VwGH 2010/15/0082

VwGH2010/15/008225.7.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ebner, über die Beschwerde des Vereines i.L. "A" in G, vertreten durch Werner Mixan, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 7/2/7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 26. März 2010, Zl. RV/2812- W/07, betreffend Umsatzsteuer 2002 bis 2006, zu Recht erkannt:

Normen

31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs1;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs2;
61996CJ0349 CPP VORAB;
BAO §41 Abs3;
UStG 1994 §10 Abs2 Z4 litb;
UStG 1994 §2 Abs1;
UStG 1994 §6 Abs1 Z12;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs1;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art4 Abs2;
61996CJ0349 CPP VORAB;
BAO §41 Abs3;
UStG 1994 §10 Abs2 Z4 litb;
UStG 1994 §2 Abs1;
UStG 1994 §6 Abs1 Z12;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.326,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Beschwerdeführer ist ein in Liquidation befindlicher Verein nach dem Vereinsgesetz. Obfrau des Vereins ist Mag. M, Beschwerdeführerin zur hg. Zl. 2010/15/0081.

Eine im Jahr 2007 durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung der Jahre 2002 bis 2004 kam zum Ergebnis, dass die Erlöse des beschwerdeführenden Vereins umsatzsteuerpflichtig (Steuersatz 20%) seien. In der Durchführung von Kursen und Seminaren gegen Entgelt liege keine unmittelbare Förderung der Allgemeinheit. Dass ein gewisser Anteil des Entgelts als Mitgliedsbeitrag bezeichnet werde, sei unbeachtlich, weil insgesamt die Erbringung einer Leistung im Vordergrund stünde. Gemeinnützigkeit des Vereins sei auch im Hinblick auf die Vermengung der Lebenshaltungskosten der Vereinsobfrau und der Vereinsausgaben nicht gegeben. Es erfolge keine Trennung zwischen den Vereinsaufwendungen und den privaten Aufwendungen der Vereinsobfrau. Statt einer Pacht trage der Verein die Investitionen der Obfrau in dem ihr gehörenden N-Hof. Auch in Zeiträumen, in denen keine Seminare stattgefunden hätten, seien die laufenden Lebenshaltungskosten in den Vereinsaufwendungen enthalten. Dabei handle es sich um gemeinnützigkeitsschädliche Aufwendungen iSd § 39 Z 2 BAO. Es liege ein einheitlicher Gewerbebetrieb vor. Die vom Verein im Prüfungszeitraum erzielten Umsätze von 31.863,53 EUR (2002), 78.679,98 EUR (2003) und 77.467,28 EUR (2004) seien zum Normalsteuersatz der Umsatzsteuer zu unterziehen. Da die Herkunft der Einlagen auf das Bankkonto nicht eindeutig habe aufgeklärt werden können und nur teilweise Kassabelege vorlägen, sei zudem ein Sicherheitszuschlag von 5% der errechneten Nettoerlöse den Umsätzen hinzuzurechnen. Für den Nachschauzeitraum 2005 und 2006 seien die Umsätze laut Rechenschaftsberichten in Höhe von 78.956,49 EUR (2005) und 91.566,53 EUR (2006) gleichfalls dem Normalsteuersatz zu unterziehen.

Das Finanzamt erließ den Feststellungen der Außenprüfung Rechnung tragende Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2006.

In der gegen diese Bescheide erhobenen Berufung wurde vorgebracht, dass der beschwerdeführende Verein der in seinen Statuten verankerten Auflage, keine Gewinne zu erzielen, entspräche und daher gemäß § 2 Abs. 5 Z 2 UStG 1994 von der Umsatzsteuer befreit sei. Der Verein sei ausschließlich zur Erfüllung der satzungsgemäßen Gemeinschaftsaufgaben in der Form ideeller Betriebe, wie Mitgliederadressverwaltung, Redaktion der Vereinszeitung, Öffentlichkeitsarbeit (finanziert durch Spenden und von durch Generalversammlungsbeschluss gedeckte Splittung der Teilnahmekostenersätze) und im ideellen nichtunternehmerischen Bereich (finanziert durch Kostenersätze) im Rahmen von zur Zweckerfüllung unentbehrlichen Geschäftsbetrieben nach § 45 Abs. 2 BAO tätig. Die Prüferin habe es unterlassen, zwischen den in den einzelnen Jahren in verschiedener Gewichtung vorliegenden Tätigkeiten und den damit zusammenhängenden Einnahmen zu differenzieren. In den vorgelegten Sachverhaltsdarstellungen seien die Tätigkeiten des Vereins mit den Vorgaben der BAO und den dazu erlassenen Vereinsrichtlinien zum Nachweis der Gemeinnützigkeit sowie zur Anwendbarkeit der Liebhabereivermutung "deckungsgleich gebracht" worden. Darauf gehe weder die Niederschrift noch der Bericht über die abgabenbehördliche Prüfung ein. Auch die Aufzeichnungsverpflichtungen seien nicht bewusst verletzt worden. Der Fehler eines Dritten (Buchhalterin) berechtige das Finanzamt nicht zur Schätzung. Die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide seien daher ersatzlos aufzuheben.

In ihrer Stellungnahme trat die Prüferin den Vorwürfen des beschwerdeführenden Vereins entgegen. Weder die Obfrau noch der Steuerberater hätten im Rahmen der Prüfung Sachverhalte vorgetragen. Es sei lediglich auf den Standpunkt beharrt worden, dass der Verein gemeinnützig sei. Auch hätten keine Grundaufzeichnungen betreffend die Erfassung der Einnahmen und Ausgaben vorgelegt werden können, sondern lediglich Rechenschaftsberichte mit Kontenaufstellungen.

Anlässlich der Besprechung vom 11. Juli 2006 erklärte die Obfrau, dass der Verein acht ordentliche Mitglieder habe, die den Mitgliedsbeitrag bar bezahlen oder abarbeiten könnten. Aufzeichnungen darüber gebe es nicht. Nähmen Mitglieder an Veranstaltungen des Vereines teil, müssten sie diese extra bezahlen. Alle anderen Personen würden einen außerordentlichen Mitgliedsbeitrag leisten, der mit einem fixen Prozentsatz Bestandteil des Seminarentgelts sei. Alle am N-Hof angebotenen Seminare und Kurse würden gegen Entgelt über die Homepage des Vereins öffentlich angeboten. Weiters würden über Internet Monatsbriefe an "Freunde, Interessenten und Liebe Leute" verschickt.

In einer weiteren Äußerung erwiderte der Verein dem Vorwurf fehlender Grundaufzeichnungen, dass in den Kalenderbucheintragungen für alle Mitarbeiter zur Orientierung die laufenden und künftigen Termine von Veranstaltungen eingetragen würden. Es bestünde eine laufende buchhalterische Aufarbeitung der Belege in zwei Buchhaltungstechniken (Excel und doppelte Buchhaltung). Die Verbuchung der Bankbelege sei in allen Jahren in einer schlüssigen Excel-Tabelle erfolgt, die auch als Buchhaltungsunterlage gedient habe. Weiters bestünden lückenlose Aufzeichnungen über die Anzahl der abgehaltenen Kurse und die Anzahl der Kursteilnehmer. Auf Grund dieser Aufzeichnungen hätte auch eine Zuordnung zu den einzelnen Konten vorgenommen werden können. Das Finanzamt habe die Gemeinnützigkeit des beschwerdeführenden Vereins nicht an Hand der von ihm zur Verfügung gestellten Checkliste geprüft, sondern stattdessen stereotyp auf die Bestreitung der Lebenshaltungskosten der Obfrau durch den Verein hingewiesen. Würde die Obfrau nicht im Vereinsgebäude nach den Regeln der Mitarbeiterhausordnung wohnen, könnte sie die Funktion als ständige Anlaufstelle für Vereinsmitglieder, Mitarbeiter und Interessenten nicht erfüllen.

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache ergänzte die Obfrau, dass sie schon seit mehr als 30 Jahren bestrebt sei, die ayurvedische Gesundheitslehre "herüberzuholen" und praktikabel zu machen. Ayurveda sei eine wichtige Gesundheitsvorsorge. Sie habe stets versucht, die Menschen für eine bewusstseinserweiternde und selbstverantwortliche Lebensform zu begeistern. Der Verein sei innovativ ausgerichtet, auch Kunst und Kultur stellten für ihn eine Lebensnotwendigkeit dar. Weiters würden zusätzlich zum laufenden Vereinsleben dreimal im Jahr Arbeitsgruppen mit den ordentlichen Vereinsmitgliedern abgehalten.

In der am 18. März 2010 abgehaltenen (auch die Steuersache der Obfrau mitumfassenden) Berufungsverhandlung wiederholten die Vertreter des beschwerdeführenden Vereins ihren Standpunkt, wonach die Abhaltung von Schulungen und Seminaren sowie der Verkauf von Waren "unentbehrliche Hilfsbetriebe" darstellten. Die Obfrau habe immer gewollt, dass der Verein gemeinnützig sei. Die Kursteilnehmer hätten sich stets als Vereinsmitglieder und nicht als Kunden gefühlt und dementsprechend auch Verantwortung übernehmen sollen. Der Sicherheitszuschlag sei unberechtigt, weil alle Einlagen auf das Bankkonto aufgeklärt worden seien. Die Obfrau habe das Geld von den Seminarteilnehmern bar entgegengenommen und dann auf die Bank eingezahlt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Die belangte Behörde stellte fest, dass die für den beschwerdeführenden Verein maßgeblichen Statuten den von der Bundesabgabenordnung statuierten Anforderungen an die Gemeinnützigkeit nicht genügten. Es bestünde nämlich keine ausreichende Bindung der Vermögensverwendung iSd § 39 Z 5 BAO.

§ 18 der Statuten ordne zwar an, was im Falle einer von der Generalversammlung beschlossenen Auflösung des Vereins mit dem nach Abdeckung der Passiven verbleibenden Vereinsvermögen zu geschehen habe. Auf Grund des in dieser Bestimmung enthaltenen Passus, das Vermögen sei "soweit als möglich und erlaubt ist" einer als gemeinnützig anerkannten Körperschaft zu übertragen, sei aber bereits für den in der Satzung geregelten Fall der Auflösung des Vereins nicht sichergestellt, dass dessen Vermögen einem nach § 34 BAO begünstigten Zweck erhalten bleibe. Darüber hinaus träfen die Vereinsstatuten für den Fall des Wegfalls des bisherigen Vereinszwecks, auf den sich die satzungsgemäße Vermögensbindung gemäß § 41 Abs. 2 BAO auch zu erstrecken habe, überhaupt keine Vorkehrungen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne dem beschwerdeführenden Verein schon auf Grund der fehlenden satzungsgemäßen Vermögensbindung eine Begünstigung wegen gemeinnütziger Betätigung nicht zukommen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 2. September 2009, 2005/15/0024).

Davon abgesehen lägen weitere Hindernisse einer abgabenrechtlichen Begünstigung des Vereins entgegen: Insbesondere sei nicht hervorgekommen, dass die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins darauf gerichtet gewesen sei, dem Gemeinwohl auf den in § 2 der Vereinsstatuten beschriebenen Gebieten in selbstloser Weise zu dienen. Dazu sei es nämlich unausweichlich, der Abgabenbehörde solche Aufzeichnungen vorzulegen, welche den Anforderungen des § 131 BAO so weit entsprechen, dass die Erforschung der in den §§ 39, 44 und 45 BAO genannten Umstände iSd Maßstabes des § 42 BAO ohne Erschwernisse iSd § 131 BAO und mit den dort genannten Anforderungen an äußere Verlässlichkeit möglich sei. Dies habe der beschwerdeführende Verein unterlassen. Sein Vorbringen ginge letztlich nicht über die bloße Behauptung hinaus, gemeinnützig tätig zu sein. Den für die Berufungsjahre vorliegenden Rechenschaftsberichten sei lediglich zu entnehmen, dass der Verein entgeltlich Kurse, etwa zur Bewusstseinsbildung über ayurvedische Gesundheitspflege und Ausbildungsseminare abgehalten habe. Davon hätten aber nur diejenigen profitiert, welche die entgeltlichen Dienste des beschwerdeführenden Vereins in Anspruch genommen hätten.

Eine praktische, über die entgeltliche Leistungserbringung hinausgehende, unmittelbar auf die Förderung des Gemeinwohls gerichtete selbstlose, ideelle Tätigkeit sei nicht erkennbar. Dass andere Vereinsaktivitäten (wie Öffentlichkeitsarbeit, kostenlose Infotage, etc.) den Hauptzweck des Vereins gebildet hätten und die entgeltlichen Tätigkeiten bloß ein für die Verwirklichung dieses Hauptzwecks unentbehrlicher Hilfsbetrieb gewesen wären, könne schon mangels verlässlicher Aufzeichnungen nicht nachvollzogen werden. Zudem spräche die Art der erwähnten weiteren Aktivitäten dafür, dass vielmehr diese Nebenzweck der auf Einnahmenerzielung gerichteten Haupttätigkeit des Vereins gewesen seien. So könnten in der Mitgliederadressverwaltung und Öffentlichkeitsarbeit etc. bloß die Abhaltung von Kursen und Seminaren ergänzende Aktivitäten erblickt werden. Insofern unterscheide sich der beschwerdeführende Verein nicht von anderen gewerblich tätigen Unternehmen, die eine Kundenkartei führen und ihre Produkte bewerben. Die so genannten Monatsbriefe enthielten im Wesentlichen die Ankündigung entgeltlicher Veranstaltungen. Dass Ayurveda eine anerkannte Gesundheitslehre sei bzw. sich aus dem Vereinsnamen die eindeutige Ausrichtung auf die Förderung der Allgemeinheit ergebe, sage nichts darüber aus, ob die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins auf die selbstlose Förderung des Gemeinwohls gerichtet gewesen sei.

Schließlich habe das Finanzamt zu Recht darauf hingewiesen, dass auch Vorteilszuwendungen des Vereins an die Obfrau dem Gebot der ausschließlichen Förderung begünstigter Zwecke entgegenstehen. Diesbezüglich werde auf die die Obfrau betreffende Berufungsentscheidung verwiesen.

Aus den dargelegten Gründen komme dem beschwerdeführenden Verein eine Abgabenbegünstigung wegen Betätigung für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke nicht zu.

Der beschwerdeführende Verein habe zwar auch "der Vollständigkeit halber" vorgebracht, dass die Umsätze gemäß § 6 Abs. 1 Z 12 UStG steuerfrei seien. Er habe aber nicht begründet, warum diese Befreiungsbestimmung auf die von ihm getätigten Umsätze anwendbar sei. Volksbildung beinhalte die Belehrung mit zur Allgemeinbildung zählendem Wissen, aber auch die Vermittlung von allgemeinbildenden Kenntnissen und technischen Fertigkeiten für breite Kreise der Bevölkerung, setze somit eine breite Zugänglichkeit der Veranstaltungen voraus. Die vom beschwerdeführenden Verein erbrachten Leistungen vermittelten, auch wenn Ayurveda eine anerkannte Gesundheitslehre sei, keine Kenntnisse oder Fähigkeiten allgemeinbildender Art. Die Veranstaltungen seien auf an ayurvedischer Gesundheitslehre interessierte Personen beschränkt. Einer Zugänglichkeit der Veranstaltungen für breite Kreise der Bevölkerung stünde bereits der Umstand entgegen, dass jeder Kursteilnehmer auch Mitglied des Vereins werden müsse; also eine formelle Zutrittsschwelle bestünde. Insbesondere aber könnten die Preise von etwa 1.900 EUR für 12 Tage Panchakarma oder 500 EUR für vier Tage Virekana oder 500 EUR für einen Kochkurs keinesfalls als eine breite Zugänglichkeit einschließende, tragbare Entgelte bezeichnet werden.

Die Schätzungsberechtigung sei gegeben, weil eine Excel-Tabelle keine Grundaufzeichnungen iSd § 131 BAO ersetze. Excel-Tabellen könnten jederzeit nachträglich verändert werden, ob Änderungen vorgenommen worden seien oder nicht, könne nicht überprüft werden. Die behaupteten lückenlosen Aufzeichnungen über die Anzahl der Kurse und die Kursteilnehmer seien nicht vorgelegt worden. Die vorgelegten Tabellen seien nicht aussagekräftig. Anhaltspunkte für eine Erfassung der täglichen Einnahmen könnten aus den dort enthaltenen handschriftlichen Anmerkungen wie "PK", "4+2+1" nicht gewonnen werden. Der weiteren Feststellung der Prüferin, dass für geleistete Anzahlungen in bar teilweise keine Kassabelege ausgestellt worden seien, sei der beschwerdeführende Verein überhaupt nicht entgegengetreten. Auf den Fehler Dritter (Buchhalter) habe die Außenprüfung die Schätzungsberechtigung nicht gestützt. Da der Verein die Bareinnahmen und die Barausgaben nicht täglich in geeigneter Weise festgehalten habe bzw. auch keine Grundaufzeichnungen über die Anzahl der Kurse und Kursteilnehmer vorgelegt habe und Aufzeichnungen iSd § 131 BAO nicht existiert hätten, sei die Schätzungsberechtigung gegeben. Gegen die Höhe der Zuschätzung seien keine konkreten Einwendungen erhoben worden. Auf Grund des gänzlichen Fehlens verlässlicher Aufschreibungen über die täglichen Bareinnahmen und Barausgaben bzw. der Grundlagensicherung in Form einer jederzeit veränderbaren Excel-Tabelle könne eine griffweise und sich dementsprechend einer detaillierten Begründung entziehende Schätzung von Sicherheitszuschlägen in Höhe von 5% der erklärten Einnahmen nicht als unsachlich oder überhöht erkannt werden.

Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Vorauszuschicken ist zunächst, dass der angefochtene Bescheid lediglich über Umsatzsteuer abspricht. Soweit sich die Beschwerde daher auch gegen die "unverhältnismäßige und sachlich nicht gerechtfertigte Umschichtung von Ausgaben des Vereines (sog. 'Vorteilszuwendungen an die Obfrau')" wendet, geht sie am Beschwerdegegenstand vorbei.

Auf die Umsatzsteuer bezogen rügt der beschwerdeführende Verein, dass die belangte Behörde steuerfreie Einnahmen und Einnahmen, welche mit dem begünstigten Steuersatz zu besteuern gewesen wären, trotz teilweise sogar vorgegebener buchhalterischer Trennung zu Unrecht dem Normalsteuersatz unterworfen habe.

Nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Sechsten MwSt-Richtlinie 77/388/EWG (im Folgenden RL) gilt als Steuerpflichtiger, wer die wirtschaftliche Tätigkeit eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis. Durch die Bezugnahme auf wirtschaftliche Tätigkeiten wird im Resultat auf nachhaltige, einnahmenorientierte Aktivitäten abgestellt (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 2 Tz 8).

Die Abhaltung von Seminaren stellt eine Dienstleistung iSd Art. 4 Abs. 1 und 2 RL dar. Die Absicht, Gewinne zu erzielen, die vom beschwerdeführenden Verein unter Hinweis auf seine Vereinsstatuten verneint wird, ist für die Beurteilung einer Tätigkeit als der Umsatzsteuer unterliegend nicht erforderlich.

Nach § 6 Abs. 1 Z 12 UStG 1994 sind steuerfrei u.a. die Umsätze aus den von Volksbildungsvereinen veranstalteten Vorträgen und Kursen wissenschaftlicher, unterrichtender oder belehrender Art, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden.

Gemeinschaftsrechtlich beruht die Befreiung auf Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. i der RL (nunmehr Art. 132 Abs. 1 lit. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie).

Danach befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- und Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.

Der Begriff Volksbildungsverein ist kein Rechtsbegriff. Nach der Verkehrsauffassung beinhaltet der Begriff der Volksbildung die Belehrung mit zur Allgemeinbildung zählendem Wissen, aber auch die Vermittlung von allgemeinbildenden Kenntnissen und technischen Fertigkeiten für breite Kreise der Bevölkerung. Das inkludiert sowohl den Entfall von Zutrittsschranken formeller Art als auch tragbare Entgelte. Volksbildungsvereine sind Vereine, die - wie Volkshochschulen - dieses Ziel insgesamt oder doch in einem wesentlichen Ausschnitt verfolgen (vgl. Ruppe/Achatz, UStG4, § 6 Tz 322).

Zu den Voraussetzungen eines Volksbildungsvereines gehört es, dass er Bildungsleistungen der breiten Öffentlichkeit anbietet. Ob der beschwerdeführende Verein nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung und der gegebenen Satzung diese Voraussetzungen erfüllt, hat die belangte Behörde nicht ausreichend geprüft. Der angefochtene Bescheid setzt sich nicht damit auseinander, ob die Regelungen der Satzung darüber, wer Leistungen beziehen kann, eine tatsächliche Zugangsschranke bewirken. Es fehlen auch konkrete Feststellungen, dass die Preisgestaltung in Bezug auf die angebotene Leistung unangemessen gestaltet war.

Die Vermietung von Grundstücken, worunter auch die Überlassung von Geschäftsräumen fällt, ist gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 grundsätzlich steuerfrei.

Gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 lit. b UStG 1994 ermäßigt sich die Steuer auf 10% für die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen und die regelmäßig damit verbundenen Nebenleistungen (einschließlich Beheizung), wobei als Nebenleistung auch die Verabreichung eines ortsüblichen Frühstücks anzusehen ist, wenn der Preis hiefür im Beherbergungsentgelt enthalten ist.

Dass der beschwerdeführende Verein Mieten vereinnahmt, ist ein Vorbringen, das entgegen dem Einwand der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nicht gegen das verwaltungsgerichtliche Neuerungsverbot verstößt. Den im angefochtenen Bescheid mehrfach angesprochenen Rechenschaftsberichten ist der Umstand der Vereinnahmung von Mieten unschwer zu entnehmen. Die Rechenschaftsberichte 2005 und 2006 liegen - offensichtlich wurden sie dem Finanzamt mit den Steuererklärungen übermittelt - im Körperschaftsteuerakt ein. Die Rechenschaftsberichte der Streitjahre 2003 bis 2004 lagen der belangten Behörde nach dem Ausweis ihrer Akten gleichfalls vor. Im Betriebsprüfungsbericht werden die Erlöse "laut Rechenschaftsberichten" angesetzt, von den wenigen dort ausgewiesenen Einnahmenpositionen brachte die Prüferin allerdings nur die "Spenden" bzw. "Förderungen" als nicht steuerbar in Abzug. Die restlichen Einnahmen (u.a. auch die als "Raummieten" ausgewiesenen Erträge) wurden hingegen insgesamt dem Normalsteuersatz unterzogen.

Im Verwaltungsverfahren vertrat der beschwerdeführende Verein die Ansicht, dass er als gemeinnütziger Verein iSd BAO nicht Unternehmer sei und eine Umsatzsteuerpflicht seiner Einnahmen schon aus diesem Grunde zu verneinen sei. Kommt die belangte Behörde aber - wie im Beschwerdefall - zum Ergebnis, dass die Unternehmereigenschaft des Vereins zu bejahen ist, hat sie auch Feststellungen darüber zu treffen, welcher Art die vom Steuerpflichtigen getätigten Umsätze waren und welchem Steuertatbestand die festgestellten Umsätze zu subsumieren sind.

Der belangten Behörde war aber auch bekannt, dass die Seminarteilnehmer teilweise beherbergt und verköstigt werden (vgl. dazu ausführlich die Sachverhaltsschilderung zur hg. Zl. 2010/15/0081).

Dass nach der Aktenlage für die Seminarteilnahme im Allgemeinen ein Pauschalentgelt verrechnet wurde, welches auch die Nächtigung und Verpflegung miteinschloss, steht der begünstigten Besteuerung des auf die Leistungen gemäß § 10 Abs. 2 Z 4 b UStG 1994 entfallenden Anteils grundsätzlich nicht entgegen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. das Urteil vom 25. Februar 1999, C-349/96 , Card Protection Plan, Randnummern 29-32) ist jede Dienstleistung in der Regel als eigene selbständige Leistung zu betrachten. Es ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Kunden keinen anderen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 21. Dezember 2005, 2001/14/0123, und vom 1. März 2007, 2004/15/0090).

Dass die Möglichkeit der Übernachtung am N-Hof lediglich das Mittel darstellt, um allenfalls den in der Seminarteilnahme gelegenen Hauptzweck unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, wurde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher auch in diesem Punkt als nicht hinreichend begründet.

Für das fortzusetzende Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass Satzungsänderungen, die von der Beschwerde gleichfalls ins Treffen geführt werden, keine Rückwirkung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 2010, 2007/15/0137).

Der angefochtene Bescheid war auf Grund der aufgezeigten Begründungsmängel gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 25. Juli 2013

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