Normen
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
MRK Art8;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §120 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
MRK Art8;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die (seit 11. November 2006 geschiedene) Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, lebt seit 1970 in Österreich, wo sie bis zu ihrer Pensionierung arbeitete und wo sich auch ihre Kinder und Enkelkinder aufhalten.
Über Antrag vom 20. April 2010 erteilte ihr die Bundesministerin für Inneres mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 26. November 2010 gemäß § 46 Abs. 4 NAG eine bis zum 28. September 2011 geltende "Niederlassungsbewilligung - beschränkt". Begründend wurde u.a. ausgeführt, die Gültigkeit des der Beschwerdeführerin zuletzt erteilten Aufenthaltstitels sei (bereits) 2007 abgelaufen. Die Erteilung eines (neuen) Aufenthaltstitels sei aber gemäß § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 EMRK geboten. Ihr sei daher die Ausreise aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nicht zumutbar gewesen, sodass die Antragstellung im Inland zugelassen werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. Oktober 2011 bestätigte die belangte Behörde eine Bestrafung der Beschwerdeführerin, weil sie sich am 1. Juli 2010 nicht rechtmäßig (insbesondere ohne Aufenthaltstitel) in Salzburg aufgehalten habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerdeführerin verweist auf ihre, von der Niederlassungsbehörde gebilligte Argumentation, dass ihr aufgrund ihres vierzigjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie der erwähnten familiären Bindungen eine Ausreise nicht zugemutet werden konnte, sodass vom Vorliegen eines Strafausschließungsgrundes auszugehen sei.
Damit zeigt sie eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
Es ist nämlich nicht zu sehen, dass eine (hypothetische) Ausweisung der Beschwerdeführerin am 1. Juli 2010 gerechtfertigt hätte sein können. Das muss sich auch auf die Strafbarkeit ihres inländischen Aufenthaltes auswirken. Denn wären auch Fremde, die derart gravierende private und familiäre Bindungen in Österreich haben, dass ihr Interesse an deren Aufrechterhaltung die entgegenstehenden öffentlichen Interessen an einer Ausweisung überwiegt, von der Strafdrohung der angewendeten Norm erfasst, so läge darin ein dem Gesetzgeber nicht zusinnbarer Wertungswiderspruch. Es muss daher das Vorliegen eines gesetzlichen Strafausschließungsgrundes nach § 6 VStG angenommen werden, wenn einer Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Weg steht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Februar 2012, Zl. 2010/21/0049, mwN).
In Verkennung dieser Rechtslage hat die belangte Behörde die Zulässigkeit einer Ausweisung der Beschwerdeführerin bezogen auf den Tatzeitraum ungeprüft gelassen (laut ihrem Vorbringen lag zudem eine Erkrankung vor, die eine Ausreise unmöglich machte). Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, sodass dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am 13. Dezember 2012
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