VwGH 2010/04/0102

VwGH2010/04/01026.3.2013

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser, Mag. Nedwed und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Landeshauptstadt Graz gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 30. Juni 2010, Zl. UVS 443.7-4/2009-14, betreffend Feststellung nach § 3 Abs. 3 Stmk. Vergaberechtsschutzgesetz (mitbeteiligte Partei: Verein X in Y, vertreten durch Dr. Werner Mecenovic, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 7; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
LVergRG Stmk 2007 §17 Abs1 Z1;
LVergRG Stmk 2007 §17 Abs1 Z4;
LVergRG Stmk 2007 §19 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §59 Abs1;
LVergRG Stmk 2007 §17 Abs1 Z1;
LVergRG Stmk 2007 §17 Abs1 Z4;
LVergRG Stmk 2007 §19 Z8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde einem Antrag des Mitbeteiligten auf Feststellung, dass die Zuschlagserteilung an bestimmte (näher genannte) Träger der Jugendwohlfahrt in Graz, die "ohne Verfahrensbeteiligung weiter Unternehmerinnen/Unternehmer direkt an die genannten Unternehmerinnen/Unternehmer erfolgte, aufgrund der Bestimmungen bundesgesetzlicher Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens offenkundig unzulässig war", "statt"; zugleich stellte die belangte Behörde fest, "dass die Wahl der Direktvergabe im Vergabeverfahren 'Sozialraumorientierung in der Stadt Graz im Bereich Jugendwohlfahrt' durch die Auftraggeberin (die nunmehr beschwerdeführende Partei) nicht zu Recht erfolgte".

Unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides verpflichtete die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei, dem Mitbeteiligten die entrichtete Pauschalgebühr zu ersetzen.

Begründend führte die belangte Behörde - soweit für die vorliegende Entscheidung von Interesse - aus, der Mitbeteiligte habe am 4. Dezember 2009 einen Antrag auf Einleitung eines Feststellungsverfahrens "gemäß § 3 Abs 3 Z 3 lit b StVergRG" eingebracht. Dieser Antrag beziehe sich auf das Pilotprojekt "Sozialraumorientierung in der Stadt Graz im Bereich Jugendwohlfahrt", welches auf Verträgen zwischen dem Land Steiermark und der beschwerdeführenden Partei beruhe.

Der Mitbeteiligte habe vorgebracht, die beschwerdeführende Partei beabsichtige, in den im Rahmen dieses Projekts einzurichtenden "Sozialräumen" insgesamt vier verschiedene Typen von freien Trägern der Jugendwohlfahrt einzusetzen, welche sich insbesondere in der Finanzierung unterschieden, nämlich Schwerpunktträger, Kernteamträger, assoziierte Träger sowie Träger mit zentralem Leistungsangebot. Der Mitbeteiligte sei Träger einer Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt im Sinn des § 10 Stmk. Jugendwohlfahrtsgesetz 1991 und könne aufgrund seiner Eignung sowohl als Schwerpunktträger, Kernteamträger, assoziierter Träger oder auch als Träger mit zentralem Leistungsangebot eingesetzt werden, wobei er ein vitales Interesse daran habe, als Schwerpunktträger bzw. Kernteamträger eingesetzt zu werden. Wie auch anderen Trägern der freien Jugendwohlfahrt sei dem Mitbeteiligten allerdings mit E-Mail vom 9. November 2009 von der beschwerdeführenden Partei lediglich angeboten worden, sich am Pilotprojekt als assoziierter Träger oder als Träger mit zentralem Leistungsangebot zu beteiligen; als Anlage sei diesem E-Mail eine Auflistung der von der beschwerdeführenden Partei bereits vorgesehenen Schwerpunkt- und Kernteamträger pro Sozialraum angeschlossen gewesen. Offenkundig seien die entsprechenden Aufträge bereits an diese vergeben worden.

Nach Wiedergabe von Normen des BVergG 2006 sowie des Stmk. Vergaberechtsschutzgesetzes (StVergRG), darunter § 3 Abs. 3 Z. 3 lit. a und b StVergRG, führte die belangte Behörde weiter im Wesentlichen aus, die Tätigkeiten eines Trägers einer Einrichtung der freien Jugendwohlfahrt seien als nicht prioritäre Dienstleistungen im Sinn des Anhanges IV zum BVergG 2006 (und zwar in der Kategorie 25 - "Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen") zu qualifizieren; der Beschaffungsvorgang und die von der beschwerdeführenden Partei mit Trägern der Jugendwohlfahrt abgeschlossenen Rahmenverträge unterlägen der Richtlinie 2004/18/EG (Vergaberichtlinie 2004) sowie dem BVergG 2006.

Die beschwerdeführende Partei, die im Vergabekontrollverfahren zwar vier Kriterien für die Auswahl des jeweiligen Bewerbers (als Kernteamträger, Schwerpunktträger etc.) angeführt, allerdings auch angegeben habe, dass sie "bewusst keine punktemäßige Bewertung" der einzelnen Interessenten durchgeführt habe, um eine "lineare Bewertung" zu vermeiden, habe "zweifelsohne ein intransparentes und den Bestimmungen der Vergabegesetze zuwiderlaufendes Vorgehen bei der Vergabe der gegenständlichen Leistungen gewählt" und "zu Unrecht - wie aus dem Spruch ersichtlich - ohne Verfahrensbeteiligung weiterer Unternehmerinnen/Unternehmer direkt an die im Spruch genannten Unternehmerinnen/Unternehmer die verfahrensgegenständlichen Leistungen vergeben". "Zur Feststellung gemäß § 17 Abs 1 Z 4 StVergRG" führte die belangte Behörde weiters aus, in das Verfahren vor Abschluss der mit den Mitbewerbern des Mitbeteiligten geschlossenen Verträge sei dieser nicht einbezogen worden; die beschwerdeführende Partei habe "offensichtlich kein vergabegesetzkonformes Verfahren" durchgeführt und der Mitbeteiligte daher keine Chance gehabt, "als Schwerpunktträger oder Kernteamträger zum Zuge zu kommen".

Infolge des Obsiegens des Mitbeteiligten im Verfahren habe dieser Anspruch auf Ersatz der Pauschalgebühr.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch der Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt darin die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf das gegenständliche Feststellungsverfahren ist das Stmk. Vergaberechtsschutzgesetz (StVergRG), LGBl. Nr. 154/2006 idF vor der Novelle LGBl. Nr. 28/2010, anzuwenden (weil das vorliegende Vergabeverfahren bereits vor Inkrafttreten dieser Novelle eingeleitet wurde; vgl. § 28a der Novelle).

2. Das StVergRG in der somit maßgeblichen Fassung des LGBl. Nr. 154/2006 lautet auszugsweise wie folgt:

"Zuständigkeiten

§ 3. (1) Der Unabhängige Verwaltungssenat ist auf Antrag zuständig zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt).

(…)

(3) Nach Zuschlagserteilung ist der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig

(…)

3. im Rahmen der von der Antragstellerin/dem Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte zur Feststellung, ob

a) bei Direktvergaben und bei Vergabeverfahren ohne vorherige Bekanntmachung die Wahl des Vergabeverfahrens nicht zu Recht erfolgte oder

b) eine Zuschlagserteilung, die ohne Verfahrensbeteiligung weiterer Unternehmerinnen/Unternehmer direkt an eine Unternehmerin/einen Unternehmer erfolgte, auf Grund der bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens offenkundig unzulässig war.

(…)

4. Abschnitt

Feststellungsverfahren

Einleitung des Feststellungsverfahrens

§ 17. (1) Eine Unternehmerin/Ein Unternehmer, die/der ein Interesse am Abschluss eines den bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihr/ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist, die Feststellung beantragen, dass

1. die Wahl der Direktvergabe oder eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung wegen eines Verstoßes gegen bundesgesetzliche Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens oder die hiezu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht rechtswidrig war oder

(…)

4. eine Zuschlagserteilung, die ohne Verfahrensbeteiligung weiterer Unternehmerinnen/Unternehmer direkt an einen Unternehmer erfolgte, auf Grund der Bestimmungen bundesgesetzlicher Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens offenkundig unzulässig war.

(…)

Inhalt des Feststellungsantrages

§ 19. Ein Feststellungsantrag hat jedenfalls zu enthalten:

(…)

6. die bestimmte Bezeichnung des Rechts, in dem sich die Antragstellerin/der Antragsteller als verletzt erachtet,

(…)

  1. 8. ein bestimmtes Begehren (…)"
  2. 3. Die Beschwerde bringt unter anderem vor, die belangte Behörde habe entgegen § 59 Abs. 1 AVG die von ihr angewendeten Gesetzesbestimmungen nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführt. Der Spruch sei auch nicht im Sinn dieser Bestimmung deutlich gefasst; auch unter Heranziehung der Begründung des angefochtenen Bescheides werde nicht hinreichend klar, ob die belangte Behörde lediglich die Rechtswidrigkeit der Wahl der Direktvergabe nach § 17 Abs. 1 Z. 1 StVergRG feststellen oder sowohl eine Feststellung nach dieser Bestimmung als auch nach § 17 Abs. 1 Z. 4 StVergRG (Feststellung der offenkundigen Unzulässigkeit einer Zuschlagserteilung) treffen habe wollen.

    4. Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

4.1. Gemäß § 59 Abs. 1 erster Satz AVG hat der Spruch die in Verhandlung stehende Angelegenheit und alle die Hauptfrage betreffenden Parteianträge, ferner die allfällige Kostenfrage in möglichst gedrängter, deutlicher Fassung und unter Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen, und zwar in der Regel zur Gänze, zu erledigen.

Nach dem in dieser Bestimmung normierten Determinierungsgebot muss aus dem Spruch klar und unzweideutig hervorgehen, worüber und wie entschieden wurde. Ist der Spruch entgegen diesen Anforderungen in sich widersprüchlich bzw. können verschiedene Spruchpunkte nicht logisch nebeneinander bestehen, so belastet dies den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 59 Rz 86, 98 mit Hinweisen aus der hg. Rechtsprechung).

4.2. Der Spruch des vorliegend angefochtenen Bescheides ist im obigen Sinne in sich widersprüchlich.

Unter ein- und demselben Spruchpunkt I. nimmt der angefochtene Bescheid zunächst - stattgebend - auf den verfahrenseinleitenden Antrag des Mitbeteiligten nach § 17 Abs. 1 Z. 4 StVergRG (welcher entsprechend dieser Bestimmung auf die Feststellung der offenkundigen Unzulässigkeit der Zuschlagserteilung abzielte) Bezug, um sodann allerdings eine § 17 Abs. 1 Z. 1 StVergRG entsprechende Feststellung zu treffen (im Übrigen, ohne dass ein derartiger Antrag vorgelegen wäre; vgl. § 19 Z. 8 StVergRG sowie zur Bindung an das im Feststellungsantrag enthaltene Begehren das zum Blgd. Vergaberechtsschutzgesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 14. März 2012, Zl. 2008/04/0228, mwN).

Bei dieser Spruchgestaltung bleibt offen, welche der beiden Feststellungen (§ 17 Abs. 1 Z. 1 oder § 17 Abs. 1 Z. 4 StVergRG) getroffen werden sollte.

5. Bereits aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

6. Mangels Einbringung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt kommt ein Ersatz des Schriftsatzaufwandes nicht in Betracht (§ 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG).

Wien, am 6. März 2013

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