Beschwerdeführer kann durch die erteilte Baubewilligung nur dann in einem subjektivöffentlichen Recht verletzt sein, wenn seine öffentlichrechtlichen Einwendungen von den Baubehörden in rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt worden sind (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa das Erkenntnis vom 16. März 2012, Zl. 2009/05/0136, mwN).

Im Übrigen sind nach der ständigen hg. Rechtsprechung die subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte in § 6 Abs. 2 BauO taxativ aufgezählt, sodass der Nachbar keine über die in dieser Gesetzbestimmung festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte hinausgehenden Rechte geltend machen kann. Ferner gehen die Verfahrensrechte einer Partei nicht weiter als ihre materiellen Rechte, sodass Verfahrensfehler für die Nachbarn nur dann von Relevanz sein können, wenn damit eine Verletzung ihrer materiellen Nachbarrechte gegeben wäre (vgl. etwa das Erkenntnis vom 23. August 2012, Zl. 2012/05/0025, mwN).

Gemäß § 4 Z 5 BauO gilt im Sinne dieses Gesetzes als Bauwich der vorgeschriebene Mindestabstand eines Gebäudes zu den Grundstücksgrenzen (seitlicher und hinterer Bauwich) oder zur Straßenfluchtlinie (vorderer Bauwich).

§ 70 BauO lautet auszugsweise:

"§ 70

Regelung der Bebauung

(1) Die Bebauungsweise regelt die Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück. Sie kann unter anderem auf eine der folgenden Arten festgelegt werden:

(…)

2. gekuppelte Bebauungsweise

die Gebäude auf zwei Bauplätzen sind an der gemeinsamen seitlichen Grundstücksgrenze aneinander anzubauen und an den anderen seitlichen Grundstücksgrenzen ist ein Bauwich einzuhalten; (…)

(…)

4. offene Bebauungsweise

an beiden Seiten ist ein Bauwich einzuhalten; (…)

(…)

Die Bebauungsweise darf wahlweise als offene oder gekuppelte festgelegt werden. Der Bauwerber darf ein Wahlrecht zwischen offener und gekuppelter Bebauungsweise nur unter Bedachtnahme auf die bereits bestehenden und bewilligten Gebäude ausüben, sofern das Wahlrecht nicht schon durch frühere Bauvorhaben verbraucht ist.

(…)"

Für den fraglichen Bereich des Baugrundstückes und des angrenzenden Grundstückes der Beschwerdeführer ist - was in der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen wird - ein Wahlrecht zwischen offener und gekuppelter Bebauungsweise festgelegt. Dieses Wahlrecht ist bereits im Sinne des § 70 Abs. 1 vorletzter Satz BauO im Hinblick auf die bestehenden Gebäude verbraucht worden. Die Einhaltung einer offenen Bebauungsweise kommt daher in Bezug auf den gegenständlichen Zubau auf dem Grundstück der Bauwerber nicht in Betracht; vielmehr ist auch insoweit an die seitliche Grundstücksgrenze zum Nachbargrundstück der Beschwerdeführer ohne Einhaltung eines seitlichen Bauwichs anzubauen.

Wie sich aus § 6 Abs. 2 Z 3 BauO ergibt, besteht ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn auf Einhaltung der Bestimmungen über die Bebauungsweise nur in dem Umfang, als diese Bestimmungen der Erzielung einer ausreichenden Belichtung der Hauptfenster (§ 4 Z 9 leg. cit.) der zulässigen (bestehenden bewilligten und zukünftig bewilligungsfähigen) Gebäude der Nachbarn dienen. Ein Anbau an die seitliche Grundgrenze, wie ihn die gekuppelte (oder geschlossene) Bauweise ermöglicht, kann grundsätzlich immer den Lichteinfall auf ein allfälliges Hauptfenster eines Gebäudes am Nachbargrundstück beeinträchtigen. Wenn daher im Bebauungsplan die gekuppelte Bebauungsweise festgesetzt ist, kann der Nachbar insoweit nicht in einem subjektiv-öffentlichen Nachbarrecht verletzt sein, weil die Festlegung der gekuppelten Bebauungsweise nicht der Erzielung einer ausreichenden Belichtung von Hauptfenstern des Nachbargebäudes im Sinne des § 6 Abs. 2 Z 3 BauO dient (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 17. März 2006, Zl. 2005/05/0071).

Im Hinblick darauf vermag die Beschwerde mit dem insoweit zutreffenden Hinweis, dass in Anbetracht des seitlichen Abstandes zwischen dem projektierten Zubau und der Grundgrenze von bis zu 12 Zentimetern der Anordnung einer gekuppelten Bebauungsweise nicht entsprochen ist, keine Verletzung eines durch § 6 Abs. 2 BauO geschützten Nachbarrechtes aufzuzeigen.

Die Beschwerde bringt weiters vor, unter der Maßgabe, dass zwischen den angrenzenden Nachbargebäuden ein Spalt von 6 Zentimetern gegeben wäre, werde durch die Auflage einer wasserdichten Verblechung zwischen den Gebäuden nicht nur das feuerpolizeiliche Problem nicht behoben, sondern würden darüber hinaus auch massive Probleme auf Grund allfälliger Feuchtigkeitseintritte entstehen: Sollte jemals die wasserdicht ausgeführte Verblechung undicht werden, würde der kleine Zwischenraum zwischen den Gebäuden keine tauglichen Sanierungsmaßnahmen zulassen. Bei einer völlig gekuppelten Bauweise würde dieses Problem nicht auftreten. Feuerpolizeilich bestünden jedenfalls Bedenken, wenn ein Spalt von 6 Zentimetern gegeben sei. Dazu komme, dass durch diesen Spalt zwischen den Gebäuden geradezu ein Resonanzkörper entstünde, welcher eine Lärmbelästigung in den Nachbargebäuden erzeugen bzw. verstärken würde.

Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Wie von der Berufungsbehörde in ihrem - von der belangten Behörde gebilligten - Bescheid vom 15. September 2010 festgestellt wurde, sind sowohl das gegenständliche Objekt auf dem Baugrundstück als auch das Objekt auf dem Grundstück der Beschwerdeführer laut dem Schreiben des brandschutztechnischen Sachverständigen Ing. B. vom 21. Juni 2010 jeweils mit einer äußeren Brandwand (§ 10 NÖ Bautechnikverordnung 1997) ausgeführt. Im Rahmen der Befundaufnahme in der Bauverhandlung am 6. April 2010 wurde auch festgestellt, dass der gesamte Zubau entlang der Grundstücksgrenze mit einer Brandwand abgeschlossen werde. Die Beschwerdeführer haben nicht nachvollziehbar dargelegt, inwieweit dennoch der gebotene Brandschutz nicht gewährleistet sei.

Im Rahmen dieser Befundaufnahme in der Bauverhandlung wie auch im Berufungsbescheid wurde festgestellt, dass laut der Baubeschreibung die in § 7 Abs. 1 der NÖ Bautechnikverordnung 1997 genannten Anforderungen bezüglich des Schallschutzes berücksichtigt würden. Die bloße, nicht durch ein Gutachten untermauerte Behauptung der Beschwerdeführer, es würden durch einen Spalt zwischen den Gebäuden ein Resonanzkörper und dadurch Lärmbelästigungen in ihren Gebäuden bewirkt, reicht nicht dazu aus, eine Verletzung ihres Nachbarrechtes auf Schutz vor Immissionen (§ 6 Abs. 2 Z 2 BauO) darzutun.

Was die Befürchtung der Beschwerdeführer von Feuchtigkeitseintritten anlangt, so wurde den Bauwerbern mit der Baubewilligung u.a. die Auflage erteilt, den Anschluss an das Nachbargebäude dauerhaft wasserdicht zu verblechen. Sollte diese Verblechung tatsächlich einmal undicht werden, so wird durch Erteilung eines diesbezüglichen Bauauftrages der konsensgemäße Zustand herzustellen sein. Diese Frage hindert jedoch nicht die Erteilung der Baubewilligung.

Dem angefochtenen Bescheid haftet - entgegen der Beschwerdeansicht - auch kein Begründungsmangel an, weil es genügt, wenn die Vorstellungsbehörde - wie im vorliegenden Fall - in der Begründung ihres Bescheides zum Ausdruck bringt, dass sie die Begründung des Berufungsbescheides für zutreffend hält.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 29. Jänner 2013

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