Normen
AVG §17;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §6;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;
VwRallg;
AVG §17;
AVG §8;
BauO NÖ 1996 §6 Abs1 Z3;
BauO NÖ 1996 §6;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
GdO NÖ 1973 §61 Abs4;
GdO NÖ 1973 §61 Abs5;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 2009, Zl. 2008/05/0112, verwiesen. Daraus ist Folgendes festzuhalten:
Mit Eingabe vom 21. Dezember 2006 beantragte die mitbeteiligte Partei, der nunmehr das Grundstück Nr. 767 KG L. gehört, beim Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde die Gewährung der Akteneinsicht hinsichtlich der Baubewilligungsverfahren betreffend die Bauanträge auf dem (zum damaligen Zeitpunkt) benachbarten Grundstück Nr. 521/3 der KG W. sowie die Zustellung sämtlicher diesbezüglicher Baubewilligungsbescheide, um allenfalls subjektiv-öffentliche Nachbarrechte geltend zu machen und durchzusetzen. Auf dem genannten Grundstück mit der Widmung "Bauland-Sondergebiet-Badehütten" wurde die sog. "Stromsiedlung" errichtet.
Mit dem oben genannten Vorerkenntnis wurde der seinerzeit angefochtene Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. April 2008, mit dem die Vorstellung der mitbeteiligten Partei gegen die mangels Parteistellung erfolgte Zurückweisung ihres Antrages vom 21. Dezember 2006 abgewiesen worden war, aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte darin im Wesentlichen aus, dass in den Bescheiden der Baubehörden und auch im Vorstellungsbescheid umfassende Begründungsdarlegungen fehlten, warum im Beschwerdefall davon ausgegangen werden könne, dass die damalige Beschwerdeführerin (die nunmehrige mitbeteiligte Partei) als Eigentümerin von unmittelbar an das Baugrundstück grenzenden Grundstücken im Sinne der hg. Rechtsprechung keinesfalls in den in § 6 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (im Folgenden: BO) aufgezählten subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werden könne. Der bloße Hinweis auf die große Entfernung der Gebäude reiche nicht aus, weil es für die Beurteilung der Rechtsverletzungsmöglichkeit des Nachbarn auf die Situation an der Grundgrenze ankomme. Weiters wurde dargelegt, dass, da die mitbeteiligte Partei Nachbarin im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 BO sei, ihr bei der gegebenen Sachlage jedenfalls eine Mitteilung nach § 22 BO mit dem Inhalt zuzustellen gewesen wäre, dass im vorliegenden Fall beabsichtigt sei, von der Durchführung einer Bauverhandlung abzusehen.
Im fortgesetzten Verfahren gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 7. September 2009 der Vorstellung der mitbeteiligten Partei Folge, behob den Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 14. Dezember 2007 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde zurück.
Mit Bescheid vom 2. März 2010 gab der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde dem Antrag der mitbeteiligten Partei auf Akteneinsicht und Zustellung der Baubewilligungsbescheide hinsichtlich der Grundstücke Nr. 521/31 und 521/35, beide in der KG W., Folge; ein ausdrücklicher Ausspruch bezüglich des Grundstückes Nr. 521/3 unterblieb. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass es gemäß § 6 Abs. 1 vorletzter Satz BO für die Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren allein auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ankomme. Die Möglichkeit einer Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß § 6 Abs. 2 BO sei auf Grund der nachweislich großen Entfernung der auf den Baugrundstücken und auf den Nachbargrundstücken befindlichen Gebäude zwar äußerst gering, ein gänzlicher Ausschluss einer Berührung der mitbeteiligten Partei in subjektiv-öffentlichen Rechten sei jedoch nicht möglich. Das Grundstück Nr. 521/3 sei nunmehr in die Grundstücke Nr. 521/3 und 521/31 bis 521/37 geteilt worden. Der Antrag der mitbeteiligten Partei sei dahin auszulegen, dass sich dieser auf jene Grundstücke beziehe, die im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 BO nicht mehr als 14 m vom Grundstück der mitbeteiligten Partei (welches zwischenzeitig als Grundstück Nr. 767 der KG L. zu spezifizieren sei) entfernt seien. Nach dem öffentlich einsichtigen Katasterplan handle es sich dabei um die im Spruch angeführten Grundstücke Nr. 521/31 und 521/35. Hinsichtlich dieser Grundstücke sei der mitbeteiligten Partei die Parteistellung zuzuerkennen und insoweit auch die damit verbundenen Rechte auf Akteneinsicht und Zustellung zu gewähren.
In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung führte die mitbeteiligte Partei aus, dass ihr Antrag das Grundstück Nr. 521/3 "schlechthin" (gemeint: in der ursprünglichen Größe) betreffe. Dieser Antrag sei durch die spätere Teilung dieses Grundstückes nicht eingeschränkt worden. Die von der Berufungsbehörde vorgenommene Deutung des Antrages entspreche diesem Antrag nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid behob die belangte Behörde den zuletzt ergangenen Berufungsbescheid vom 2. März 2010 und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zurück. Begründend hielt sie nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und der Rechtslage zunächst fest, dass das Grundstück Nr. 521/3 "mittlerweile" (ohne nähere Angabe) geteilt worden sei und u.a. die Grundstücke Nr. 521/31 und 521/35, welche weniger als 14 m vom Grundstück der mitbeteiligten Partei entfernt seien, von diesem Grundstück abgeteilt worden seien. Von der Berufungsbehörde sei daher richtigerweise festgestellt worden, dass der mitbeteiligten Partei bezüglich dieser Grundstücke Parteistellung zukomme.
Es sei aber verabsäumt worden sei, über die Parteistellung betreffend das Grundstück Nr. 521/3 (gemeint: 521/3 neu) abzusprechen. Ein Einblick in den Katasterplan hätte nämlich ergeben, dass dieses Grundstück "im Bereich südlich des Grundstückes Nr. 521/35 weiterhin weniger als 14 m vom Grundstück" der mitbeteiligen Partei entfernt sei. Diese beiden Grundstücke seien nur durch den Weg Nr. 521/36 getrennt. In diesem Bereich befinde sich eine bewaldete Fläche. Auf diesem Grundstück seien aber im östlichen Teil nach wie vor verschiedene Badehütten angeordnet. Da auf eine Beurteilung der Verletzung möglicher Nachbarrechte an der Grenze des Grundstückes Nr. 521/3 vergessen worden sei, sei die mitbeteiligte Partei in ihren Rechten verletzt worden. Im weiteren Verfahren werde der Gemeinderat der beschwerdeführenden Gemeinde die Möglichkeit einer Rechtsverletzung an der Grundstücksgrenze entlang des Grundstückes Nr. 521/3 ausführlich und nachvollziehbar zu prüfen und zu begründen haben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Zu diesen Gegenschriften erstattete die beschwerdeführende Gemeinde eine Replik, auf welche wiederum die mitbeteiligte Partei replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführende Gemeinde macht geltend, dass der Ansicht der belangten Behörde, es sei von der Berufungsbehörde zu Unrecht nicht über die Parteistellung der mitbeteiligten Partei betreffend das Grundstück Nr. 521/3 abgesprochen worden, ein falscher, nicht mehr aktueller Katasterplan zugrunde liege und sie somit zu einer falschen Schlussfolgerung gelangt sei. Die beschwerdeführende Gemeinde habe demgegenüber ihrer Entscheidung einen aktuellen Katasterplan zugrunde gelegt und eine richtige Entscheidung getroffen. Wie die belangte Behörde auch festgestellt habe, sei das ursprüngliche Grundstück Nr. 521/3 der KG W. in die Grundstücke Nr. 521/3 sowie Nr. 521/31 bis 521/37 geteilt worden. Nach dieser Teilung befinde sich das verbliebene Grundstück Nr. 521/3 östlich des Grundstückes Nr. 521/35. Dieses Grundstück liege nicht - wie dies die belangte Behörde unzutreffend festgestellt habe - "im Bereich südlich des Grundstückes Nr. 521/35 weiterhin weniger als 14 m vom Grundstück" der mitbeteiligten Partei entfernt. Die beschwerdeführende Gemeinde habe nicht - wovon die belangte Behörde ausging - auf das Grundstück Nr. 521/3 "vergessen". Sie habe bei ihrer Entscheidung auch dieses Grundstück berücksichtigt, aber dieses Grundstück liege weiter als 14 m von der Liegenschaft der mitbeteiligten Partei entfernt.
Gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn durch ihn Rechte des Einschreiters verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen. Nach Abs. 5 dieser Norm ist die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.
Diese in § 61 Abs. 5 NÖ Gemeindeordnung 1973 verankerte Bindungswirkung an einen aufhebenden Vorstellungsbescheid bezieht sich auf die tragenden Gründe der Aufhebung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Mai 2010, Zl. 2009/05/0052, mwN). Wenn sich nach der Vorstellungserledigung, aber vor der neuerlichen Entscheidung der Gemeinde die Sach- oder die Rechtslage wesentlich ändert, beseitigt dies insofern die Bindungswirkung (Hauer, Gemeindeaufsicht, Rz 69, mwN). Im vorliegenden Fall hat die Vorstellungsbehörde mit dem angefochtenen Bescheid den Berufungsbescheid des Gemeinderates der beschwerdeführenden Gemeinde vom 2. März 2010 deshalb aufgehoben, weil dieser - ausgehend von der Ansicht der Vorstellungsbehörde, das Grundstück Nr. 521/3 befinde sich südlich des Grundstückes Nr. 521/35 und weniger als 14 m vom Grundstück der mitbeteiligten Partei entfernt - auf eine Beurteilung der Verletzung möglicher Nachbarrechte an der Grenze zum Grundstück Nr. 521/3 vergessen habe.
§ 6 BO in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. 8200-16 lautet auszugsweise:
"§ 6
Parteien, Nachbarn und Beteiligte
In Baubewilligungsverfahren und baupolizeilichen Verfahren nach § 32, § 33 Abs. 2, § 34 Abs. 2 und § 35 haben Parteistellung:
…
die Eigentümer der Grundstücke, die an das Baugrundstück angrenzen oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite bis zu 14 m (z.B. schmale Grundstücke, Verkehrsflächen, Gewässer, Grüngürtel) getrennt sind (Nachbarn), und
…
Nachbarn sind nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt sind.
… "
Unbestritten ist, dass das Grundstück Nr. 521/3 im Laufe des vorliegenden Verwaltungsverfahrens mehrfach geteilt wurde. Bemerkt wird, dass der Gemeinderat, wie sich aus der Begründung seines Bescheids ergibt, auch auf das Grundstück Nr. 521/3 neu Bedacht genommen hat.
Wenn die Frage zu klären ist, ob die Behauptung einer Person, im Verfahren als Partei übergangen zu sein, zutreffend ist, so hat dies nach der im Zeitpunkt der Erlassung des bisher an andere Verfahrensparteien bereits ergangenen Bescheides geltenden Sach- und Rechtslage zu geschehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2008, Zl. 2007/05/0177, mwN). Ob der mitbeteiligten Partei Parteistellung in den bezogenen Bauverfahren zukam, ist somit nach der im Zeitpunkt der Erlassung der Baubescheide geltenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen.
Ein Anspruch der mitbeteiligten Partei auf Gewährung der von ihr beantragten Akteneinsicht bzw. auf Zustellung der Baubewilligungsbescheide setzt aber voraus, dass ihr zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Anträge nach wie vor Parteistellung in den bezughabenden Bauverfahren zukommt. Bei einem Bescheid eines Gemeinderates, der ein Bescheid eines Kollegialorganes ist, ist für die Frage der maßgeblichen Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt des Beschlusses des Gemeinderates ausschlaggebend (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2008, Zl. 2007/05/0124, mwN).
Für die Beurteilung der Parteistellung der mitbeteiligten Partei in den Baubewilligungsverfahren betreffend die benachbarten Grundstücke kam es im fortgesetzten Verfahren daher auf die Sachlage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den (letzten) Berufungsbescheid vom 2. März 2010 an. Es waren dabei im Lichte des § 6 Abs. 1 Z 3 BO die erfolgten Teilungen des bei Antragstellung im Jahr 2006 einzigen großen Grundstückes Nr. 521/3 - entgegen der Ansicht der mitbeteiligten Partei - beachtlich (vgl. zum Wegfall der Parteistellung durch spätere Grundstücksteilung das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 2008, Zl. 2007/06/0306).
Die belangte Behörde weicht von der Tatsachenfeststellung im Berufungsbescheid vom 2. März 2010, das neu geschaffene Grundstück Nr. 521/3 sei vom Grundstück Nr. 767 mehr als 14 m entfernt, ab. Ein Einblick in den Katasterplan hätte ergeben, dass das Grundstück Nr. 521/3 weniger als 14 m vom Grundstück Nr. 767 entfernt sei. Ohne dies der Gemeinde vorzuhalten, stützte die belangte Behörde darauf ihre Aufhebung.
Wie sich aus den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Unterlagen ergibt, wurde die letzte Teilung mit Beschluss des Bezirksgerichtes Tulln vom 29. September 2009 auf der Grundlage des Teilungsplanes vom 9. Juli 2007 in das Grundstück Nr. 521/37 (das südlich der Grundstücke Nr. 521/31 bis Nr. 521/36 gelegen ist) und das verbliebene Grundstück Nr. 521/3 (das sich östlich der Grundstücke Nr. 521/31 bis Nr. 521/36 und nördlich bzw. nordöstlich des Grundstückes Nr. 521/37 befindet) grundbücherlich bewilligt. Daraus könnte sich ergeben, dass das verbliebene Grundstück Nr. 521/3 zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Berufungsbescheid vom 2. März 2010 entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht innerhalb einer Entfernung von 14 m vom benachbarten Grundstück der mitbeteiligten Partei gelegen ist. Möglicherweise ist die belangte Behörde somit von einer Grundstücksanordnung und von einer Lage des Grundstückes Nr. 521/3 ausgegangen, wie sie zum hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr bestanden hat.
Indem die belangte Behörde von den Tatsachenfeststellungen der Berufungsbehörde abwich, ohne das Ergebnis ihrer Beweisaufnahme der Gemeinde (als Partei des Vorstellungsverfahrens) vorzuhalten, hat sie Verfahrensbestimmungen missachtet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die angesprochene Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.
Wien, am 10. Dezember 2013
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