VwGH 2012/21/0246

VwGH2012/21/024613.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 4, gegen den

2. Spruchpunkt des Bescheides der Bundespolizeidirektion Linz vom 3. August 2012, Zl. 1048210/FRB, betreffend Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §65b idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §70 Abs3 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §2 Abs4 Z12 idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §65b idF 2011/I/038;
FrPolG 2005 §70 Abs3 idF 2011/I/038;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der 1972 geborene Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Dominikanischen Republik, befindet sich seit Oktober 2005 in Österreich und ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Der Ehe entstammen fünf Kinder, die ebenfalls österreichische Staatsbürger sind.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 18. Jänner 2012 wurde der Beschwerdeführer - als Zusatzstrafe zu einer deutschen Verurteilung - zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Dem lag im Wesentlichen zugrunde, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau als Mitglied einer Verbindung einer größeren Zahl von Menschen im Zeitraum Anfang 2007 bis April 2009 in einer Vielzahl von Schmuggelfahrten weit mehr als 100 kg Kokain nach Österreich transportierte und hier an seine Auftraggeber übergab, teils jedoch auch selbst Teilmengen durch gewinnbringenden Verkauf in Verkehr setzte.

Angesichts dieses Fehlverhaltens verhängte die Bundespolizeidirektion Linz (die belangte Behörde) gegen den Beschwerdeführer gemäß § 65b iVm § 67 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot (1. Spruchpunkt des Bescheides vom 3. August 2012). Im angefochtenen 2. Spruchpunkt des genannten Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG von Amts wegen kein Durchsetzungsaufschub erteilt werde.

Der Beschwerdeführer, der gegen das Aufenthaltsverbot nach der Aktenlage keine Berufung eingebracht hatte, erhob gegen beide Spruchpunkte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser wies die Beschwerde mit Beschluss vom 10. Oktober 2012, B 1155/12-3, soweit sie sich gegen die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots richtete, zurück. Im Übrigen (Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes) lehnte er die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie über gesonderten Antrag des Beschwerdeführers, wobei zugleich eine Beschwerdeergänzung vorgenommen wurde, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Dieser hat über die abgetretene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer ist als Ehemann Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 65b FPG kommt auf ihn demnach (u.a.) bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme § 70 Abs. 3 FPG - der die Regelung des § 70 Abs. 1 FPG voraussetzt bzw. daran anknüpft - zur Anwendung. § 70 Abs. 1 und Abs. 3 FPG lauten, in der hier maßgeblichen Fassung des FrÄG 2011, wie folgt:

"Ausreiseverpflichtung und Durchsetzungsaufschub

§ 70. (1) Die Ausweisung und das Aufenthaltsverbot werden spätestens mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar; der Fremde hat dann unverzüglich auszureisen. Der Eintritt der Durchsetzbarkeit ist für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde.

(2) …

(3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

(4) …"

Unter Bezugnahme auf die eben zitierten Regelungen begründete die belangte Behörde den bekämpften 2. Spruchpunkt ihres Bescheides vom 3. August 2012 damit, dass der Beschwerdeführer die seiner Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten begangen habe, um seine finanzielle Situation aufzubessern; es müsse daher mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass er erneut straffällig werde, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Somit sei die sofortige Durchsetzbarkeit des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes nach der Entlassung aus der Strafhaft im Interesse der öffentlichen Ordnung dringend erforderlich, "weshalb die aufschiebende Wirkung abzuerkennen war". Auf Grund der Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Verbrechen sei eine Gefährdungsprognose dahingehend zu erstellen, dass sein Aufenthalt nach Haftentlassung für ein weiteres Monat die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde. Dies vor allem deshalb, da im Hinblick auf sein bisheriges kriminelles Verhalten in Österreich mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, dass er auch nach seiner Entlassung erneut strafbare Handlungen begehen werde, um sich wiederum seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Im Übrigen diene die Einräumung des Durchsetzungsaufschubes der Vorbereitung und Organisation der Ausreise. Mangels nennenswerten Bezugs zu Österreich bedürfe die Ausreise des Beschwerdeführers aber "keinerlei Vorbereitung wie etwa Kündigung einer Wohnung etc.".

Der Beschwerdeführer tritt diesen Erwägungen vor allem insoweit entgegen, als er auf seine familienrechtliche Bindung mit österreichischen Staatsbürgern verweist. Seine Ausreise bedürfe daher jedenfalls einer Vorbereitungszeit.

Ob das zutrifft, ist indes unerheblich. Zwar dient der im § 70 Abs. 3 FPG vorgesehene einmonatige Dursetzungsaufschub seiner Zielsetzung nach der Vorbereitung und Organisation der Ausreise. Tatbestandsmerkmal ist dieser Zweck, der vom Gesetzgeber beim erfassten Personenkreis in vertypter Weise als vorliegend unterstellt wird, jedoch nicht. Ein Durchsetzungsaufschub nach § 70 Abs. 3 FPG wäre daher, wenn sich die sofortige Ausreise des Fremden im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht als erforderlich erweist, unabhängig von konkret erforderlichen Vorbereitungen für eine Ausreise zu gewähren.

Letzteres hat zwar offenkundig auch die belangte Behörde verkannt. Die Nichterteilung des Durchsetzungsaufschubes hat sie aber ohnehin nicht tragend mit nicht erforderlicher Vorbereitungszeit begründet (vgl. "im Übrigen").

Maßgeblich war vielmehr die Überlegung, angesichts des von ihr zuvor näher dargestellten strafrechtlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und des darin zum Ausdruck kommenden unlauteren Gewinnstrebens sei im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die sofortige Durchsetzbarkeit des über ihn verhängten Aufenthaltsverbotes (also seine sofortige Ausreise) nach Verbüßung der Strafhaft dringend erforderlich. Dem kann angesichts der besonders massiv und in verschiedenen Qualifikationen zutage getretenen Suchtgiftdelinquenz des Beschwerdeführers - gegen die dazu getroffenen behördlichen Feststellungen wendet er sich nicht - nicht mit Erfolg entgegengetreten werden (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall das - wenngleich noch zu § 86 Abs. 3 FPG in der Fassung vor dem FrÄG 2011 ergangene, auf die aktuelle Rechtslage aber uneingeschränkt übertragbare - hg. Erkenntnis vom 31. März 2008, Zl. 2008/21/0127). Die auf keine näheren Argumente gestützte gegenteilige Annahme des Beschwerdeführers vermag der Beschwerde daher nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2012

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