VwGH 2012/18/0166

VwGH2012/18/016612.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des AM in W, vertreten durch Dr. Elmar Kresbach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 4/4/29, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. März 2010, Zl. SD 999/03, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z10;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z10;
FrPolG 2005 §66;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, ein auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 10 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt in Österreich eingereist. Seit 13. September 2001 sei er im Bundesgebiet gemeldet. Das Bezirksgericht Döbling habe mit Beschluss vom 12. März 2002 seine Annahme an Kindes statt durch den österreichischen Staatsbürger R bewilligt. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen.

Gestützt auf die Adoption habe der Beschwerdeführer am 18. Juli 2002 die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" eingebracht.

Im vorliegenden Fall sei aber davon auszugehen, dass das die Adoption genehmigende Gericht vom Beschwerdeführer über das Bestehen einer Eltern-Kind-Beziehung getäuscht worden sei.

Im Weiteren legte die belangte Behörde ihre beweiswürdigenden Überlegungen dar.

Es sei - so die belangte Behörde in ihren rechtlichen Erwägungen - der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 10 FPG erfüllt. Der Missbrauch des Rechtsinstituts der Annahme an Kindes statt zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle aber auch eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar. Dies rechtfertige die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 86 Abs. 1 FPG. Der Verhinderung und Bekämpfung solcher Adoptionen komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu.

Zur Beurteilung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer halte sich seit mehr als acht Jahren in Österreich auf. Er verfüge aber über keine familiären Bindungen im Bundesgebiet. Seit 12. November 2003 gehe er durchgehend einer Beschäftigung nach. Es sei daher von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dieser Eingriff sei aber zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, somit zum Erreichen eines im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zieles, dringend geboten. Wer in einer Weise, wie es der Beschwerdeführer getan habe, rechtsmissbräuchlich vorgehe, um sich fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die die Erlassung des Aufenthaltsverbots zum Schutz der öffentlichen Ordnung notwendig erscheinen ließen. Das Gewicht der durch die bisherige Beschäftigung und den achtjährigen Aufenthalt erzielten Integration des Beschwerdeführers werde insofern wesentlich geschmälert, als er die bevorzugte Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nur auf die Adoption habe zurückführen und nur deswegen einer unselbständigen Erwerbstätigkeit habe nachgehen können. Sein bisheriger Aufenthalt erweise sich "als vollkommen" unrechtmäßig. Sohin hätten seine privaten Interessen gegenüber dem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens in den Hintergrund zu treten. Bei Abwägung der Interessenlagen ergebe sich, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet keinesfalls schwerer wögen als das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung.

Schließlich legte die belangte Behörde noch ihre Erwägungen zur Ermessensübung und der Festlegung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (10. März 2010) nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.

Der gegenständliche Fall gleicht darin, dass es im Berufungsverfahren zu einem mehrjährigen Verfahrensstillstand - von Oktober 2003 bis kurz vor der am 10. März 2010 erfolgten Erlassung des angefochtenen Bescheides - gekommen ist, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2012/18/0173, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Auch im vorliegenden Fall wäre es im Hinblick auf die seit der erstinstanzlichen Entscheidung vergangene Zeit geboten gewesen, die Entscheidungsgrundlage zu verbreitern, um die dem Gesetz entsprechende Beurteilung einerseits hinsichtlich einer vom Beschwerdeführer (allenfalls: immer noch) ausgehenden maßgeblichen Gefahr andererseits hinsichtlich der Voraussetzungen nach § 66 FPG vornehmen zu können. Dies hat die belangte Behörde aber nicht getan, sondern vor Erlassung des angefochtenen Bescheides lediglich einen "Versicherungsdatenauszug" eingeholt.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deswegen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben. Auf das Beschwerdevorbringen zur behördlichen Beweiswürdigung musste bei diesem Ergebnis nicht weiter eingegangen werden.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf die Erstattung von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil im in der genannten Verordnung für Schriftsatzaufwand festgelegten Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 12. Dezember 2012

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