VwGH 2012/16/0133

VwGH2012/16/013313.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Köller, Dr. Thoma und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Wagner, über die Beschwerde des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 5, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 15. Juni 2012, Zl. RV/0558-S/08, betreffend Gesellschaftsteuer (mitbeteiligte Partei: A in W, vertreten durch die Deloitte Tax Wirtschaftsprüfungs GmbH, in 1010 Wien, Renngasse 1/Freyung), zu Recht erkannt:

Normen

31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 litb;
32008L0007 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art3 lith;
61988CJ0038 Waldrich Siegen VORAB;
KVG 1934 §2 Z4 lita;
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs2 litb;
32008L0007 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art3 lith;
61988CJ0038 Waldrich Siegen VORAB;
KVG 1934 §2 Z4 lita;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die E. C und die E. (in der Folge: die Gesellschafter) erklärten mit Schreiben vom 11. und 23. Mai 2006 gegenüber der Mitbeteiligten gleichlautend,

"(i)n Anbetracht der geänderten Umstände bekräftigen wir hiermit die im gegebenen Zusammenhang von uns übernommenen Verpflichtungen und sagen Ihnen unwiderruflich zu, die Hälfte der X treffenden Verbindlichkeiten im Fall der Optionsausübung (in welchem Zeitpunkt auch immer, auch vor 2008) gegenüber der Österreichischen X-banken-AG, der Y.-bank AG und der Z Investmentbank (gemeinsam die "Kreditinstitute") entweder (indirekt) durch Zurverfügungstellung der dafür notwendigen Mittel in Form eines unwiderruflichen unbedingten nicht rückforder- und nicht rückzahlbaren Gesellschafterzuschusses oder direkt durch Übernahme der entsprechenden Verbindlichkeiten gegenüber den erwähnten Kreditinstituten spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen und X in diesem Umfang schad- und klaglos zu halten"

Weiters gaben die beiden Gesellschafter im Juli 2006 gegenüber dort näher bezeichneten Banken folgende "Verpflichtungserklärung" ab:

"Präambel

I.

Uns ist bekannt, dass im Zusammenhang mit der Finanzierung der A. GmbH, nunmehr …, zwischen der X. Bank AG, der Y-banken-Aktiengesellschaft, der Z Investmentbank AG, der (Mitbeteiligten) sowie der A. GmbH …, Verträge abgeschlossen wurden, insbesondere am 14.4.2000 ein Emissionsvertrag samt zugehöriger Putoptionen ('Putoption Investor', 'Putoption VBIB', 'Putoption Holding GmbH') und Calloption ('Calloption ') für das Jahr 2008.

II.

Es erfolgte gemäß Punkt 3 der 'Putoption Investor' die Ausstellung von Einzelputoptionen zugunsten der obgenannten, weiteren Investoren, d.s. ...

III.

Bei Ausübung dieser Optionen ist die (Mitbeteiligte) verpflichtet die ihr aufgrund der Optionen angebotenen Genussrechte an der A. Holding GmbH sowie an der A. GmbH, nunmehr …, bzw. Gesellschaftsanteile an der A. Holding GmbH zu kaufen.

IV.

Weiters ist uns bekannt, dass Ihnen unser Schreiben vom 11.5.2006 (E. C) sowie vom 23.5.2006 (E.) an die (Mitbeteiligte) in Kopie vorliegt, indem wir uns verpflichten bei einer allfälligen Optionsausübung die (Mitbeteiligte) finanziell derart auszustatten, dass sie ihre Verpflichtungen aus der Optionsrückführung erfüllen kann bzw. dass wir diese erfüllen werden.

Verpflichtungserklärung

I.

Dies vorausgeschickt verpflichten wir, die E. C sowie die E., uns Ihnen gegenüber hiermit ausdrücklich und unwiderruflich, je zu Hälfte, unsere Tochtergesellschaft

(die Mitbeteiligte), …

entweder durch die Zurverfügungstellung der dafür notwendigen Mittel, in Form eines unwiderruflichen unbedingten, nicht rückforder- und nicht rückzahlbaren Gesellschafterzuschusses so auszustatten, dass sie selbst die sie aus der Ausübung der genannten Optionen (in welchem Zeitpunkt auch immer, auch vor 2008) treffenden Verbindlichkeiten Ihnen gegenüber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit erfüllen kann oder dass wir selbst die entsprechenden Verbindlichkeiten durch Bezahlung spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit erfüllen werden.

II.

Diese unsere Erklärung ist unbedingt und unwiderruflich."

Schließlich schlossen die beiden Gesellschafter im März 2008 mit der Mitbeteiligten (hier auch: A) folgende "Vereinbarung":

"PRÄAMBEL

1. Im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbs der M.- Märkte wurden im Jahr 2000 basierend auf dem Emissionsvertrag vom 14.04.2000 von der A. GmbH sowie von der A. Holding GmbH (im Folgenden 'A. Holding') sozietäre Genussscheine jeweils im Gesamtnennbetrag von ATS 25.000.000,-- emittiert, Die von der A. GmbH emittierten Genussscheine wurden zu 100 % von der A. Holding gezeichnet; die von der A. Holding emittierten Genussscheine wurden von der Österreichischen X.-banken-AG und der Y. Bank AG gezeichnet beziehungsweise bei diversen anderen österreichischen Banken platziert (… gemeinsam im Folgenden 'Banken' genannt). Den Banken als Genussscheininhabern wurde seitens A das Recht eingeräumt, die Genussrechte an der A. Holding der A zum 14.04.2008 anzudienen. Mit Optionsausübung (die zum Teil bereits erfolgt ist) wird A verpflichtet, die Genussrechte abzulösen, wodurch A eine Zahlungsverpflichtung von insgesamt rund EUR 18,622.414,-- entsteht.

2. Im Jahr 2002, bekräftigt im Jahr 2006 haben sich E. und E.

C unwiderruflich verpflichtet und zugesagt, die A im Falle der Optionsausübung durch die Genussscheininhaber treffenden Verbindlichkeiten je zur Hälfte schad- und klaglos zu halten.

Dies vorausgeschickt, vereinbaren die Vertragsparteien die Abwicklung wie folgt:

I.

Zuschüsse

1. E. und E. C werden die übernommene Verpflichtung, die A von den Verbindlichkeiten aus der Optionsausübung durch die Banken (Andienung der Genussrechte) schad- und klaglos zu halten dadurch erfüllen, dass sie an A zur Abdeckung des der A aufgrund der Optionsausübung durch die Banken entstehenden Aufwandes einen unwiderruflichen, nicht rückforder- und nicht rückzahlbaren Zuschuss in der Höhe von je 50 % des Aufwandes, sohin je EUR 9.311.207,-- leisten.

2. Die Vertragsparteien gehen davon aus, dass durch die Zuschüsse lediglich Aufwand auf Seiten der A und damit eine (weitere) Entwertung der Anteile an der A verhindert, nicht hingegen der Wert der Gesellschaftsrechte an der A erhöht wird und somit die Zuschüsse nicht der Gesellschaftsteuer unterliegen.

3. Für den Fall, dass für die Zuschüsse dennoch Gesellschaftsteuer vorgeschrieben wird, verpflichten sich E. und

E. C unwiderruflich einen weiteren Zuschuss in Höhe von je 50 % des Gesellschaftsteuerbetrages für die Zuschüsse gemäß Abs (1) an

A zu leisten.

4. ...

II

Nebenbestimmungen

1. Diese Vereinbarung gibt die Absprachen der Vertragsparteien in Bezug auf die Erfüllung der von E. und E. C in Zusammenhang mit den Genussrechten übernommenen Verpflichtungen richtig und vollständig wieder.

2. Änderungen und/oder Ergänzungen dieser Vereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die Schriftform ist auch für ein Abgehen von diesem Schriftformerfordernis einzuhalten.

3. Diese Vereinbarung unterliegt materiellem österreichischem Recht unter Ausschluss sämtlicher Verweise in andere Rechtsordnungen, sofern solche im nationalen Privatrecht vorgesehen sind. Gerichtsstand ist W.

4. … "

Mit Schriftsatz vom 22. April 2008 erklärte die Mitbeteiligte gegenüber dem Finanzamt Salzburg-Land (als Abgabenbehörde erster Instanz), dass die beiden Gesellschafter am 10. d.M. einen Zuschuss von jeweils EUR 9.311.207,- an die Mitbeteiligte geleistet hätten. Die Anzeige dieses Sachverhaltes erfolge lediglich zu "Informationszwecken", da die Zuschüsse von insgesamt EUR 18.622.414,- ihres Erachtens mangels Verwirklichung des Tatbestandes des § 2 Z. 4 KVG "keine Gesellschaftsteuer" auslösten.

Mit Gesellschaftsteuerbescheid vom 9. Juli 2008 setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegenüber der Mitbeteiligten für die Gesellschafterzuschüsse vom 10. April 2008 Gesellschaftsteuer mit dem Betrag von EUR 186.224,14 fest. Eine in einem Syndikatsvertrag bei Eintritt bestimmter Bedingungen vorgesehene Einschussverpflichtung zur Abdeckung des negativen Eigenkapitals sei - so die Begründung - nicht mit einem Ergebnisabführungsvertrag vergleichbar. Der Erhebung der Gesellschaftsteuer für einen in Erfüllung einer derartigen Verpflichtung geleisteten Zuschuss stehe nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 28. März 1990 in der Rechtssache C-38/88 - Siegen, da mit der Leistung des Zuschusses das Gesellschaftsvermögen (und damit das Wirtschaftspotential der Gesellschaft) wieder erhöht werde.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat die Mitbeteiligte im Wesentlichen die Ansicht, die Zuschüsse der Gesellschafter stellten zwar grundsätzlich eine Leistung im Sinn des § 2 Z. 4 lit. a KVG dar. Allerdings falle hiefür keine Gesellschaftsteuer an, weil diese Leistungen keine Erhöhung des Wertes der Gesellschaftsrechte an der Mitbeteiligten bewirkt hätten. Vielmehr sei lediglich eine für Zwecke der Gesellschaftsteuer unbeachtliche Entwertung der Anteile der Mitbeteiligten verhindert worden: Der infolge des Erwerbs der wertlosen Genussrechte entstandene Aufwand bei der Mitbeteiligten (Abschreibung auf EUR 1,--) und der damit verbundene Wertverlust der Anteile an der Mitbeteiligten sei durch die Zuschussleistungen der Gesellschafter vorweggenommen worden. Eine solche Verhinderung des Wertverfalls von Gesellschaftsrechten sei jedoch nicht gesellschaftsteuerpflichtig. Dies lasse sich auch aus dem zitierten Urteil des EuGH vom 28. März 1990 ableiten.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 9. September 2008 wies die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung gegen den Erstbescheid als unbegründet ab, worauf die Mitbeteiligte - unter Aufrechterhaltung ihres Standpunktes - die Entscheidung durch die belangte Behörde durch ersatzlose Aufhebung des Gesellschaftsteuerbescheides vom 9. Juli 2008 beantragte.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob den Gesellschaftsteuerbescheid vom 9. Juli 2008 auf. Begründend führte sie nach kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung der maßgebenden Bestimmungen der Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008, des Kapitalverkehrsteuergesetzes, weiters aus dem Urteil des EuGH vom 1. Dezember 2011, C-492/10 - Immobilien Linz GmbH und Co KG, sowie von Literatur zu diesem Urteil aus, für den vorliegenden Sachverhalt bedeute dies, dass die von der Mitbeteiligten ohnedies nur aus rechtlicher Vorsicht erstattete Meldung nach dem Kapitalverkehrsteuergesetz zu keiner Belastung mit Gesellschaftsteuer führe, weil die Leistungen der beiden Gesellschafterinnen auf einer Patronatserklärung aus dem Jahr 2006 beruhten und nur die Abdeckung der Verluste aus dem von der Mitbeteiligten verpflichtend zugesagten Rückkauf der im Jahr 2000 von den Banken bezeichneten Genussrechte an der A. Holding GmbH zu einem festgelegten Preis am 14. April 2008 sichergestellt werden sollte, das Gesellschaftsvermögen der Mitbeteiligten nicht erhöht habe. Es liege somit kein steuerbarer Vorgang im Sinn des § 2 Z. 2 und 4 KVG vor. Der Berufung sei daher im Hinblick auf das zitierte Urteil des EuGH vom 1. Dezember 2011 stattzugeben gewesen.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Amtsbeschwerde beantragt das - nunmehr gemäß §§ 19 und 30 Abs. 4 AVOG 2010 zuständige - Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Weiters hat die Mitbeteiligte eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Amtsbeschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Amtsbeschwerde sieht die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Kern darin, dem vorliegenden Beschwerdefall liege ein von dem von der belangten Behörde zitierten Urteil des EuGH abweichender Sachverhalt zugrunde. Die beiden Gesellschafter hätten sich nicht dazu verpflichtet, einen künftigen Jahresverlust zu übernehmen, sondern der Mitbeteiligten zugesagt, jeweils die Hälfte der diese treffenden Verbindlichkeiten im Falle der Optionsausübung durch Zur-Verfügung-Stellung der dafür notwendigen Mittel in Form von Gesellschafterzuschüssen oder direkt durch Übernahme der Verbindlichkeiten gegenüber den Banken zu erfüllen. Es sei lediglich ein Zuschuss aus Anlass einer konkret heranstehenden Investition vereinbart worden, der mit einer Verlustübernahme oder Übernahme eines verlorenen Aufwandes aus einem einzelnen Geschäftsfall zunächst nichts gemein habe. Erst aus den Zusagen im Jahr 2008 ergebe sich, dass durch die Gesellschafterleistungen ausschließlich der erwartete Aufwand bzw. finanzielle Verlust der Mitbeteiligten aus einem einzelnen Geschäftsfall, der Übernahme der Genussrechte, ersetzt werden sollte. Darüber hinaus sei den Verpflichtungserklärungen nicht zu entnehmen, dass die Leistungen der Gesellschafter abhängig von wirtschaftlichen Ergebnissen der Mitbeteiligten gewesen wären. Es könne somit nicht davon gesprochen werden, dass die Gesellschafter die Verpflichtung zur Zuschussleistung eingegangen wären, um dadurch die Vermögensneutralität des Jahresergebnisses der Mitbeteiligten im Sinn der Rechtsansicht des EuGH zu gewährleisten.

Nach Art. 3 lit. h der für die beschwerdegegenständlichen Zuschüsse der Gesellschafter maßgebenden Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital gilt für die Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich von Art. 4 die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistung eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen, als "Kapitalzuführung".

Unbeschadet von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a darf nach Art. 7 Abs. 1 der genannten Richtlinie ein Mitgliedstaat, der am 1. Jänner 2006 eine Steuer auf Kapitalzuführungen für Kapitalgesellschaften, nachstehend "Gesellschaftssteuer" genannt, erhoben hat, dies fortsetzen, sofern sie den Art. 8 bis 14 entspricht.

Nach § 2 Z. 4 lit. a KVG unterliegen der Gesellschaftsteuer freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen.

In seinem Urteil vom 28. März 1990 in der Rechtssache C-38/88 - Siegen, führte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in Auslegung des Art. 4 der Richtlinie 69/335/EWG u. a. aus:

"10 Die zweite Frage des vorlegenden Gerichts geht der Sache nach dahin, ob die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrags das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG erhöht.

11 Nach dieser Vorschrift können nur solche Leistungen eines Gesellschafters einer Gesellschaftsteuer unterworfen werden, die es einer Kapitalgesellschaft ermöglichen, ihr Gesellschaftsvermögen zu erhöhen, ohne dadurch ihr Kapital zu erhöhen.

12 Das Gesellschaftsvermögen umfasst alle Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses. Erzielt eine Gesellschaft Gewinne und stellt sie diese in ihre Rücklagen ein, so erhöht sie dadurch ihr Gesellschaftsvermögen. Dagegen vermindert sich das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft, wenn sie mit Verlust abschließt.

13 Wenn also eine Gesellschaft mit Verlust abgeschlossen hat und einer ihrer Gesellschafter sich zur Übernahme dieses Verlustes bereit erklärt, so erbringt er dadurch eine Leistung, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird. Er bringt dieses nämlich wieder auf einen Stand, den es vor Eintritt des Verlustes erreicht hatte. Anders verhält es sich, wenn der Gesellschafter Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernimmt, die er schon vor deren Eintritt eingegangen war. Eine solche Verpflichtung bedeutet, dass sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Gesellschaftsvermögens auswirken werden.

14 Auf die zweite Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, dass die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter im Rahmen eines Ergebnisabführungsvertrags, der vor der Feststellung dieser Verluste geschlossen worden ist, nicht das Gesellschaftsvermögen dieser Gesellschaft im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital erhöht."

Weiters führte der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 1. Dezember 2011 in der Rechtssache C-492/10 - Immobilien Linz GmbH und Co KG, wiederum in Auslegung des Art. 4 Abs. 4 Buchst. b der genannten Richtlinie zum Fall des Zuschusses zur Abdeckung von im Jahr 2006 einer Gesellschaft entstandenen Verlusten u.a. aus:

"17 Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Übernahme von Verlusten einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter nur dann einen Vorgang darstellt, der das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 nicht erhöht, wenn sie in Erfüllung eines vor dem Eintritt der Verluste geschlossenen Ergebnisabführungsvertrags erfolgt, oder ob dies auch der Fall ist, wenn sie in Erfüllung einer im Vorhinein eingegangenen Verpflichtung des Gesellschafters erfolgt, mit der nur die Abdeckung der zukünftigen Verluste der Gesellschaft sichergestellt werden soll.

18 Vorab ist daran zu erinnern, dass nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 Leistungen eines Gesellschafters der Gesellschaftsteuer unterworfen werden können, die es einer Kapitalgesellschaft ermöglichen, ihr Gesellschaftsvermögen zu erhöhen, ohne eine Erhöhung des Kapitals mit sich zu bringen, und die geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen.

19 Zur ersten, die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens betreffenden Voraussetzung ist festzustellen, dass, da unter dem Gesellschaftsvermögen die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter, die die Gesellschafter zu einem gemeinsamen Ganzen vereinigt haben, einschließlich ihres Zuwachses zu verstehen ist, die Erhöhung dieses Vermögens daher grundsätzlich jede Form der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft umfasst (Urteil vom 30. März 2006, Aro Tubi Trafilerie, C-46/04 , … und die dort angeführte Rechtsprechung). Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter eine Leistung darstellt, durch die das Gesellschaftsvermögen erhöht wird, da sie dieses wieder auf einen Stand bringt, den es vor Eintritt der Verluste erreicht hatte (Urteil Siegen, Randnr. 13).

20 Zur zweiten, die Erhöhung des Werts der Gesellschaftsanteile betreffenden Voraussetzung ist festzustellen, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter dadurch, dass sie das Gesellschaftsvermögen wieder auf einen Stand bringt, den es vor Eintritt der Verluste erreicht hatte, zur Verstärkung des Wirtschaftspotenzials dieser Gesellschaft beiträgt. Eine solche Übernahme ist demnach als im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 geeignet anzusehen, den Wert der Gesellschaftsanteile der Gesellschaft zu erhöhen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Februar 1991, Deltakabel, C-15/89 , …, und Trave-Schifffahrtsgesellschaft, C- 249/89 , …).

21 Durch die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen ihrer Gesellschafter wird folglich das Gesellschaftsvermögen im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 erhöht.

22 Der Gerichtshof hat in den Randnrn. 13 und 14 des Urteils Siegen jedoch festgestellt, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter zwar als Leistung anzusehen ist, durch die sich das Vermögen der Gesellschaft erhöht, dass dies aber nicht gilt, wenn diese Übernahme auf einem vor Eintritt der Verluste geschlossenen Ergebnisabführungsvertrag beruht, da die damit eingegangene Verpflichtung bedeutet, dass sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Vermögens auswirken werden.

23 Aus dem Urteil Siegen geht hervor, dass der Gerichtshof für den Fall eine Ausnahme gemacht hat, dass der Gesellschafter die Verluste aufgrund einer Verpflichtung übernimmt, die er vor dem Eintritt dieser Verluste eingegangen ist, da eine solche Verpflichtung bedeutet, dass sich künftige Verluste der Gesellschaft nicht auf den Umfang ihres Vermögens auswirken werden. Diese Auslegung des Urteils Siegen wird bestätigt durch das Urteil vom 17. September 2002, Norddeutsche Gesellschaft zur Beratung und Durchführung von Entsorgungsaufgaben bei Kernkraftwerken (C-392/00 , …).

24 Diese Ausnahme ist dadurch gerechtfertigt, dass die Gesellschaft aufgrund der im Vorhinein von ihrem Gesellschafter zu ihren Gunsten eingegangenen Verpflichtung unabhängig von den Ergebnissen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit keine Verluste mehr verzeichnen kann, weil diese automatisch auf ihren Gesellschafter übertragen werden. In dem besonderen Fall, dass - wie im Ausgangsverfahren - eine solche Verpflichtung vor der Feststellung der Verluste der Gesellschaft eingegangen worden ist, steht fest, dass die Ergebnisse der wirtschaftlichen Tätigkeit der Gesellschaft keinen Einfluss auf ihr wirtschaftliches Potenzial haben.

25 Unter diesen Umständen ist die Erhebung von Gesellschaftsteuer auf den Vorgang der Übernahme der Verluste dieser Gesellschaft durch einen Gesellschafter nicht gerechtfertigt, da das Gesellschaftsvermögen nicht erhöht wird.

26 Mithin ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 69/335 dahin auszulegen ist, dass die Übernahme der Verluste einer Gesellschaft durch einen Gesellschafter in Erfüllung einer von ihm vor dem Eintritt dieser Verluste eingegangenen Verpflichtung, mit der nur die Abdeckung der Verluste sichergestellt werden soll, das Gesellschaftsvermögen nicht erhöht."

In seinem Urteil vom 30. März 1998, Zl. 97/16/0213 = Slg. 7.262/F, führte der Verwaltungsgerichtshof zum Fall eines Gewinn- und Verlust-Ausschließungsvertrages und zur Frage der Feststellung des Abschlusses des Verlustes der Gesellschaft vor dem Hintergrund des zitierten Urteils des EuGH vom 28. März 1990 tragend aus, dass es nach der ausdrücklichen Aussage des zitierten Urteils des EuGH auf die Feststellung des Verlustes im Rahmen des Jahresabschlusses - und nicht auf die "Entstehung" des Verlustes - ankommt.

Im vorliegenden Beschwerdefall hatten die Gesellschafter der Mitbeteiligten schon in ihren Schreiben vom Mai 2006 zugesagt, die Hälfte der die Mitbeteiligte treffenden Verbindlichkeiten im Fall der Optionsausübung gegenüber den Kreditinstituten entweder durch Zur-Verfügung-Stellung der dafür notwendigen Mittel in Form von Gesellschafterzuschüssen oder direkt durch Übernahme der entsprechenden Verbindlichkeiten gegenüber den Kreditinstituten spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen und die Mitbeteiligte in diesem Umfang schad- und klaglos zu halten. In der Verpflichtungserklärung vom Juli 2006 verpflichteten sich die Gesellschafter gegenüber der Mitbeteiligten, diese entweder durch Gesellschafterzuschüsse so auszustatten, dass diese selbst sie aus der Ausübung der genannten Optionen treffenden Verbindlichkeiten erfüllen könne oder dass die Gesellschafter selbst die entsprechenden Verbindlichkeiten erfüllen würden. Dies bekräftigten die Gesellschafter in ihrer Vereinbarung mit der Mitbeteiligten vom 13. März 2008.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die beschwerdegegenständlichen Zuschüsse ohne die Feststellung eines Verlustes im Rahmen eines Jahresabschlusses der Mitbeteiligten erfolgten, sondern in exakt jener Höhe, die die Mitbeteiligte aufwenden musste, um Ansprüche aus der Ausübung der in Rede stehenden Optionen zu befriedigen. Die beschwerdegegenständlichen Leistungen der Gesellschafter waren daher weder dem Grunde noch der Höhe nach von der Feststellung eines Verlustes in einem Jahresabschluss der Mitbeteiligten abhängig. Damit handelte es sich bei den beschwerdegegenständlichen Leistungen nicht um eine im Sinne der zitierten Rechtsprechung vor Feststellung eines Verlustes im Rahmen eines Jahresabschlusses eingegangene Verpflichtung zur Übernahme eines solchen Verlustes, sondern um die Verpflichtung zur Tragung eines die Gesellschaft treffenden Aufwandes, unabhängig davon, ob der Aufwand - ohne die Leistung der Gesellschafter - im Jahresabschluss der Gesellschaft (der Mitbeteiligten) zur Gänze oder zum Teil als verlustkausal zu Buche schlagen würde oder nicht. Die in Rede stehenden Verpflichtungen und Leistungen der Gesellschafter waren vielmehr ergebnisunabhängig, womit sich allfällige künftige Verluste der Mitbeteiligten sehr wohl auf das Gesellschaftsvermögen auswirken konnten.

Damit handelte es sich bei den beschwerdegegenständlichen Zuschüssen der Gesellschafter an die Mitbeteiligte um Leistungen im Sinn des § 2 Z. 4 lit. 4 KVG.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid - unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 13. Dezember 2012

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