VwGH 2011/07/0117

VwGH2011/07/011724.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger und die Hofräte Dr. Hinterwirth, Dr. Enzenhofer, Dr. N. Bachler und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pühringer, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft S, vertreten durch Univ.Doz. Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 24. Februar 2011, Zl. LAS - 1036/3-10, betreffend Feststellung von Gemeindegut (mitbeteiligte Partei:

Ortsgemeinde M, vertreten durch Dr. Ralf Wenzel, Mag. Matthias Waldmüller und Dr. Martin Baldauf, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Fallmerayerstraße 8), zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §15;
FlVfLG Tir 1935 §36 Abs1 litb;
FlVfLG Tir 1935 §36 Abs2 litd;
FlVfLG Tir 1935 §36;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2 idF 2010/007;
GdO Tir 1866 §63;
GdO Tir 1928;
FlVfGG §15;
FlVfLG Tir 1935 §36 Abs1 litb;
FlVfLG Tir 1935 §36 Abs2 litd;
FlVfLG Tir 1935 §36;
FlVfLG Tir 1996 §33 Abs2 litc Z2 idF 2010/007;
GdO Tir 1866 §63;
GdO Tir 1928;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz (ABB) stellte mit Bescheid vom 30. Juni 2010 auf Grundlage eines Antrags der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 2010 gemäß § 73 lit. d des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes 1996 (TFLG 1996) fest, dass die Grundstücke des Regulierungsgebietes der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft, nämlich die Grundstücke 1316, 1468/1, 1469, 1472 und 1473 EZ 184, Gemeindegut im Sinne im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 7/2010 seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die Agrargemeinschaft Berufung.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 24. Februar 2011 wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete dies nach Wiedergabe des Wortlautes des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 damit, dass das Gebiet der heutigen Agrargemeinschaft in EZ 184 ursprünglich ein Bestandteil des im Gemeindegebiet von M gelegenen sogenannten M-Waldes gewesen sei. Dieser wiederrum habe im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung im Jahr 1907 aus den EZ 83/II und EZ 88/II bestanden. Hinsichtlich der EZ 83/II seien gemeinschaftlich die Fraktionen M-Wald, O und S mit U der Gemeinde M, hinsichtlich der EZ 88/II sei die Gemeinde M als bücherlicher Eigentümer eingetragen gewesen.

Mit Erkenntnis vom 17. April 1920 habe die Agrarlandeskommission "über den von der Gemeinde M auf Grund des vom Tiroler Landrat genehmigten Gemeindeausschussbeschlusses vom 27. Juni 1919 eingebrachten Antrag auf Generalteilung des Gemeinschaftswaldes der Fraktionen M-Wald, O, S und U der Gemeinde M in Grundb.Einl.Zl 83/II (...) der KG M", entschieden, dass diese Generalteilung nach den §§ 4, 5 und 56 des T.R.L.G. (LGBl. Nr. 19 vom 19. Juni 1909) eingeleitet und mit diesem Verfahren im Sinne des § 61 T.R.L.G. die Regulierung der auf die Teile bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte zu verbinden sei.

Den Gründen dieses Erkenntnisses sei zu entnehmen, dass damals der im Gemeindegebiet von M gelegene M-Wald im Grundbuch den genannten Fraktionen als gemeinsames Eigentum zugeschrieben sei und bisher von den Fraktionisten dieser Fraktionen als Gemeindegut im Sinne des § 63 der Tiroler Gemeindeordnung 1866 (TGO 1866) gemeinschaftlich genutzt worden sei. Dieser Wald sei daher ein gemeinschaftliches Grundstück im Sinne der §§ 4 und 5 T.R.L.G.

Nach Wiedergabe dieser Bestimmungen und des § 63 TGO 1866 fuhr die belangte Behörde fort, dass die zuletzt genannte Bestimmung bereits eine Beschränkung der Nutzung des Gemeindegutes auf den jeweiligen Haus- und Gutsbedarf der Stammliegenschaftsbesitzer vorgesehen habe; anderweitige Nutzungen seien demnach für die Stammsitzliegenschaftseigentümer nicht zulässig gewesen und seien folglich der Gemeinde als Eigentümerin der Liegenschaften zugestanden. Es könne daher gesagt werden, dass die in dieser Regelung enthaltenen Grundgedanken bereits durchaus den jüngst im Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 vom Verfassungsgerichtshof zum Ausdruck gebrachten Erwägungen entsprächen. Im Jahr 1920 sei daher in Bezug auf das spätere Regulierungsgebiet der beschwerdeführenden Agrargemeinschaft vom Vorliegen von Gemeindegut auch im heutigen Rechtssinn ausgegangen worden und habe es sich bei der dargestellten Generalteilung um eine solche gemäß § 2A Z 2 T.R.L.G. unter den "Gemeindeabteilungen" (Fraktionen der Gemeinde) gehandelt.

Mit Erkenntnis der belangten Behörde vom 24. Juni 1932 sei der Generalakt betreffend die Generalteilung des Gemeinschaftswaldes der drei Fraktionen von M, M-Wald, O und S mit U bestätigt worden; die EZ 83/II stehe demnach im Eigentum der vorgenannten Fraktionen und die EZ 88/II im grundbücherlichen Eigentum der Gemeinde. Die EZ 88/II sei mit Gemeinderatsbeschluss vom 13. April 1930 von der Gemeinde den genannten Fraktionen ins gemeinschaftliche Eigentum überlassen worden. Sodann hätten die Fraktionen in Punkt III des Generalaktes ein die Aufteilung der Grundstücke betreffendes Teilungsübereinkommen getroffen. In den Grundbuchsauszügen aus dem Jahr 1933 finde sich die Einverleibung des Eigentumsrechts für die "Fraktion S mit U der Gemeinde M".

Im Jahr 1934 beginne jener Verwaltungsakt, der sich auf die Regulierung des Fraktionsgutes S bzw. S-U der Gemeinde M und später auf die beschwerdeführende Agrargemeinschaft beschränke. So sei am 12. September 1934 durch die Landeshauptmannschaft für Tirol die Liste der unmittelbar Beteiligten in Verbindung mit einem Register der Anteilsrechte für das Fraktionsgut von S, Gemeinde M, nach Genehmigung durch Erkenntnis der belangten Behörde vom 20. Jänner 1933, kundgemacht worden. Dieser Bescheid weise als Gebiet der Fraktion die in der Grundbuchseinlage 184/II verzeichneten Parzellen aus. Das Regulierungsgebiet stehe im Eigentum der Fraktion Statz der Gemeinde M; als Beteiligte würden gemäß § 26 T.R.L.G. verschiedene Stammsitzliegenschaftseigentümer verzeichnet.

Gegen das Register der Anteilsrechte sei seitens der Fraktionsvorstehung und aller Fraktionisten eine Einwendung betreffend die Nichtberücksichtigung von nicht entbehrlichen Streunutzungsrechten erhoben worden. Im Verwaltungsakt erliege weiters ein mit 24. Jänner 1937 datiertes Schreiben des Bürgermeisters, mit welchem dieser der Landeshauptmannschaft von Tirol als damals zuständiger Agrarbehörde mitteilte, dass für die Fraktionen neue Vertreter bestellt worden seien.

In weiterer Folge lasse sich dem Akt im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte der Agrargemeinschaft lediglich entnehmen, dass ein Exemplar der Liste der unmittelbar Beteiligten in Verbindung mit dem Register der Anteilsrechte vom 12. September 1934 als Arbeitsunterlage für den Entwurf des Regelungsplans für die Agrargemeinschaft verwendet worden sei. Auffällig sei dabei, dass die Ausdrücke "Fraktion" bzw. "Fraktionsgut" im Entwurf mehrfach händisch durchgestrichen und im Konzept durch den Begriff "Agrargemeinschaft" ersetzt worden seien. In der endgültigen Fassung des Regelungsplanes vom 16. Dezember 1940, der am 25. März 1941 laut Rechtskraftvermerk vom 8. Mai 1941 rechtskräftig geworden sei, sei nur mehr einmal von der ehemaligen Fraktion die Rede; mit der Rechtskraft dieses Bescheides sei das Eigentum von der Fraktion Smit U der Gemeinde M auf die Agrargemeinschaft übergegangen.

Das Eliminieren des Begriffes der Fraktion könne mit der Einführung der Reichsdeutschen Gemeindeordnung in Österreich im Jahr 1938 erklärt werden, die eine Untergliederung der Gemeinde in Fraktionen nicht mehr gekannt habe. Eine Begründung für die Umbenennung der ehemaligen Fraktion in Agrargemeinschaft könne dem Gegenstandsakt nicht entnommen werden, jedoch hätte dieses Vorgehen letztlich zur Folge, dass auf Grund des rechtskräftigen Regulierungsplanes vom 16. Dezember 1940 der Eigentumsübergang auf die Agrargemeinschaft an der EZ 184/II, bestehend aus näher bezeichneten Parzellen, auch grundbücherlich durchgeführt worden sei.

Mit Kundmachung vom 25. März 1946 sei sodann der Abschluss des Regulierungsverfahrens durch die Landeshauptmannschaft Tirol öffentlich bekannt gemacht worden.

Für die belangte Behörde stehe daher hinsichtlich des Regelungsgebietes der Agrargemeinschaft fest, dass es sich dabei um ehemaliges Fraktionsgut im Sinne von mit agrarischen Nutzungsrechten belastetem Gemeindegut handle, welches durch rechtskräftigen Regelungsplan im Jahr 1941 an die damals zugleich neu geschaffene Agrargemeinschaft übertragen worden sei. Seit der Regulierung der Agrargemeinschaft ließen sich keine Grundstückszuerwerbe feststellen, sodass die zum heutigen Tag in der EZ 184 im Eigentum der Agrargemeinschaft vorgetragenen Grundstücke Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 darstellten.

In Bezug auf das Berufungsvorbringen der Agrargemeinschaft vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, dass die Agrarbehörden gehalten seien, die Eigentumsverhältnisse im Zeitpunkt der Regulierung zu klären und dabei alle zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen. Es sei zu überprüfen, ob vor der Regulierung ein Erwerbsvorgang zugunsten der politischen Gemeinde stattgefunden habe. In diesen Fällen sei die Feststellung früherer Eigentumsverhältnisse entbehrlich. Angesichts der im Jahr 1934 erfolgten Aufteilung des Gemeindewaldes, der im Eigentum der Fraktionen gestanden sei und der Zuschreibung eines Teiles dieser Liegenschaften an die Fraktion S mit U liege ohne Zweifel ein vorgelagerter Eigentumserwerb durch die Fraktion im gemeinderechtlichen Sinne vor, der wiederum vom gemeinsamen Voreigentum der Gemeindefraktionen in diesem Bereich abzuleiten sei. Dieses gemeinschaftliche Eigentum der Fraktionen am M-Wald habe bereits vor der Grundbuchsanlegung bestanden und sei von dieser unwidersprochen bücherlich umgesetzt worden. Ein Hinweis auf die Unrichtigkeit der Grundbuchseintragungen sei durch die Agrargemeinschaft nicht dargetan worden und habe auch von Amts wegen nicht gefunden werden können.

Angemerkt werden müsse, dass der Begriff der Gemeinde zwar im Jahre 1849 möglicherweise anders verstanden worden sei als nach der Einführung der Gemeindeordnung 1866. Für die belangte Behörde bestehe jedoch kein Zweifel daran, dass der Gemeindebegriff im Jahr der Grundbuchsanlegung (1907) für alle Beteiligten und insbesondere auch die Durchführenden der Grundbuchsanlegung klar im Sinne einer politischen Gemeinde zu verstehen gewesen sei. Daher könne die Verbücherung des Eigentumsrechts für die genannten Fraktionen der Gemeinde nicht im Sinne des Berufungsvorbringens als Irrtum, Fehler oder unklarer Begriff erkannt werden, zumal auch die Fraktion ein Gesetzesbegriff aus der Gemeindeordnung 1866 bzw. dem Fraktionsgesetz vom 14. Oktober 1893, LGBl. Nr. 32, gewesen sei. Eine willkürliche Verwendung der Begriffe Gemeinde bzw. Fraktion bei der Grundbuchsanlegung erscheine daher höchst unwahrscheinlich.

Dem Berufungsvorbringen, wonach die Gemeinde im Regulierungsgebiet keinerlei Nutzungsrechte gehabt habe, sei zu folgen. Dies schließe jedoch das Vorliegen von Gemeindegut keinesfalls aus. Dass die Gemeinde im fraglichen Gebiet offenbar keine agrarischen Nutzungsansprüche gehabt habe, sage nicht mehr aus, als dass zum Zeitpunkt der Regelung kein Bedarf an der Ausübung solcher Rechte bestanden habe. Die Feststellung als Gemeindegut stelle ja auch nicht das Bestehen der Nutzungsrechte an sich in Frage, sondern stelle nur die sich seit jeher aus dem TFLG ergebende Substanzberechtigung der Gemeinde fest, ohne die agrarischen Nutzungsrechte der Mitglieder der Agrargemeinschaft zu schmälern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde wies die Berufung der Agrargemeinschaft gegen den Erstbescheid ab und übernahm dadurch die dort ausgesprochene Feststellung, wonach die (näher angeführten) Grundstücke der EZ. 184 Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs. 2 lit. c Z 2 TFLG 1996 in der Fassung der TFLG-Novelle 2010 seien.

§ 33 TFLG 1996 lautet in dieser Fassung (auszugsweise):

"§ 33. (1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die von allen oder mehreren Mitgliedern einer Gemeinde oder von den Mitgliedern einer Nachbarschaft, einer Interessentschaft, einer Fraktion oder einer ähnlichen Mehrheit von Berechtigten kraft einer mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundenen oder einer persönlichen (walzenden) Mitgliedschaft gemeinschaftlich und unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke auf Grund alter Übung genutzt werden. Als gemeinschaftliche Nutzung gilt auch eine wechselweise sowie eine nach Raum, Zeit und Art verschiedene Nutzung.

(2) Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, insbesondere:

  1. a)
  2. c) Grundstücke, die

    1. im Eigentum einer Gemeinde stehen und zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften dienen oder

    2. vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden, vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften gedient haben und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren (Gemeindegut);

    d) … "

    § 33 Abs. 2 lit. c TFLG 1996 nennt in seinen beiden Ziffern zwei Arten von Gemeindegut. Unstrittig ist, dass die Z 1 solche Grundstücke betrifft, die im Eigentum einer politischen Gemeinde stehen, und dass diese Voraussetzung im hier vorliegenden Fall nicht gegeben ist.

    Weiters ist davon auszugehen, dass mit der Formulierung in Z 2 "vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind" gemeint ist, dass die fraglichen Grundflächen vormals, also im Zeitpunkt der Übertragung an die Agrargemeinschaft, im Eigentum der politischen Gemeinde gestanden sind.

    Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass keine Hauptteilung stattgefunden hat und dass die agrargemeinschaftlichen Grundstücke der Deckung des Haus- und Gutsbedarfs von Stammsitzliegenschaften gedient haben.

    Strittig ist, ob die in Rede stehenden Grundstücke im Zeitpunkt der Regulierung mit Bescheid vom 16. Dezember 1940 (Regelungsplan) im Eigentum der Gemeinde oder bereits der Agrargemeinschaft standen.

    2. Mit rechtskräftigem Erkenntnis der Agrarlandeskommission für Tirol vom 17. April 1920 wurde die Generalteilung des Gemeinschaftswaldes der (oben genannten) Fraktionen der Gemeinde eingeleitet und dieses Verfahren mit einem Regulierungsverfahren verbunden.

    Aus dem Spruch dieses Bescheides gehen als tragende Rechtsvorschriften die Bestimmungen der §§ 4, 5 und 56 T.R.L.G. hervor. In der Begründung heißt es, der genannte Wald stehe im gemeinsamen Eigentum der genannten Fraktionen und sei von den Fraktionisten "als Gemeindegut im Sinne des § 63 G.O. (gemeint: § 63 TGO 1866) gemeinschaftlich genutzt." Der Teilungsantrag sei aufgrund des vom Tiroler Landesrate genehmigten Gemeindeausschuss-Beschlusses vom 27. April 1919 von der Gemeinde eingebracht worden und entspreche sohin den Bestimmungen des § 5 letzter Absatz und § 56 3. Absatz T.R.L.G.

    Die Bestimmungen der §§ 2, 4, 5 und 56 T.R.L.G. hatten folgenden Wortlaut:

"§ 2. Durch die Teilung werden Stücke des früher gemeinschaftlich gewesenen Grundes den Teilgenossen zum freien Besitze übergeben.

Die Teilung kann sein entweder eine General- oder Spezial- oder Singularteilung.

A. Die Generalteilung gemeinschaftlicher Grundstücke ist die Teilung derselben

1. zwischen gewesenen Obrigkeiten einerseits und Gemeinden (Ortschaften) oder ehemaligen Untertanen anderseits, oder

2. zwischen Gemeinden (Ortschaften) oder Gemeindeabteilungen (Ortsteilen), oder

3. zwischen der Gemeinde (Ortschaft) oder Gemeindeabteilung (Ortsteil) einerseits und einer agrarischen Gemeinschaft (Klasse der Bauern u. dgl.), oder

4. zwischen zwei oder mehreren agrarischen Gemeinschaften.

B. …..

§ 4. Gemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen, bezüglich derer entweder

a) zwischen gewesenen Obrigkeiten und Gemeinden (Ortschaften) oder ehemaligen Untertanen, sowie zwischen zwei oder mehreren Gemeinden (Ortschaften) gemeinschaftliche Besitz- und Benützungsrechte bestehen, oder

b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Gemeinde (Ortschaft), einer oder mehrerer Gemeindeabteilungen (Ortsteilen), Nachbarschaften oder ähnlichen agrarischen Gemeinschaften (Klassen der Bauern, Bestifteten, Singularisten u. dgl.) kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- und Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benützt werden.

§ 5. (1) Wo in diesem Gesetz von gemeinschaftlichen Grundstücken ohne anderweitige Bezeichnung die Rede ist, sind die im § 4 bezeichneten Grundstücke zu verstehen.

(2) …

(3) Grundstücke, welche in Ausführung des kaiserlichen Patents vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr. 130, einer Gemeinde, Ortschaft oder Gesamtheit von Berechtigten zu gemeinsamer Benützung und gemeinsamen Besitz abgetreten wurden, sind beim Vorhandensein der im § 4 bezeichneten Erfordernisse von der Anwendung des Gesetzes ebensowenig ausgeschlossen, wie das einer gemeinschaftlichen Benützung nach Maßgabe des § 63 der Gemeindeordnung vom 9. Jänner 1866, LGBl. Nr. 1, unterliegende Gemeindegut.

(4) …

(5) Für eine auf Grund dieses Gesetzes stattfindende Verteilung des Gemeindegutes ist die Genehmigung des Landesausschusses erforderlich.

§ 56. (1) Die Generalteilung gemeinschaftlicher Grundstücke (§ 2 A) hat auf Anlangen (Provokation) einer oder der anderen der im § 2 dieses Gesetzes angegebenen Parteien, zwischen denen die Teilung erfolgen soll, zu geschehen.

(2) ….

(3) Die Provokation von Seite der Gemeinde (Ortschaft) oder Gemeindeabteilung hat auf einem vom Landesausschuss bestätigten Beschlusse der Gemeinde(Orts)vertretung zu beruhen."

Die Bestimmungen der §§ 1 und 3 des Fraktionsgesetzes 1893, LGBl Nr. 32, lauteten:

"§ 1. Bei Gemeinden, welche aus mehreren selbstständigen Theilen (Fractionen) bestehen, insbesondere, wenn diese einzelnen Gemeindetheile ein abgesondertes Vermögen besitzen, kann über Ansuchen oder in Folge von Beschwerden einer oder mehrerer Fractionen die Anzahl der auf die Gesammtgemeinde nach § 14 der Gemeindeordnung entfallenden Ausschussmitglieder und Ersatzmänner unter eben diesen Gemeindefractionen aufgetheilt werden.

….

§ 3. Die Fractionen werden nach Außen durch den Gemeindevorsteher vertreten (§ 52 der Gemeindeordnung.).

Handelt es sich um besondere Fractionsangelegenheiten, welche zwischen den einzelnen Fractionen unter sich, oder zwischen der Fraction und der Gesammtgemeinde streitig sind, so werden die Fractionen durch ihren Fractionsvorsteher vertreten. ….."

Vor dem Hintergrund dieser Bestimmungen ergibt sich, dass mit dem Bescheid vom 17. April 1920 das Verfahren betreffend eine Generalteilung von Gemeindegut im Sinne der §§ 4 und 5 Abs. 3 T.R.L.G. eingeleitet wurde. Nur so ist die Zitierung des § 5 T.R.L.G. im Spruch des Bescheides und die Genehmigung des Beschlusses der Gemeindevertretung durch den Landesausschuss verständlich. Hätte es sich um Grundstücke im Sinne des § 4 lit. b T.R.L.G. gehandelt, wäre nicht nur die Einholung dieses Beschlusses nicht notwendig gewesen, sondern wäre auch die Zitierung des § 5 T.R.L.G. im Spruch des Einleitungsbescheides überflüssig gewesen. Schließlich steht diese rechtskräftig verfügte Generalteilung von Gemeindegut auch in Übereinstimmung mit der Begründung dieses Bescheides, der ausdrücklich vom Vorliegen von Gemeindegut (Fraktionsgut) im Sinne des § 63 TGO 1866 spricht (vgl. zu einem ähnlichen Sachverhalt das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2010/07/0074, und zum Verständnis des § 5 Abs. 3 T.R.L.G. das hg. Erkenntnis vom gleichen Tag, 2010/07/0091).

Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht auch der Umstand, dass die Fraktion im gemeinderechtlichen Sinn von einem gemäß § 34 T.R.L.G. bestellten Vertreter vertreten wurde. Diese Bestimmung sah u.a. vor, dass der Landesausschuss dann, wenn Gemeinden ohne eigenes Statut, Abteilungen oder Anstalten derartiger Gemeinden (Ortschaften) als unmittelbar Beteiligte an dem Teilungs- oder Regulierungsverfahren teilnahmen, für die Vertretung dieser Gemeinden (Ortschaften), Gemeindeabteilungen oder Gemeindeanstalten im Verfahren von der Einleitung an einen Vertreter zu bestellen hatte.

Die Befugnis der im vorliegenden Fall auftretenden Vertreter der Fraktion stützte sich ausdrücklich auf diese Bestimmung bzw. später auf die Nachfolgebestimmung des § 110 Abs. 1 lit. f TFLG 1935. Auch aus der Bestellung der Vertreter für u.a. eine Gemeindeabteilung ist abzuleiten, dass es sich bei der von den solcherart Befugten vertretenen Fraktion um eine Gemeindeabteilung, also um eine Fraktion im gemeinderechtlichen Sinn (und nicht um eine Fraktion als Gemeinschaft von Nutzungsberechtigten) handelte.

Daraus folgt, dass in der Einleitungsphase des Generalteilungs- und Regulierungsverfahrens vom Vorliegen von Fraktionsgut (Gemeindegut) im Sinne des § 63 TGO 1866 und damit von Gemeindeeigentum auszugehen war.

Dem zwischenzeitig ergangenen Bescheid (Liste der unmittelbar Beteiligten und Register der Anteilsrechte … betreffend das Fraktionsgut von S, Gemeinde M) vom 12. September 1934 ist unter Spruchpunkt III zu entnehmen, dass das Regulierungsgebiet im Eigentum der Fraktion S der Gemeinde M steht. Eine Qualifikation der Art der agrargemeinschaftlichen Grundstücke findet sich in diesem Bescheid nicht.

Mit Bescheid (Regelungsplan) der Agrarbezirksbehörde I vom 16. Dezember 1940 wurde schließlich in Spruchpunkt III festgestellt, dass das Regulierungsgebiet Eigentum der Agrargemeinschaft sei und ein agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinne des § 36 TFLG 1935 darstelle. Dem Konzept dieses Bescheides ist eine zum vorgedruckten Text zuerst maschinschriftlich hinzugefügte, letztlich aber durchgestrichene Erstfassung zu entnehmen, derzufolge das Gebiet "Eigentum der Fraktion und als Fraktionsgut bewirtschaftet werde und daher ein Grundstück im Sinne des § 36 FLG sei."

§ 36 TFLG 1935 hatte folgenden Wortlaut:

"(1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind solche,

a)….

b) welche von allen oder von gewissen Mitgliedern einer Ortsgemeinde (Ortschaft), einer oder mehreren Gemeindeabteilungen (Ortsteile), Nachbarschaften oder ähnlicher agrarischer Gemeinschaften kraft ihrer persönlichen oder mit einem Besitze verbundenen Mitgliedschaft oder von den Mitberechtigten an Wechsel- oder Wandelgründen gemeinschaftlich oder wechselweise benutzt werden.

(2) Zu diesen Grundstücken sind, unbeschadet der Rechte an einer bereits vollendeten Ersitzung, ferner zu zählen:

  1. a)
  2. d) das einer gemeinschaftlichen Benutzung nach den Bestimmungen der Gemeindeordnung unterliegende Gemeindegut bzw. ehemalige Ortschafts- oder Fraktionsgut;

    e) …"

    § 36 TFLG 1935 umfasste nun in seinem Abs. 1 lit. b) das gemeinsam genutzte Gut von Nutzungsberechtigen und in seinem Abs. 2 lit. d) das Gemeindegut. Die im Spruch genannte Eigenschaft der Grundstücke als solche nach "§ 36 TFLG 1935" sagt daher über die Qualifikation der Flächen nichts Genaueres aus.

    3. § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996 spricht von der Übertragung von Eigentum von der Gemeinde auf die Agrargemeinschaft. Im vorliegenden Fall ist der diesbezüglich entscheidende Zeitpunkt der der Bescheiderlassung vom 16. Dezember 1940, findet sich doch dort erstmals die Feststellung, die Eigentümerin des Regulierungsgebietes sei die Agrargemeinschaft.

    Bei der Beurteilung der Frage, in wessen Eigentum in diesem Zeitpunkt die vom Regulierungsgebiet umfassten Grundstücke standen, schließt sich der Verwaltungsgerichtshof der Ansicht der belangten Behörde an. Vor dem Hintergrund des dargestellten Verständnisses des Begriffes "Fraktionsgut" im Einleitungsbescheid vom 17. April 1920 ergibt sich das Bild, dass es sich bei diesen Grundstücken um Fraktionsgut im Sinne der gemeinderechtlichen Bestimmungen (vgl. dazu auch die §§ 1 und 3 des Fraktionsgesetzes 1893, LGBl. Nr. 32) und damit um Gemeindegut handelte. Ein gleiches Bild, wonach im vorliegenden Fall unter Fraktionsgut Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde verstanden wurde, bieten die weiteren, von der belangten Behörde dargestellten Vorgänge im Verfahren (zB. die Rechtsgrundlage für die Vertreterbestellung für die Fraktion); die Ansicht der belangten Behörde, es sei damals Gemeindegut vorgelegen, begegnet daher keinen Bedenken.

    Dieses Fraktionsgut (Gemeindegut) stand aber im Eigentum der Gemeinde und wurde infolge des Bescheides vom 16. Dezember 1940 in das Eigentum der Agrargemeinschaft übertragen.

    Auch im hier vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass Gemeindegut im Sinne der TGO 1928 durch den Bescheid vom 16. Dezember 1940 in das Eigentum der Agrargemeinschaft übertragen wurde. Eine der Folgen einer solchen Vorgangsweise ist aber - hier sei wiederum auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 18.446/2008 verwiesen -, dass der Substanzwert an solchen Grundstücken der Gemeinde zukommt. Solche Agrargemeinschaften sind daher Gemeindegutsagrargemeinschaften nach § 33 Abs. 2 lit. c Z. 2 TFLG 1996.

    4. In der Beschwerde wirft die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vor, diese "philosophiere sich durch historische Dokumente und begnüge sich mit Spekulation." Dieser Vorwurf ist angesichts des Akteninhaltes, auf den sich die Begründung des angefochtenen Bescheides bezieht und der daraus von der belangten Behörde zutreffend gezogenen Schlussfolgerungen nicht nachzuvollziehen. Die in diesem Zusammenhang von der Agrargemeinschaft angestellten allgemeinen Überlegungen zur Situation von Agrargemeinschaften in Tirol vermögen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

    Die Beschwerdeführerin bekämpft in weiterer Folge näher dargestellte Feststellungen des angefochtenen Bescheides. Wie sich aus der Ausführung dieser Teile der Beschwerde ergibt, geht es in diesen Zusammenhängen nicht um Rügen der Feststellungen des Sachverhaltes sondern um die Kritik an den daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen.

    Die von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen stehen in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt. Wie soeben dargetan wurde, bewirkten die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen aber keine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin. Diese Rügen waren daher nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

    Zu dem unter dem Aspekt einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung erstatteten Vorbringen der Beschwerdeführerin ist auf die obigen Ausführungen und im Übrigen grundlegend auf die Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2011, 2010/07/0091, zu verweisen.

    5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    6. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

    Wien, am 24. Mai 2012

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