Normen
AVG §66 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs4 lita;
BEinstG §8 Abs4 litb;
BEinstG §8 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §66 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BEinstG §8 Abs2;
BEinstG §8 Abs4 lita;
BEinstG §8 Abs4 litb;
BEinstG §8 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Nachdem der Bescheid des Bundessozialamts, Landesstelle Kärnten (BSA), vom 1. Dezember 2008, mit dem dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. Juli 2008 auf Zustimmung zur Kündigung des Mitbeteiligten nach § 8 BEinstG Folge gegeben worden war, mit Bescheid der belangten Behörde vom 26. Februar 2009 gemäß § 66 Abs. 2 AVG aufgehoben worden war, hat das BSA im zweiten Rechtsgang mit Bescheid vom 9. Dezember 2010 (erneut) die Zustimmung zur Kündigung des Mitbeteiligten gemäß § 8 BEinstG erteilt.
Das BSA stellte fest, dass der Mitbeteiligte, der mit einem Grad der Behinderung von 70 % dem Personenkreis der begünstigten Behinderten angehöre, bei der Beschwerdeführerin mit Unterbrechungen seit 26. Mai 2003 beschäftigt gewesen sei. Sein Tätigkeitsbereich habe in erster Linie das Fahren mit einem LKW umfasst, zum Teil auch das Laden mit einem Bagger oder einem Lader. Die arbeitsrechtliche Vereinbarung habe "auf Vollbeschäftigung gelautet".
Die Beschwerdeführerin habe den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung mit wirtschaftlichen Überlegungen - ein Großauftrag sei fertiggestellt worden, die Arbeitslage sehr schlecht, weshalb sich die Beschwerdeführerin von einem Teil des Fuhrparks, insbesondere den LKWs, getrennt habe - begründet, zudem gebe es mit dem Mitbeteiligten, dem Pflichtwidrigkeiten vorgeworfen würden, Unstimmigkeiten.
Im fortgesetzten Verfahren vor dem BSA seien medizinische Sachverständigengutachten (Augenarzt, Neurologe) eingeholt worden. Das medizinische Ermittlungsverfahren habe im Wesentlichen das Ergebnis erbracht, dass der Mitbeteiligte auf Grund seines Gesundheitszustands zum beruflichen Lenken von Fahrzeugen aller Art nicht mehr geeignet sei. Da im Betrieb der Beschwerdeführerin für Arbeitnehmer außer dem beruflichen Lenken von Fahrzeugen keine weitere Arbeit anfalle und - auf Grund der eindeutigen Aussage der medizinischen Sachverständigen - dem Mitbeteiligten das berufliche Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr zumutbar sei, sei dem Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung zuzustimmen gewesen. Eine besondere Schutzbedürftigkeit bzw. besondere soziale Umstände habe der Mitbeteiligte nicht vorgebracht. Angesichts seiner lang andauernden Betriebsabwesenheit seit Dezember 2008 könne die Abwägung der unterschiedlichen Interessen der Parteien nur zugunsten der Beschwerdeführerin ausfallen; dieser könne die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden.
2. Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der vom Mitbeteiligten gegen den genannten Bescheid des BSA vom 9. Dezember 2010 erhobenen Berufung Folge und änderte diesen Bescheid dahin ab, dass die Zustimmung zur Kündigung nicht erteilt werde.
Begründend gab die belangte Behörde zunächst den bisherigen Verfahrensgang, die vom BSA getroffenen Feststellungen und dessen rechtliche Beurteilung wieder. Die Berufung des Mitbeteiligten, der eingewendet habe, die Voraussetzungen für eine Zustimmung zur Kündigung sei nicht gegeben, weil die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über den Entfall des Tätigkeitsbereichs und die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung an einen anderen Arbeitsplatz erbracht und das BSA keine Interessenabwägung vorgenommen habe, sei berechtigt.
Nach einer Wiedergabe des § 8 BEinstG führte die belangte Behörde dazu Folgendes aus:
"Schon die Einwände des (Mitbeteiligten), (die Beschwerdeführerin) habe keinen Nachweis über den Entfall des Tätigkeitsbereiches des (Mitbeteiligten) erbracht und es sei auch keine Interessenabwägung vorgenommen worden, sind berechtigt.
Die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung des Dienstverhältnisses eines begünstigten Behinderten setzt voraus, dass sowohl der Entfall des Tätigkeitsbereiches als auch die Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz im Unternehmen feststehen. Das bloße Vorbringen (der Beschwerdeführerin), dass in ihrem Betrieb ausschließlich Baggerfahrer und LKW-Fahrer beschäftigt werden - wobei die Anzahl der Dienstnehmer auch durch die Urkundenvorlage (der Beschwerdeführerin) nicht restlos geklärt werden konnte - reicht nicht aus, weil diese Feststellungen einerseits nicht begründet sind und andererseits vom (Mitbeteiligten) bestritten werden. Damit ist weder eine Klarstellung gegeben, ob der Tätigkeitsbereich des (Mitbeteiligten) tatsächlich weggefallen ist noch ob es die Möglichkeit der Beschäftigung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz gibt. Es ist aber auch nicht die erforderliche Interessenabwägung vorgenommen worden.
Nach der zuständigen Rechtsprechung des VwGH liegt die Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zu einer künftigen Kündigung einer dem Kreis der begünstigten Behinderten nach § 2 BEinstG angehörenden Personen oder die nachträgliche Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung erteilt werden soll, im freien Ermessen der Behörde. Nach dem Zweck des BEinstG, das der Eingliederung der begünstigten Personen in den Arbeitsprozess und der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz dienen soll, ist es bei dieser Ermessensentscheidung Aufgabe der Behörde, das berechtigte Interesse des Dienstgebers an der Beendigung des Dienstverhältnisses und die besondere soziale Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden Dienstnehmers im Einzelfall gegeneinander abzuwägen und unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände zu prüfen, ob dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses oder dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes eher zugemutet werden kann, wobei der in diesem Gesetz normierte Kündigungsschutz nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls nicht weiter gehen soll, als etwa im Falle eines Betriebsratsmitgliedes (VwGH vom 22.4.1997, Zl. 95/08/0039 ua.).
Bereits unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ergibt sich, dass weder eine Zustimmung zur Kündigung und auch nicht die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung vom 18.12.2008 zum 17.6.2009 erteilt werden kann, weil die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 4 BEinstG nicht vorliegen.
Der Berufung war daher Folge zu geben."
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - die mitbeteiligte Partei hat keine Stellungnahme erstattet - in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
3.1.1. Hinsichtlich der maßgebenden Rechtslage und der Anforderungen an die Beurteilung einer Entscheidung darüber, ob die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten nach § 8 Abs. 2 BEinstG zu erteilen ist, wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 2012, Zlen. 2011/11/0143, und 2011/11/0145, jeweils mwN, verwiesen.
3.1.2. Daraus ist hervorzuheben, dass der Verwaltungsgerichtshof die von der Behörde gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG zu treffende Ermessensentscheidung ausschließlich daraufhin zu prüfen hat, ob die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, welche Prüfung freilich voraussetzt, dass alle für die Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgebenden Verfahrensvorschriften ermittelt und in der Bescheidbegründung festgestellt wurden.
3.2. Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, seitens der Beschwerdeführerin sei kein Nachweis darüber erbracht worden, dass der Tätigkeitsbereich des Mitbeteiligten tatsächlich weggefallen sei, und dass keine Möglichkeit der Beschäftigung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz bestehe. Die dazu vom BSA getroffenen Feststellungen seien, zumal sie vom Mitbeteiligten bestritten würden, nicht ausreichend.
3.3. Wenn die belangte Behörde daraus den Schluss zieht, dass schon deshalb dem Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung nicht Folge zu geben sei, verkennt sie ihre Aufgabe als Berufungsbehörde:
3.3.1. Gemäß § 66 Abs. 1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.
Nur dann, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverweisen (§ 66 Abs. 2 AVG).
Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden (§ 66 Abs. 4 AVG).
3.3.2. Ist die Berufungsbehörde also der Auffassung, dass die von der Erstbehörde getroffenen Feststellungen für die rechtliche Beurteilung nicht ausreichen, sind die notwendigen Ergänzungen von ihr vorzunehmen; werden - relevante - Feststellungen in der Berufung bestritten, hat die Berufungsbehörde über eine entsprechende Mängel- oder Beweisrüge zu entscheiden.
3.3.3. Die Erstbehörde hat - wie dargestellt - ihre Zustimmung zur Kündigung entscheidend darauf gestützt, dass im Betrieb der Beschwerdeführerin nur Bagger- und LKW-Fahrer beschäftigt seien und keine anderen Arbeiten anfielen, der Mitbeteiligte auf Grund seines Gesundheitszustands zum beruflichen Lenken von Fahrzeugen aber nicht mehr geeignet sei.
Auch wenn der verfahrenseinleitende Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. Juli 2008 der Sache nach auf den Tatbestand nach § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG gestützt wurde (der Arbeitsplatz sei "frei" geworden, für den Mitbeteiligten keine Beschäftigung mehr möglich), wird durch die Bedachtnahme auf den Tatbestand nach lit. b (den schon die Erstbehörde ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat) weder der Antrag noch die "Sache" des Berufungsverfahrens überschritten, zielt doch der Antrag der Beschwerdeführerin auf die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung, ohne Einschränkung auf einen der im Gesetz beispielsweise genannten (§ 8 Abs. 4 BEinstG) Tatbestände.
3.4. Die Berufungsbehörde hat daher - in einem mängelfreien Verfahren und schlüssig begründet - die notwendigen Feststellungen (über den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes und die Möglichkeit der Beschäftigung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz) zu treffen und auf deren Basis - nicht aber bloß auf Grundlage von Vorbringen oder strittigen Feststellungen - ihre Entscheidung zu fällen.
3.5. Da die Berufungsbehörde die notwendigen Feststellungen - augenscheinlich auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung - nicht getroffen hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am 20. März 2012
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