VwGH 2012/02/0097

VwGH2012/02/009729.6.2012

Auswertung in Arbeit!
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Spruch:

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Beck und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Farcas, über die Beschwerde des K. in N., vertreten durch Mag. Helmut Kröpfl, Rechtsanwalt in 8380 Jennersdorf, Kirchenstraße 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 28. März 2012, Zl. E 002/13/2011.143/006, betreffend Übertretung der StVO 1960 (weitere Partei: Burgenländische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 2012 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 8. Oktober 2011 um 15.49 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten PKWs an einem näher genannten Ort die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mehr als 50 km/h überschritten. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 2e StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 40 Tage) verhängt wurde.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in der Stellungnahme vom 16. November 2011 ausdrücklich eingeräumt, dass es zwar richtig sei, dass ihm der gegenständliche PKW am Tattag von seinem Bruder übergeben worden sei; er habe den PKW aber am 8. Oktober 2011 um 15.49 Uhr nicht gelenkt, sondern er habe ihn einem Bekannten zum Lenken überlassen.

Der Beschwerdeführer wisse, wer außer ihm selbst als Lenker zur Tatzeit in Betracht komme, wenn er den PKW nicht selbst gelenkt habe. Der Beschwerdeführer habe lediglich zusammengefasst vorgebracht, dass sich sein Bekannter, der den PKW zur Tatzeit ausprobiert habe, dem Verwaltungsstrafverfahren nicht stellen wolle. Um 16.15 Uhr des Tattages habe der Beschwerdeführer unbestritten den gegenständlichen PKW selbst nicht weit vom Tatort entfernt gelenkt.

Die belangte Behörde nehme an, dass der "Bekannte" des Beschwerdeführers real nicht existiere und der Beschwerdeführer eine Schutzbehauptung aufgestellt habe, um nicht selbst bestraft zu werden. Kein anderer vernünftiger Grund sei für das beharrliche Verschweigen der Identität des anderen Lenkers erkennbar, als der, dass der Beschwerdeführer diesen nicht nennen könne, weil er selbst der Lenker gewesen sei. Jemanden wahrheitswidrig als Lenker zur Tatzeit zu bezeichnen, habe der Beschwerdeführer aus naheliegenden Gründen unterlassen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschiften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird u.a. eingewendet, es seien keine Beweismittel dafür, dass der Beschwerdeführer Lenker des PKWs zum Tatzeitpunkt gewesen sei, beigebracht worden. Offensichtlich sei selbst die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz nicht mit Sicherheit davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe, weil ihm mit Schreiben vom 17. November 2011 eine Aufforderung zur Auskunftserteilung über die Person des Lenkers des gegenständlichen Kraftfahrzeuges zum Tatzeitpunkt übermittelt worden sei.

Es seien daher verfahrensrechtliche Zweifel an einer Deliktsverwirklichung durch den Beschwerdeführer gegeben, weshalb dieser Umstand zur Einstellung des Verfahrens hätte führen müssen.

Ferner habe es die belangte Behörde unterlassen, weitere Beweise zur Feststellung der Täterschaft des Beschwerdeführers aufzunehmen, insbesondere durch die persönliche Einvernahme seiner Mutter, welche Aussagen über die allfällige Täterschaft des Beschwerdeführers in einem anderen Verfahren getätigt habe bzw. hätte dem Akteninhalt dieses Verfahrens die Aussage der Mutter des Beschwerdeführers "beigezogen werden müssen", wenn schon eine Beweiswürdigung vorgenommen werde.

Auch die "Beiziehung" eines näher genannten Aktes der Bezirkshauptmannschaft J. aus dem Jahre 2011 hätte erfolgen müssen, woraus sich aus dem im Akt befindlichen Schreiben dieser Bezirkshauptmannschaft J. vom 17. November 2011 ergebe, dass der Beschwerdeführer zur Auskunft über die Person des Lenkers des gegenständlichen Kraftfahrzeuges zum Tatzeitpunkt aufgefordert worden sei, aus welchem die belangte Behörde eventuell weitere Erkenntnisse über die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers gewinnen hätte können. Ferner habe es die Behörde unterlassen, den Bruder des Beschwerdeführers als "Halter" des gegenständlichen Fahrzeuges vorzuladen und einzuvernehmen, um so allenfalls über die Person, die tatsächlich den PKW zum Tatzeitpunkt benützt habe, Aufschluss zu erhalten.

Den vom Beschwerdeführer erwähnten Grundsatz "in dubio pro reo" darf die belangte Behörde nur anwenden, wenn sie nach Durchführung des Beweisverfahrens Zweifel an der Verwirklichung des Tatbildes durch den Beschwerdeführer hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. November 2000, Zl. 2000/03/0237). Es ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu ersehen, dass die belangte Behörde tatsächlich Zweifel an der Verwirklichung des Tatbildes durch den Beschwerdeführer hatte, zumal sie ihre Schlüsse im Rahmen der Beweiswürdigung insbesondere aus dem Verhalten des Beschwerdeführers (mangelnde Mitwirkung; Schutzbehauptung) zog.

Ist der Beschuldigte nicht Zulassungsbesitzer des bei der Begehung der Verwaltungsübertretung verwendeten Kraftfahrzeuges bzw. nicht das vertretungsbefugte Organ einer juristischen Person, die Zulassungbesitzerin (Halterin) des Kraftfahrzeuges ist, so kann von ihm - sofern nicht etwa andere Umstände hinzutreten (wie etwa, wenn ihm der Zulassungsbesitzer das Fahrzeug zur Verwendung überlassen hat) - nicht unter Berufung auf die ihm im Strafverfahren treffende Mitwirkungspflicht verlangt werden, konkrete Angaben darüber zu machen, wer das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt habe, kann doch in einem solchen Fall bei ihm nicht vorausgesetzt werden, dass er Kenntnis vom entsprechenden Sachverhalt habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1996, Zl. 96/03/0237).

Im vorliegenden Beschwerdefall ist jedoch unbestritten, dass dem Beschwerdeführer von seinem Bruder, der Zulassungsbesitzer des gegenständlichen Kraftfahrzeugs war, dieses Fahrzeug zur Verwendung überlassen wurde. Der Beschwerdeführer war jedoch, was gleichfalls unbestritten ist, im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nicht bereit, konkret jene Person zu benennen, die seiner Behauptung nach zum Tatzeitpunkt dieses Kraftfahrzeug gelenkt haben soll. Den Beschwerdeführer traf daher wegen des Überlassens des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges seines Bruders an ihn im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur eine entsprechende Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren. Es wäre daher an ihm gelegen gewesen, konkrete Angaben zur Person des Lenkers im Tatzeitpunkt zu machen, zumal es sich dabei um einen Umstand handelt, der nach der Aktenlage nur ihm selbst bekannt ist.

Wenn ein Beschuldigter seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt, sind die Verwaltungsbehörden berechtigt, diesen Umstand im Rahmen der Beweiswürdigung ins Kalkül zu ziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 2011, Zl. 2010/02/0129). Es bedurfte daher - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - mangels hinreichender Mitwirkung des Beschwerdeführers auch keiner weiteren Erhebungen durch die belangte Behörde.

Weshalb es wesentlich sein sollte, dass die Mutter des Beschwerdeführers bzw. dessen Bruder (Zulassungsbesitzer) nicht hinsichtlich jener Person, die tatsächlich das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt nach Behauptung des Beschwerdeführers gelenkt haben soll, als Zeugen von der belangten Behörde vernommen wurden, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb nicht einsichtig darzulegen, weil er nicht einmal behauptet, dass diese bei der Fahrt zum Tatzeitpunkt im gegenständlichen Fahrzeug anwesend gewesen wären.

Dass die belangte Behörde unter den gegebenen Umständen aus der mangelnden Mitwirkung des Beschwerdeführers den Schluss zog, dieser und nicht eine dritte Person habe das gegenständliche Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt, lässt die vorgenommene Beweiswürdigung nicht unschlüssig erscheinen. Daran vermag auch die nachträglich von der Behörde erster Instanz erfolgte Lenkeranfrage an den Beschwerdeführer nichts zu ändern. Überdies findet sich bereits in den Verwaltungsakten der Behörde erster Instanz, die im Zuge des Berufungsverfahrens verlesen wurden, der wesentliche Hinweis der Mutter des Beschwerdeführers, nicht dessen Bruder, sondern der Beschwerdeführer selbst habe zum Tatzeitpunkt das gegenständliche Fahrzeug gelenkt.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren der belangten Behörde betreffend Schriftsatzaufwand war abzuweisen, weil die belangte Behörde keine Gegenschrift erstattete, sondern sich bei der Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens lediglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides berufen hat (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 690 zu § 48 Abs. 2 Z. 2 VwGG wiedergegebene hg. Judikatur).

Wien, am 29. Juni 2012

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