Normen
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. November 2010 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 9. April 2010 um 02.05 Uhr an einem näher genannten Ort einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,83 mg/l, somit 0,8 mg/l oder mehr betragen habe.
Er habe dadurch eine Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a iVm § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 14 Tage) verhängt wurde.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe geltend gemacht, er habe vor dem Lenken des Pkw lediglich einige Radler getrunken (dies über einen größeren Zeitraum von ca. acht Stunden); nach seiner Heimkehr habe er dann einige Gläser Schnaps (insgesamt etwa eine halbe Flasche) konsumiert. Weiters sei die erforderliche Wartezeit von 15 Minuten vor der Durchführung des Alkotests nicht eingehalten worden.
Aus dem erstinstanzlichen Akt ergebe sich in Verbindung mit den Angaben der beiden als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten, dass der erste Kontakt mit dem Beschwerdeführer kurz nach 02.00 Uhr (laut Stellungnahme des Anzeigelegers vom 05. Juni 2010 genau um 02.06 Uhr) stattgefunden habe (auch laut Angaben des Beschwerdeführers selbst seien die Beamten kurz nach 02.00 Uhr zu ihm gekommen) und die erste Alkomatmessung sei um 02.22 Uhr erfolgt, sodass ein (ausreichender) Zeitraum von mindestens 15 Minuten als Wartezeit vor der Durchführung des Alkotests verstrichen sei. In diesem Zusammenhang sei auch festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Anrecht des Probanden auf Durchführung einer Mundspülung vor dem Alkotest nicht bestehe und somit auch das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers ins Leere gehe.
Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, er habe nach seiner Heimkehr mehrere alkoholische Getränke in Form von Schnaps getrunken; diese Angaben habe er in der Berufung wiederholt und schließlich in der Berufungsverhandlung diesbezüglich ausgeführt, er habe einige Gläser 40 prozentigen Schnaps (insgesamt etwa eine halbe Flasche) konsumiert.
Hiezu sei auszuführen, dass im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Mengenangaben wie "mehrere Gläser" bzw. "etwa eine halbe Flasche" keine ausreichend konkreten Angaben darstellten, um eine Nachtrunkbehauptung als glaubwürdig erscheinen zu lassen. Weiters sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich Nachtrunkbehauptung in Anbetracht der Wichtigkeit dieser Behauptung davon auszugehen, dass auf einen allfälligen Nachtrunk bei erster sich bietender Gelegenheit hingewiesen werden müsse. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer zwar im erstinstanzlichen Verfahren bzw. in der Berufung ausdrücklich angegeben, er habe den Polizeibeamten sofort mitgeteilt, dass er unmittelbar vor deren Eintreffen "mehrere hochprozentige alkoholische Getränke" konsumiert habe; im Rahmen der Berufungsverhandlung habe er seine diesbezügliche Verantwortung jedoch dahingehend abgeändert, dass er angegeben habe, er habe den Beamten auf Befragen nach seinem Alkoholkonsum gesagt, dass er (im Laufe des Tages) einige Biere "und danach noch etwas mehr" getrunken habe, wobei er diesbezüglich weder genauere Angaben gemacht habe noch von den Beamten hiezu befragt worden sei.
Schon aufgrund dieser höchst divergierenden Angaben über eine angebliche Nachtrunkbehauptung des Beschwerdeführers gegenüber den Polizeibeamten sei dieses Vorbringen als völlig unglaubwürdig anzusehen (umso mehr im Hinblick darauf, dass laut Aussagen der beiden als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten keiner der beiden Beamten etwas von irgendeiner Nachtrunkbehauptung des Beschwerdeführers gehört habe).
Nach Auffassung der belangten Behörde habe somit der Beschwerdeführer den von ihm behaupteten Nachtrunk weder konkret behauptet noch zu beweisen vermocht und ihn auch nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit behauptet, sodass die im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an eine Nachtrunkbehauptung zu stellenden Anforderungen, um diese als glaubwürdig ansehen zu können, nicht gegeben seien und das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers als bloße Schutzbehauptung gewertet werden müsse. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Überprüfung der Nachtrunkbehauptung sei im Sinne der diesbezüglichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter den gegebenen Umständen entbehrlich und der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers daher abzuweisen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird u.a. ausgeführt, die belangte Behörde sei vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung ohne Not abgegangen. Wie sich aus der Begründung des Bescheides ergebe, habe die belangte Behörde die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Nachtrunk offensichtlich als festen Beweismaßstab missverstanden.
Mit der Glaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers habe sich die belangte Behörde nämlich nur scheinbar auseinandergesetzt, so habe sie sich beispielsweise nicht damit auseinandergesetzt, dass der Beschwerdeführer die Polizeibeamten - nach deren eigenen Aussagen - in der Unterhose empfangen habe. Da nicht anzunehmen sei, dass sich der Beschwerdeführer - noch dazu bei dem Alkoholisierungsgrad - innerhalb von 1-2 Minuten (angeblich sei der Beschwerdeführer ja erst um 02.05 Uhr heimgekommen) bis auf die Unterhose ausgezogen habe, wäre schon seine Angabe, dass er um 01.30 Uhr heimgekommen sei, in sich schlüssig.
Dies werfe aber auch ein anderes Licht auf den Anzeigeleger, den die Behörde auch zu keinem Zeitpunkt einvernommen habe, darin sei auch das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt zu relevieren.
Die Behörde habe also insofern die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs missverstanden als dieser - da er ja auch keine Tatsacheninstanz sei - der Beweiswürdigung der Behörde unter gewissen Umständen, beispielsweise zur genauen Mengenangabe und Behauptung des Nachtrunkes bereits gegenüber der Polizei nicht entgegentrete. Dies enthebe die Behörde aber nicht, sich im Einzelfall mit der Glaubwürdigkeit konkret auseinanderzusetzen. Schließlich sei die Behörde noch immer berufen, die materielle Wahrheit herauszufinden. Insofern sei also der Behörde vorzuwerfen, dass sie ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens, unterlassen habe.
Die Behörde habe auch nicht darauf gedrängt, dass der Beschwerdeführer konkrete Behauptungen zu dem Ausmaß des Alkoholkonsums zwischen Heimkehr und dem Läuten der Polizeibeamten mache. Gerade diese Angaben wären aber zu einer Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers geboten gewesen. Stattdessen habe sich die Behörde "zurückgelehnt" und sich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zurückgezogen.
Schon auf Grund der im Verfahren wechselnden Angaben des Beschwerdeführers konnte die belangte Behörde die späteren Nachtrunkbehauptungen des Beschwerdeführers zu Recht als unglaubwürdig erachten (vgl. das hg Erkenntnis vom 18. November 2011, Zl. 2008/02/0395). Weshalb es hiezu noch weiterer Ermittlungen durch die belangte Behörde bedurft hätte, vermag die Beschwerde nicht einsichtig darzulegen.
Nach der Rechtsprechung bedeutet der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Oktober 2012, Zl. 2012/02/0127, mwN).
Vor diesem Hintergrund ist nicht zu sehen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde allein deshalb unschlüssig wäre, weil etwa die Behörde nicht den genauen Zeitpunkt des Heimkommens des Beschwerdeführers ermittelt habe, zumal der Beschwerdeführer vom Privatanzeiger kurz vor der Amtshandlung beobachtet wurde, wie er seinen Pkw auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr lenkte, der Motorraum beim Eintreffen der Polizisten noch warm war und der Beschwerdeführer gegenüber den Polizisten bestätigte, sein Fahrzeug kurz zuvor gelenkt zu haben.
In der Beschwerde wird ferner gerügt, es sei der Behörde ein leichtfertiges Abgehen vom Akteninhalt vorzuwerfen. So sei aus dem Alkomatteststreifen klar ersichtlich, dass der Start des Alkomattestes bereits um 02.21 Uhr erfolgt sei. Die Startzeit des Testes sei aber im Hinblick auf die erforderliche Wartezeit sowie für die Durchführung einer Mundspülung relevant. Die erforderliche Wartezeit von 15 Minuten sei nicht eingehalten worden; daher hätte die Behörde das Messergebnis nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens verwerten dürfen. Dieses sei vom Beschwerdeführer auch ausdrücklich beantragt worden. Die belangte Behörde stelle fest, dass der Alkoholtest um 02.22 Uhr durchgeführt worden sei. Aus dem Alkomatteststreifen sei aber klar ersichtlich, dass die "Startzeit" des Alkomattestes bereits um 02.21 Uhr gewesen sei. Diese Feststellung sei aber - im Zusammenhang mit der fehlerhaften Feststellung, wann die Polizeibeamten den Beschwerdeführer angetroffen hätten - entscheidungswesentlich. Die Behörde hätte ein Gutachten einholen müssen, das ergeben hätte, dass der Alkoholgehalt der Atemluft unter 0,8 mg/l gelegen sei.
Nach den Angaben der Beamten seien diese um 02.06 Uhr beim Haus des Beschwerdeführers eingetroffen. Es sei daher davon auszugehen, dass zwischen dem Eintreffen und dem Zeitpunkt, zu dem der Beschwerdeführer den beiden Beamten die Tür geöffnet habe, noch ca. 2 Minuten vergangen seien. Dies deshalb, weil auch aufgrund der Alkoholisierung des Beschwerdeführers nicht damit zu rechnen sei, dass dessen Reaktionsfähigkeit auf ein Türläuten besonders hoch gewesen sei. Zudem habe der Beschwerdeführer ja auch keinen "Besuch" um diese Uhrzeit erwartet. Dies sei aber im Hinblick auf die 15-minütige Wartezeit und den Beginn des Alkotests um 02.21 Uhr wesentlich.
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl. 99/03/0318) ist für das Zustandekommen eines gültigen, nicht verfälschten Messergebnisses die Einhaltung der Betriebsanleitung des Messgerätes erforderlich. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Proband auf jeden Fall während des Zeitraumes von 15 Minuten vor Beginn der ersten Messung vom Exekutivorgan beobachtet werden muss; maßgebend ist vielmehr, dass er während dieser Zeit die in der Zulassung durch das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen und in der Betriebsanleitung angeführten Handlungen, die zu einer Verfälschung des Messergebnisses geführt hätten, unterlässt, wobei auch bei Nichteinhaltung der erforderlichen Wartefrist das Zustandekommen eines gültigen Messergebnisses angenommen werden kann, wenn diese Annahme aus fachlichen Gründen zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2005, Zl. 2002/02/0232, mwN).
Nach den übereinstimmenden Angaben sowohl der als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten als auch des Beschwerdeführers hat das Öffnen der Türe wenige Minuten nach 02.00 Uhr stattgefunden. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der erste Kontakt mit dem Beschwerdeführer laut Stellungnahme des die Anzeige legenden Polizeibeamten genau um 02.06 Uhr stattgefunden. Auch bei der mündlichen Verhandlung konnten die als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten lediglich eine ungefähre Zeit bezüglich ihres Einlangens beim Haus des Beschwerdeführers angeben ("kurz nach 02.00 Uhr"). Aus der von der belangten Behörde herangezogenen Stellungnahme der PI H. vom 5. Juni 2010 geht auch hervor, dass unmittelbar nach Eintreffen ein Polizist noch das Fahrzeug überprüfte, während der andere sofort an der Tür läutete, welche vom Beschwerdeführer geöffnet wurde, ohne dass sich ein Hinweis auf eine erhebliche zeitliche Verzögerung bis zum Öffnen der Türe findet. Es begegnet daher auch unter diesen Umständen keinen Bedenken, dass die belangte Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung von der Einhaltung der 15-minütigen Wartefrist ausging, zumal es auch an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Beschwerdeführer unmittelbar vor Öffnen der Türe noch Handlungen gesetzt haben könnte, die geeignet gewesen wären, eine Verfälschung des Messergebnisses zu bewirken.
Konnte die belangte Behörde sohin in einer nicht als rechtswidrig zu erkennenden Weise davon ausgehen, dass die Wartefrist eingehalten wurde (und insofern keine Bedenken gegen die Gültigkeit des Messergebnisses bestehen), so fehlt es schließlich an der rechtlichen Relevanz, wenn in der Beschwerde vorgebracht wird, die belangte Behörde hätte in Anbetracht des Verstoßes gegen die Betriebsanleitung vom Vorliegen eines gültigen Messergebnisses nur dann ausgehen dürfen, wenn sie ein Gutachten eingeholt hätte, welches das einwandfreie Zustandekommen des Messergebnisses bestätigt hätte. Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde ausgehend von diesen Beweisergebnissen von der Einholung eines Gutachtens abgesehen hat.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am 19. Juli 2013
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