Normen
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §3;
EMRK Art6;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §3;
EMRK Art6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 31. Juli 1995 stellt die Behörde erster Instanz fest, dass die Erhaltung des Vierkanthofes "Clodihof", "Mayrhof" in T im öffentlichen Interesse gelegen sei.
In der dagegen erhobenen Berufung wurde die "ersatzlose" Aufhebung dieses Bescheides, in eventu die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster Instanz beantragt.
Die belangte Behörde führte am 6. Dezember 1999 und am 19. Oktober 2005 Augenscheine durch und brachte deren Ergebnis sowie Sachverständigengutachten dem Beschwerdeführer zur Kenntnis. Dieser nahm mit Schreiben vom 22. Mai 2000 und vom 24. März 2006 dazu Stellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insofern Folge, "als der erstinstanzliche Bescheid behoben und die Angelegenheit zur umfassenden Feststellung des Sachverhaltes sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen wird."
Die wesentliche Begründung dazu lautet:
"Die Behörde hält fest, dass das Amtssachverständigengutachten, welches Grundlage für die Unterschutzstellung ist, sowohl die äußere Erscheinung, als auch das Innere eingehend beschreiben muss, und sich daran anschließend mit der geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung auseinandersetzen muss. Erst bei Vorliegen eines schlüssigen und nachvollziehbaren Amtssachverständigengutachtens ist es der Behörde möglich, die rechtliche Feststellung eines öffentlichen Erhaltungsinteresses vorzunehmen. Ein umfassendes - auf alle Teile des Gebäudes bezugnehmendes - Gutachten ist auch insofern notwendig, als die Prüfung einer Teilunterschutzstellung gem. § 1 Abs. 8 DMSG möglich sein muss.
Die Berufungsbehörde hält fest, dass das vorliegende Gutachten, auf das sich der erstinstanzliche Bescheid stützt, zwar eine Beschreibung sowohl des Äußeren, als auch des Inneren des berufungsgegenständlichen Gebäudes enthält, jedoch auf den Brand, der 1806 einen Großteil des Hofes zerstört hat und die anschließende Neuerrichtung nicht ausreichend eingeht. Zwar führte die Berufungsbehörde in der Folge zwei Augenscheine durch, im Zuge derer ergänzende Amtssachverständigengutachten erstellt wurden, doch konnten auch diese den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht hinreichend klären. Herr Dr. ER führte lediglich aus, dass die Neuerrichtungen das Erscheinungsbild des Hofes wesentlich prägen, inwieweit und an welchen Stellen jedoch alte Bausubstanz des 16. und 17. Jahrhunderts vorhanden ist, konnte nicht festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund sind daher genauere Untersuchungen hinsichtlich der erhaltenen alten Bausubstanz und ihrer Datierung durchzuführen.
Desweiteren ergibt sich aus den Ermittlungsergebnissen, dass das Innere des gegenständlichen Objektes teilweise keine Denkmaleigenschaft aufweist. So wurde beim Lokalaugenschein am 22. März 2000 festgestellt, dass der Innenerscheinung des Westflügels, in welchem Gästezimmer eingebaut worden seien, keine Denkmaleigenschaft zuzusprechen sei. Dies wurde auch im den Augenscheinsergebnissen angeschlossenen Ergänzungsgutachten festgehalten.
Weiter wurde nicht schlüssig dargelegt, welche Funktionen das gegenständliche Gebäude im Laufe seiner Geschichte inne hatte und welche Bedeutung daraus ableitbar ist. Einerseits wird die landwirtschaftliche Nutzung des Hofes erwähnt, andererseits dienten Teile des Gebäudes wohl der Lagerung von Viechtauerwaren.
Zudem fehlen Ausführungen, welche eine rechtliche Beurteilung gemäß § 1 Abs. 2 DMSG erlauben würden. Das vorliegende Amtssachverständigengutachten enthält keine umfassenden Angaben zu Vielzahl, Vielfalt und Verteilung derartiger Gebäudetypen.
Vor diesem Hintergrund kommt die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis, dass umfassende neue Ermittlungen zur Feststellung des Sachverhalts, insbesondere die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Beiziehung von Amtssachverständigen, notwendig sind.
Aufgrund der mangelhaften Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes gibt die Berufungsbehörde dem Antrag des (Beschwerdeführers) statt, hebt den bekämpften Bescheid auf, und verweist unter Bedachtnahme auf die Verfahrensökonomie die Angelegenheit zur mündlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die erstinstanzliche Behörde zurück."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde führt in ihrer Gegenschrift aus, es fehle die Beschwer, weil dem Eventualantrag des Beschwerdeführers in seiner Berufung Folge gegeben worden sei.
Da aber dem Hauptantrag des Beschwerdeführers in seiner Berufung, nämlich die durch den Bescheid vom 31. Juli 1996 erfolgte Unterschutzstellung aufzuheben, nicht Folge gegeben wurde, spielt es im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung im subjektiv-öffentlichen Recht, als "ohne Vorliegen der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen festgestellt wird, dass (die) Liegenschaft Haus … unter Denkmalschutz gestellt wird", keine Rolle, dass dem (prozessualen) Eventualbegehren Folge gegeben wurde. Es besteht zudem kein Recht der Partei auf Verweisung der Sache an die erste Instanz (vgl. die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1306, E 347, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Beschwer liegt entgegen der Ansicht der belangten Behörde vor.
Gemäß § 66 Abs. 1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen.
Gemäß § 66 Abs. 2 AVG kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde erster Instanz verweisen, wenn der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Gemäß § 66 Abs. 3 AVG kann die Berufungsbehörde jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Durch § 66 AVG soll gesichert werden, dass ein im Stadium der Berufung befindliches Verfahren möglichst auch zu einer Berufungsentscheidung in der Sache führt. Die (Rück-)Verweisung des Verfahrens in ein von der unteren Instanz zu besorgendes Stadium soll nur ausnahmsweise möglich sein. Es soll vermieden werden, dass die mit dem Zurücktritt eines Verfahrens in ein früheres Stadium verbundenen Rechtsfolgen, wie etwa die Wiedereröffnung des Instanzenzugs, zu einer Verlängerung des Verfahrensgangs führen.
Sind Ergänzungen des bisher durchgeführten Ermittlungsverfahrens notwendig, so hat die Berufungsbehörde die Frage zu prüfen, ob der für die Erledigung der Sache maßgebende Sachverhalt nur in Form von Rede und Gegenrede aller an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für seine Ermittlung (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen festgestellt werden kann und diese Personen
daher gleichzeitig am gleichen Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen, oder ob sich zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens ein einfacherer Weg darbietet (vgl. zum Ganzen die in Walter/Thienel,
Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Seite 1307 ff, E355 ff wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Im Falle einer Unterschutzstellung nach dem DMSG ist keine zwingende Verhandlung vor der Behörde erster Instanz oder der belangten Behörde vorgesehen. Den Anforderung des Art. 6 MRK können diese Behörden trotz des Eingriffs einer Unterschutzstellung in das Eigentumsrecht deshalb nicht nachkommen, weil diese Behörden keine Tribunale sind.
Im gegenständlichen Fall wurde sowohl von der Behörde erster Instanz als auch von der belangten Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. Die belangte Behörde hat zwei Augenscheine abgehalten und zwei Sachverständigengutachten erstellen lassen. Sie begründet ihre Rückverweisung damit, dass diese Sachverständigengutachten unvollständig seien und genauere Untersuchungen hinsichtlich der erhaltenen alten Bausubstanz und ihrer Datierung durchzuführen seien. Sie enthielten auch keine umfassenden Angaben zu Vielzahl, Vielfalt und Verteilung derartiger Gebäudetypen.
Gerade diese vermissten Ergebnisse sind aber solche, zu deren Ermittlung es überhaupt keiner Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedarf, sondern eines gezielten Auftrages an einen Sachverständigen zur Erstellung eines neuen Gutachtens oder der Ergänzung der bisher eingeholten Gutachten, dem dieser nachzukommen hat. Eine Zurückverweisung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig, wenn eine Ergänzung des Verfahrens durch Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen erforderlich ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1995, Zl. 95/04/0037).
Im gegenständlichen Fall handelt es sich um typische "Ergänzungen" im Sinne des § 66 Abs. 1 AVG, welche die Berufungsbehörde gerade im Hinblick auf die von ihr bereits eingeholten Sachverständigengutachten im Hinblick auf § 66 Abs. 3 AVG selbst vorzunehmen und sodann in der Sache selbst zu entscheiden gehabt hätte.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 22. März 2012
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