VwGH 2011/23/0132

VwGH2011/23/013221.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. Günther Neuhuber und Dr. Christoph Neuhuber, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 16. Oktober 2007, Zl. E1/441.800/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z8;
FrPolG 2005 §62 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, reiste am 22. April 2002 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am Tag darauf einen Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Juli 2003 gemäß § 7 des Asylgesetzes 1997 in erster Instanz abgewiesen. Das Verfahren über die dagegen erhobene Berufung war bei Erlassung des hier gegenständlichen Bescheides noch anhängig.

Mit diesem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 16. Oktober 2007 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 8 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Rückkehrverbot.

Einleitend stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer am 5. Mai 2007 von Organen des Finanzamtes Gmunden/Vöcklabruck in einem näher bezeichneten Chinarestaurant in S dabei betreten worden sei, wie er in der Küche Speisen zubereitet habe. Laut Angaben einer Kellnerin sei der Beschwerdeführer am Tag zuvor (erstmals) in das Lokal gekommen. Er bekomme freie Unterkunft und Verpflegung. In seiner Stellungnahme vom 5. Juli 2007 habe der Beschwerdeführer noch bestritten, in diesem Lokal zu arbeiten. Demgegenüber habe er in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingestanden, einmalig gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) verstoßen zu haben, und er habe vorgebracht, dass er nunmehr "Grundversorgung beantragen" und somit in Zukunft nicht mehr "schwarz" arbeiten werde.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer bei der Ausübung einer "bewilligungspflichtigen bzw. bestätigungspflichtigen" Beschäftigung betreten worden sei, ohne über die dafür erforderliche arbeitsrechtliche Bewilligung oder über einen entsprechenden Aufenthaltstitel zu verfügen. Der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG sei somit erfüllt, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit "in höchstem Maße".

In Ansehung des § 66 FPG verwies die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet geltend gemacht habe. Auf Grund seines mehr als fünfjährigen Aufenthaltes im Inland sei aber von einem Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Die Erlassung des Rückkehrverbotes sei jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und zur Wahrung des Arbeitsmarktes) dringend geboten. Gegenüber diesem hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesse hätten die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet in den Hintergrund zu treten. Von der Erlassung des Rückkehrverbotes könne auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid auf Basis der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen hat. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei um die im Oktober 2007 geltende Fassung.

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 (u.a.) jene des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG. Nach dieser Bestimmung hat als die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder (u.a.) von einem Organ der Abgabenbehörde nach Maßgabe der Bestimmungen des AVOG bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen.

Der Beschwerdeführer bestreitet die Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend seine Betretung bei einer Tätigkeit, die er nach dem AuslBG nicht hätte ausüben dürfen, nicht. Die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG erfüllt sei, erweist sich davon ausgehend nicht als rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer bringt allerdings vor, dass ein einmaliger Verstoß gegen das AuslBG eine Gefährdungsannahme (im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG) nicht rechtfertige. Darüber hinaus habe er zum Zeitpunkt der unerlaubten Beschäftigung keine Kenntnis von der staatlichen Grundversorgung gehabt und sich daher "gezwungen" gesehen, "schwarz zu arbeiten, um Geld für sein Überleben zu erhalten". Er habe aber nunmehr "die Grundversorgung bereits beantragt".

Dem ist entgegenzuhalten, dass auch die einmalige Verwirklichung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 8 FPG die Gefährdungsannahme des § 62 Abs. 1 FPG indiziert. Es kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Ergebnis davon ausging, dass eine allfällige Aufnahme des Beschwerdeführers in die Grundversorgung für sich allein nicht hinreichend ist, um verlässlich von einem Wegfall der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung (in Bezug auf einen geordneten Zugang zum Arbeitsmarkt) ausgehen zu können; dies auch vor dem Hintergrund, dass zwischen dem Fehlverhalten des Beschwerdeführers und der Erlassung des angefochtenen Bescheides lediglich ca. fünf Monate lagen. Es ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen, dass die belangte Behörde eine Gefährdung im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG als gegeben erachtet hat.

Gemäß § 62 Abs. 3 FPG gilt bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes (u.a.) auch § 66 FPG. Nach § 66 Abs. 1 FPG ist ein Rückkehrverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 66 Abs. 2 FPG darf eine solche Maßnahme jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn deren Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei der Entscheidung über ein Rückkehrverbot ist der Behörde überdies Ermessen eingeräumt.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und verweist diesbezüglich auf seine soziale Integration sowie darauf, dass er sich "bereits seit 6 Jahren" im Bundesgebiet aufhalte.

Die belangte Behörde hat ausgehend von der bisherigen Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers im Bundesgebiet (bis zur Bescheiderlassung von ca. fünfeinhalb Jahren) einen mit dem Rückkehrverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben anerkannt. Dem hat sie aber zu Recht das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens und an der Wahrung eines (geordneten) Arbeitsmarktes gegenübergestellt, das der Beschwerdeführer durch sein Fehlverhalten beeinträchtigt hat. Es kann ihr nicht entgegentreten werden, wenn sie die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet als nicht schwerer wiegend angesehen hat als das öffentliche Interesse daran, dass er das Bundesgebiet verlasse und diesem fern bleibe. Daran vermag auch der in keiner Weise näher präzisierte Hinweis des Beschwerdeführers auf seine - ihn unterstützenden - Freunde und Bekannten sowie darauf, dass er "bestens sozial integriert" sei, nichts zu ändern.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang fehlende Ermittlungen hinsichtlich seiner sozialen Integration rügt, lässt dieses Vorbringen nicht erkennen, welche die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet maßgebend verstärkenden Verfahrensergebnisse dabei erzielt werden hätten sollen. Die Beschwerde legt somit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dar.

Der Beschwerdeführer bringt schließlich noch vor, dass mit dem Rückkehrverbot auch seine Abschiebung nach China angeordnet werde, wo er behördlicher Verfolgung ausgesetzt sei. Dem ist zu entgegnen, dass über eine (allfällige) Verfolgung nicht im Verfahren zur Erlassung eines Rückkehrverbotes, sondern im Asylverfahren zu entscheiden ist (vgl. das Erkenntnis vom 16. Februar 2012, Zl. 2010/18/0402). Während eines anhängigen Asylverfahrens ist der Beschwerdeführer - und zwar auch nach rechtskräftiger Verhängung eines Rückkehrverbotes - vor einer Abschiebung geschützt. Angesichts dessen zeigt der Beschwerdeführer auch mit der Rüge, die belangte Behörde sei nicht ausreichend auf seine Fluchtgründe eingegangen, keinen relevanten Verfahrensmangel auf.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 21. Juni 2012

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