VwGH 2010/16/0082

VwGH2010/16/008218.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. Dietmar Gollonitsch, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Gürtel 12, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 13. Jänner 2010, Zl. Jv 45/10a-33, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

GGG 1984 §1;
GGG 1984 §2 Abs1 lita;
GGG 1984 §2 Z1 lita;
GGG 1984 TP1 Anm1;
GGG 1984 TP1;
VwRallg;
ZPO §226 Abs1;
ZPO §75 Z1;
ZPO §75 Z3;
ZPO §75;
GGG 1984 §1;
GGG 1984 §2 Abs1 lita;
GGG 1984 §2 Z1 lita;
GGG 1984 TP1 Anm1;
GGG 1984 TP1;
VwRallg;
ZPO §226 Abs1;
ZPO §75 Z1;
ZPO §75 Z3;
ZPO §75;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 18. Februar 2009 brachte der Beschwerdeführer beim Handelsgericht Wien neben einem Vermögensbekenntnis einen mit "I. Klage II. Verfahrenshilfeantrag" bezeichneten Schriftsatz ein.

Das Handelsgericht Wien wies mit Beschluss vom 31. März 2009 den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit ab. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass zur geschäftsmäßigen Behandlung der Klage diese unterfertigt durch einen Rechtsanwalt einzubringen sei.

Am 10. September 2009 stellte das Handelsgericht Wien diesen als Klage behandelten Schriftsatz zur Unterfertigung durch einen Rechtsanwalt binnen 14 Tagen zurück.

Mit Beschluss vom 12. Oktober 2009 wies das Handelsgericht Wien die Klage als zur geschäftsmäßigen Behandlung ungeeignet zurück, weil der Beschwerdeführer dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen sei.

Mit Zahlungsauftrag vom 21. Dezember 2009 schrieb die Kostenbeamtin des Handelsgerichtes Wien dem Beschwerdeführer eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG von EUR 78.539,83 zuzüglich einer Einhebungsgebühr gem. § 6 GGG von EUR 8 vor.

In seinem Berichtigungsantrag machte der Beschwerdeführer geltend, er habe seinem Antrag auf Verfahrenshilfe lediglich als Beilage einen nicht unterfertigten Klagsentwurf beigelegt, um darzulegen, dass keine Mutwilligkeit bzw. Aussichtslosigkeit seines Begehrens vorliege. Dieser Klagsentwurf gelte nicht als Klage nach den prozessualen Vorschriften. Zuerst wäre über den Antrag auf Verfahrenshilfe und erst im Anschluss daran über die Klage zu entscheiden gewesen. Zur Vermeidung der Pauschalgebühr habe er nach Abweisung des Verfahrenshilfeantrages die gegenständliche Klage nicht mehr eingebracht.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers keine Folge. Sie führte begründend aus, der Pauschalgebühr nach TP 1 GGG unterlägen alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren ohne Rücksicht darauf, ob diese bis zum Ende geführt würden. Die am 16. Februar 2009 eingebrachte Klage (die auch einen Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe enthalten habe) weise alle Merkmale einer Klage auf. Sie sei daher als Klage zu behandeln gewesen. Die Kostenbeamtin habe zu Recht nur ein Viertel der Pauschalgebühr vorgeschrieben, weil (mangels Unterfertigung der Klage) eine der Voraussetzungen der Ermäßigung - nämlich die Zurückweisung der Klage von vornherein - vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung einer Pauschalgebühr nach TP 1 GGG und einer Einhebungsgebühr nach § 6 GEG bei Einbringung seines Antrages auf Verfahrenshilfe verbunden mit einem Klagsentwurf ohne Unterschrift des Klägers verletzt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß TP 1 Gerichtsgebührengesetz (GGG) beträgt in zivilgerichtlichen Verfahren erster Instanz bei einem Wert des Streitgegenstandes über EUR 363.360 die Pauschalgebühr 1,2 % vom jeweiligen Streitwert zuzüglich EUR 1.661.

Der Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 unterliegen gem. Anmerkung 1 zu TP 1 alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren u.a. in bürgerlichen Rechtssachen. Die Pauschalgebühr ist ohne Rücksicht darauf zu entrichten, ob das Verfahren bis zum Ende durchgeführt wird.

Gemäß Anmerkung 3 zu TP 1 leg. cit. ist die Pauschalgebühr, wenn die Klage von vornherein zurückgewiesen wird, auf ein Viertel zu ermäßigen.

Gemäß § 2 Z 1 lit. a GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz u. a. mit der Überreichung der Klage begründet. Die Klageerhebung ist ein formaler, äußerer Tatbestand, der die Gerichtsgebührenpflicht begründet (hg. Erkenntnis vom 24. April 2002, 2001/16/0601).

Eine Klage hat gemäß § 226 Abs. 1 ZPO ein bestimmtes Begehren zu enthalten, die Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers in Haupt- und Nebensachen gründet, im Einzelnen kurz und vollständig anzugeben, und ebenso die Beweismittel im Einzelnen genau zu bezeichnen, deren sich der Kläger zum Nachweis seiner tatsächlichen Behauptung bei der Verhandlung zu bedienen beabsichtigt.

Gemäß § 75 Z 3 ZPO hat jeder Schriftsatz die Unterschrift der Partei selbst oder ihres gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigten und im Anwaltsprozess die Unterschrift des Rechtsanwalts zu enthalten.

In seiner Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass der gegenständliche Schriftsatz die wesentlichen Merkmale einer Klage enthielt und vom Gericht auch als solche behandelt wurde. Er wendet sich aber gegen die Gebührenvorschreibung mit dem Vorbringen, dass dieser Schriftsatz - im Unterschied zum Antrag auf Verfahrenshilfe - nicht unterfertigt gewesen sei und auch keine Gleichschriften vorgelegt worden seien.

Im Beschwerdefall wurden die Klage als auch der Verfahrenshilfeantrag in einem einzigen Schriftsatz ausgeführt. Dafür dass es sich bei dem die Klage betreffenden Teil des Schriftsatzes lediglich um einen Entwurf derselben gehandelt hätte, gibt es angesichts des Wortlauts dieses Schriftsatzes keine Anzeichen. Das Fehlen einer Unterschrift sowie die Unterlassung der Vorlage der erforderlichen Gleichschriften stellen lediglich einen verbesserungsfähigen Mangel dar (Konecny in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen 2. Band/2. Teilband2, Rz 38 zu § 75).

Weist ein bei Gericht eingebrachter Schriftsatz sämtliche Merkmale einer Klage auf und behandelt das Gericht diesen Schriftsatz als Klage, so entsteht mit der Überreichung des Schriftsatzes die Gebührenpflicht gemäß TP 1 GGG. Dies gilt auch dann, wenn in der Folge die Klage - wegen Fehlens der Anwaltsunterschrift - (nach erfolglosem Verbesserungsversuch) zurückgewiesen worden ist. Das für die Gebührenberechnung zuständige Justizverwaltungsorgan ist bei der Gebührenfestsetzung an die Beantwortung der Frage, ob es sich um ein "mittels Klage einzuleitendes gerichtliches Verfahren" handelt oder nicht, durch das Gericht gebunden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 2006, 2006/16/0029, und die bei Stabentheiner, Gerichtsgebühren9, E 5 zu TP 1 angeführte hg. Rechtsprechung).

Daraus ergibt sich aber, dass die Kostenbeamtin und mit ihr die belangte Behörde auch ohne weiteres Ermittlungsverfahren von der Einbringung einer Klage durch den Beschwerdeführer ausgehen und dafür die beschwerdegegenständlichen Gerichtsgebühren vorschreiben musste.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 18. März 2013

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