VwGH 2011/23/0549

VwGH2011/23/054918.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. Stefan Albiez, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Sterngasse 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Juni 2009, Zl. E1/237.490/2009, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
MRK Art8 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs3;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, der ausweislich eines im Akt befindlichen Auszugs aus dem Zentralen Melderegister vom 19. September 2005 bis zum 5. Dezember 2006 in Wien behördlich gemeldet war, heiratete am 14. Oktober 2006 die österreichische Staatsbürgerin Z. Am 9. März 2007 wurde die gemeinsame Tochter X geboren. Seit dem 10. März 2008 ist der Beschwerdeführer, der über ein vom 8. bis zum 22. März 2008 gültiges Visum verfügte, wieder im Bundesgebiet behördlich gemeldet.

Bereits zuvor war mit dem - in Rechtskraft erwachsenen - Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. August 2007 der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. November 2006 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" abgewiesen worden, weil der Beschwerdeführer nicht über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt habe und sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hätte führen können. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. November 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21. März 2008 auf Erteilung einer "Daueraufenthaltskarte" zurückgewiesen. Auch dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 24. Juni 2009 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus. In ihrer Begründung führte sie aus, der Beschwerdeführer halte sich "nach rechtskräftiger negativer Beendigung seiner Aufenthaltstitelverfahren, somit seit 16.12.2008", unrechtmäßig in Österreich auf. Daher könne gemäß § 53 Abs. 1 FPG eine Ausweisung veranlasst werden, wenn dem nicht § 66 FPG entgegenstehe.

Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 66 FPG stellte die belangte Behörde fest, dass sich der Beschwerdeführer seit über einem Jahr in Österreich aufhalte, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und mit dieser ein zweijähriges Kind habe. Davon ausgehend sei mit der Ausweisung ein Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden. Dieser Eingriff sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten. Das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen und familiären Interessen werde dadurch relativiert, dass der - in den heimischen Arbeitsmarkt nur geringfügig integrierte - Beschwerdeführer die Familiengemeinschaft zu einem Zeitpunkt eingegangen sei, zu dem "sein dauerndes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet noch nicht gesichert" gewesen sei. Auf Grund der nur einjährigen Abwesenheit müsse von einer bestehenden Bindung des Beschwerdeführers an seinen Heimatstaat ausgegangen werden.

Demgegenüber verstoße der unrechtmäßige Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet gravierend gegen das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers (an einem Verbleib im Bundesgebiet) seien nicht höher zu bewerten als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise. Da außer der strafgerichtlichen Unbescholtenheit keine besonderen Umstände zugunsten des Beschwerdeführers sprechen würden, sei von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Juni 2009 geltende Fassung.

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG können Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage bestehen Anhaltspunkte dafür, dass eine der Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 31 Abs. 1 FPG beim Beschwerdeführer vorläge. Die Behörde ist somit zutreffend davon ausgegangen, dass der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei.

Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist in Form einer Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen vorzunehmen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 66 Abs. 2 FPG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 66 Abs. 3 FPG ergebenden Wertungen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 5. Juli 2011, Zl. 2009/21/0156).

Der Beschwerdeführer verweist diesbezüglich auf sein Familienleben, wobei insbesondere gerügt wird, dass die belangte Behörde auf die Beziehung zu seiner Tochter nicht ausreichend Bedacht genommen habe.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die belangte Behörde hat ihrer Interessenabwägung den ca. einjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin und die gemeinsame zweijährige Tochter zugrunde gelegt. Sie hat den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers aber zu Recht das hoch zu veranschlagende Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften entgegengehalten. Dabei durfte die belangte Behörde auch in Anschlag bringen, dass das hier maßgebliche Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seinen Familienangehörigen zu einem Zeitpunkt begründet wurde, zu dem er nicht mit einem dauernden Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Denn der auf Grund seines Visums erlaubte Aufenthalt des Beschwerdeführers endete am 22. März 2008. Der daran anschließende, bis zur Erlassung der bekämpften Ausweisung über ein Jahr andauernde Aufenthalt im Bundesgebiet war zu keinem Zeitpunkt rechtmäßig. Überdies musste ihm die Unrechtmäßigkeit seines Vorgehens im Hinblick auf die rechtskräftige Abweisung seines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" im August 2007 besonders bewusst sein. Damit liegt aber im Ergebnis eine von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" auf der Hand. Schließlich setzte der Beschwerdeführer seinen unrechtmäßigen Aufenthalt auch nach der rechtskräftigen Zurückweisung seines Antrags auf Ausstellung einer "Daueraufenthaltskarte" (im November 2008) fort.

In einer solchen Konstellation führt aber auch die aufrechte Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin sowie der Umstand, dass ein gemeinsames minderjähriges Kind vorhanden ist, nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielmehr war es dem Beschwerdeführer in diesem Fall zumutbar, für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen. Daraus resultierende Einschränkungen des Familienlebens sind unter den hier gegebenen Umständen im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen, weshalb auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, seiner Tochter sei ein Leben in Serbien nicht zumutbar, ins Leere geht. Auch die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten familiären Bindungen zu weiteren Verwandten vermögen im vorliegenden Fall nicht zu einer entscheidungserheblichen Verstärkung seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet führen, zumal auch das Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes mit diesen Verwandten nicht vorgebracht wird. Den vom Beschwerdeführer geltend gemachten fehlenden Bindungen zu seinem Heimatstaat hat die belangte Behörde zutreffend entgegengehalten, dass der Beschwerdeführer - der sich seit ca. einem Jahr in Österreich aufhalte - den Großteil seines Lebens in Serbien bzw. zumindest nicht in Österreich verbracht habe. Soweit in der Beschwerde erstmals darauf verwiesen wird, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers im März 2010 ein zweites Kind erwarte, handelt es sich dabei um eine Neuerung, die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt werden konnte.

Der Beschwerdeführer rügt schließlich noch, die belangte Behörde habe keinerlei Ermittlungen zum Bestehen eines Familienlebens und insbesondere zu den Beziehungen zu seiner Tochter angestellt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde - wie erwähnt - die Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehefrau und zu seiner Tochter ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Welche weiteren - für das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich sprechenden - Umstände zu ermitteln gewesen wären, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. In der Beschwerde werden schließlich auch keine Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Oktober 2012

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