VwGH 2011/23/0671

VwGH2011/23/067121.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des D, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. April 2008, Zl. St 84/08, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41;
62001CJ0317 Abatay VORAB;
62007CJ0092 Kommission / Niederlande;
62009CJ0300 Toprak und Oguz VORAB;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art13;
FremdenG 1997;
NAG 2005 §20 Abs4;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §21;
NAG 2005;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
31972R2760 ZusProt FinanzProt AssAbk Türkei Art41;
62001CJ0317 Abatay VORAB;
62007CJ0092 Kommission / Niederlande;
62009CJ0300 Toprak und Oguz VORAB;
62011CJ0256 Dereci VORAB;
ARB1/80 Art13;
FremdenG 1997;
NAG 2005 §20 Abs4;
NAG 2005 §21 Abs1;
NAG 2005 §21 Abs2;
NAG 2005 §21;
NAG 2005;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, hielt sich von 1989 bis 2001 in Österreich auf und ging hier einer Erwerbstätigkeit nach. Ab dem Jahr 1999 verfügte er über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck nach dem Fremdengesetz 1997. Von September 2001 bis Juni 2006 war der Beschwerdeführer in der Türkei aufhältig, im Juni 2006 reiste er wieder nach Österreich ein. Im Hinblick darauf, dass ein unbefristeter Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ex lege erlischt, wenn sich der Fremde länger als zwölf Monate außerhalb des Gebietes des EWR aufhält, wurde die unbefristete Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers im September 2006 durch Anbringung eines entsprechenden Stempels im Reisepass als ungültig kenntlich gemacht.

Am 13. Dezember 2006 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EG". Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Dezember 2007 rechtskräftig abgewiesen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 22. April 2008 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend hielt die belangte Behörde fest, der Beschwerdeführer halte sich seit Juni 2006 rechtswidrig im Bundesgebiet auf. Sie verwies dazu auf die Ausführungen des Bundesministers für Inneres im Aufenthaltstitelverfahren, wonach die im Jahr 1999 erteilte unbefristete Niederlassungsbewilligung infolge des langjährigen Aufenthalts außerhalb des Gebietes des EWR gemäß § 20 Abs. 4 NAG erloschen und aus diesem Grund am 18. September 2006 vom Magistrat der Stadt Linz "ungültig gestempelt" worden sei. Dem Beschwerdeführer sei nach seiner Einreise im Juni 2006 weder ein Einreisetitel nach dem FPG noch ein Aufenthaltstitel nach dem NAG erteilt worden und ihm komme auch kein Aufenthaltsrecht auf Grund einer anderen gesetzlichen Bestimmung zu.

Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer bereits von 1989 bis 2001 in Österreich aufhältig und erwerbstätig gewesen sei und sein Sohn sowie drei Brüder in Österreich leben würden, ging die belangte Behörde von einem mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben aus. Allerdings sei die Integration des Beschwerdeführers dadurch erheblich gemindert, dass er sich zwischen 2001 und 2006 beinahe fünf Jahre lang in der Türkei aufgehalten habe. Darüber hinaus gefährde er durch seinen 22 Monate andauernden illegalen Aufenthalt in Österreich die öffentliche Ordnung in hohem Maße. Da das dem Beschwerdeführer vorwerfbare (Fehl-)Verhalten im Verhältnis zu der von ihm geltend gemachten Integration überwiege, habe auch eine Ermessensübung zugunsten des Beschwerdeführers nicht stattzufinden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat.

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG oder des NAG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im April 2008 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Dem Beschwerdeführer war im Jahr 1999 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck nach dem Fremdengesetz 1997 erteilt worden. Gemäß § 11 Abs. 2 lit. A Z 1 iVm Abs. 3 Z 1 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) galt diese Niederlassungsbewilligung ab dem 1. Jänner 2006 als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weiter.

Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid zugrunde, dass dieser Aufenthaltstitel gemäß § 20 Abs. 4 NAG ex lege erloschen sei, weil sich der Beschwerdeführer länger als zwölf Monate außerhalb des Gebietes des EWR aufgehalten habe. Dementsprechend ging die belangte Behörde davon aus, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Dabei hätte die belangte Behörde aber darauf Bedacht nehmen müssen, dass der Beschwerdeführer türkischer Staatsangehöriger ist und in Österreich offenkundig die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit beabsichtigt hat (nach der Aktenlage war für ihn eine Beschäftigungsbewilligung beantragt worden). Es ist daher die Stillhalteklausel nach Art. 13 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (im Folgenden: ARB 1/80) zu beachten, nach der die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (und die Türkei) für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26. Jänner 2012, Zl. 2008/21/0304, betreffend das Aufenthaltstitelverfahren des Beschwerdeführers eingehend mit der Anwendbarkeit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 befasst. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Davon ausgehend war § 20 Abs. 4 NAG daher auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden. Es wäre somit von der Weitergeltung des von ihm innegehabten Aufenthaltstitels auch nach Inkrafttreten des NAG auszugehen gewesen.

Angesichts dessen hat die belangte Behörde ihrer Entscheidung zu Unrecht zugrunde gelegt, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. Februar 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte