VwGH 2011/05/0173

VwGH2011/05/017311.12.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, in der Beschwerdesache 1. des Dr. A G und 2. der M G, beide in G, beide vertreten durch Dr. Longin Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 27. Oktober 2011, Zl. IKD(BauR)-014368/3-2011-Gus/Neu, betreffend die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 18 Abs. 3 Oö. Bautechnikverordnung (mitbeteiligte Parteien: 1. D GmbH in 5020 Salzburg, vertreten durch Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, 2. Stadtgemeinde G), den Beschluss gefasst:

Normen

AHG 1949 §11 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
AHG 1949 §11 Abs1;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Kostenzuspruch findet nicht statt.

Begründung

Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. Juli 2011 wurde der erstmitbeteiligten Partei zur Errichtung eines Gebäudes eine zeitlich befristete Ausnahmebewilligung von der Bauzeit für einen 24-Stunden-Betrieb und vom Baulärm mit einer Reihe von Vorschreibungen erteilt (die zeitliche Befristung stellt auf den Beginn der jeweiligen Bauarbeiten ab). Die Berufung der Beschwerdeführer, die Eigentümer benachbarter Grundstücke sind, blieb erfolglos (abweislicher Berufungsbescheid vom 10. August 2011), ihre Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Die erstmitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und darin mit näherer Begründung vorgetragen, die gegenständlichen Bauarbeiten, für welche die zeitlich befristete Ausnahmebewilligung erteilt worden sei, seien bereits abgeschlossen und es sei die Bewilligung bereits vollständig konsumiert worden. Es liege daher ein Fall des § 33 Abs. 1 VwGG vor. Beantragt wurde, die Beschwerde als gegenstandslos geworden zu erklären, das Verfahren einzustellen und die Beschwerdeführer zum Kostenersatz zu verpflichten; hilfsweise, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, zu der von der erstmitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift angesprochenen Frage der Gegenstandslosigkeit (sogenannte "überholende Gegenstandslosigkeit") Stellung zu nehmen, äußerten sich die Beschwerdeführer in ihrem Schriftsatz vom 19. November 2012 ablehnend: Eine formelle Klaglosstellung sei nicht eingetreten. Ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführer an einer Sachentscheidung sei nach wie vor gegeben, ansonsten würde jeglicher Rechtsschutz zum Nachteil der Beschwerdeführer ausgehöhlt werden, weil beim gegebenen Verfahrensablauf einer Beschwerde gegen die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von vornherein der Boden entzogen werden würde, weil erfahrungsgemäß das Beschwerdeverfahren einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme. Der angefochtene Bescheid entfalte weiterhin Rechtswirkungen für den vorhergehenden Zeitraum und stehe insoweit für die Vergangenheit noch in Geltung. Durch die Konsumation der erteilten Ausnahmebewilligung sei jedenfalls die beschwerdegegenständlich gemachte Gesetzwidrigkeit und der Eingriff in subjektivöffentliche Rechte der Beschwerdeführer nicht beseitigt worden, auch wenn dieser Eingriff in der Vergangenheit liege. Es dürfe dabei nicht übersehen werden, dass durch die Inanspruchnahme der Ausnahmegenehmigung die Beschwerdeführer einer unzumutbaren Lärmsituation auch in der Nachtzeit ausgesetzt gewesen seien, die sie massiv in ihrer Nachtruhe gestört habe. Dazu komme auch noch, dass während der Bauphase die Baustelle in der Nachtzeit taghell erleuchtet gewesen sei, was zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Nachtruhe geführt habe. Diese Beeinträchtigungen seien nicht mehr reversibel und es wirke deren Gesetzwidrigkeit daher auf einem Zeitraum seit der Erteilung der Ausnahmegenehmigung auch in die Vergangenheit zurück. Insoweit bestehe nach wie vor ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführer an der geltend gemachten Feststellung der Gesetzwidrigkeit der erteilten Ausnahmegenehmigung sowie des durch die Genehmigung bedingten gesetzwidrigen Eingriffes in ihre subjektiv-öffentlichen Rechte. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die erteilte Ausnahmegenehmigung noch einmal in Anspruch genommen werde. Die Ausnützung der Ausnahmegenehmigung sei nach ihrem Inhalt nicht etwa zeitlich auf einen bestimmten Zeitraum beschränkt worden. Es könne daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass der beschwerdegegenständliche Bescheid auch noch in die Zukunft fortwirkend in die Rechte der Beschwerdeführer eingreifen und diese verletzen könnte. Im Übrigen bestehe ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführer an der Feststellung der Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Bescheides, nicht zuletzt auch unter Bedachtnahme auf Amtshaftungsansprüche, weiters auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung der angefallenen Kosten.

Die Beschwerde ist gegenstandlos.

Voraussetzung für die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist, dass zumindest die Möglichkeit besteht, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in dem vom ihm als Beschwerdepunkt geltend gemachten subjektiven öffentlichen Recht verletzt sein kann. Fällt diese Rechtsverletzungsmöglichkeit nach Einbringung der Beschwerde weg, so ist im Fall der Klaglosstellung die Beschwerde zufolge § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führt das Rechtsinstitut der Gegenstandsloserklärung über den Fall der Klaglosstellung im Sinne einer formellen Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof hinaus immer dann zu einer Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, wenn weder die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Beschwerde noch für eine Sachentscheidung vorliegen. Eine Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof setzt nämlich, wie sich aus Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ergibt, voraus, dass durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtsstellung des Beschwerdeführers noch berührt werden kann. Die Gesetzesbestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren der Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden schlechthin (wie die Beschwerdeführer möglicherweise meinen), sondern nur auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (siehe etwa den hg. Beschluss vom 16. September 2011, Zl. 2008/02/0258, mwN, uva.).

Gemäß § 11 Abs. 1 AHG hat das ordentliche Gericht im Amtshaftungsprozess das Verfahren zu unterbrechen und die Frage der Rechtmäßigkeit eines für seine Entscheidung präjudiziellen Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, wenn es den Bescheid für rechtswidrig hält. Mögliche Amtshaftungsansprüche hindern daher die Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wegen Gegenstandlosigkeit nicht (siehe dazu beispielweise den hg. Beschluss vom 27. Jänner 2012, Zl. 2008/17/0159, mwN., uam.); das Unterbleiben einer Sachentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hindert das Amtshaftungsgericht nicht, einen Antrag im Sinne des § 11 AHG zu stellen (siehe den hg. Beschluss vom 27. Jänner 2011, Zl. 2009/21/0163, mwN.).

Die bekämpfte Ausnahmebewilligung wurde für zwei Gleitbauphasen erteilt, wobei die Bewilligung für die Phase 1 mit einer Dauer von maximal neun Tagen, die Bewilligung für die in einem zeitlichen Abstand von etwa 1 1/2 Monaten später stattfindende Phase 2 mit einer Dauer von maximal zwölf Tagen begrenzt wurde. Weiters wurde (unter anderem) aufgetragen, den Beginn der Inanspruchnahme der Ausnahmebewilligung jeder Bauphase der Baubehörde und den Beschwerdeführern mindestens fünf Tage vorher schriftlich bekanntzugeben. Die Beschwerdeführer haben in ihrer Vorstellung vom 16. August 2011 vorgetragen, der Siloturmbau sei hinsichtlich der Fundamentierung bereits so weit fortgeschritten, dass bereits umgehend mit der Durchführung der Gleitbaumaßnahmen begonnen werden könne. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass mit den Arbeiten in den nächsten Tagen begonnen werde. Sie haben sodann mit ihrer Beschwerde die Bekanntgabe der erstmitbeteiligten Partei vom 28. Oktober 2011 vorgelegt, dass die Ausführung der maximal 12tägigen Gleitbauphase am 7. November 2011 beginnen werde. In einem Schriftsatz vom 8. November 2011 haben sie bekanntgegeben, dass die Bauarbeiten am 7. November 2011 begonnen hätten. Die erstmitbeteiligte Partei hat mit ihrer Gegenschrift eine Bestätigung der Baubehörde vom 28. Dezember 2011 vorgelegt, wonach die bescheidmäßig erteilte temporäre Ausnahmebewilligung bereits vollständig konsumiert wurde und laut schriftlicher Mitteilung der erstmitbeteiligten Partei vom 18. November 2011 die Gleitbauarbeiten am 17. November 2011 abgeschlossen wurden. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass die erteilte Ausnahmebewilligung rechtens weiterhin oder nochmals ausgenützt werden dürfte.

Die Bauarbeiten wurden durchgeführt. Die damit verbundenen Unbillen, die die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde ins Treffen führen, lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Da, wie gesagt, das Gesetz den Beschwerdeführern keinen Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden schlechthin einräumt und auch mögliche Amtshaftungsansprüche (dies ebenfalls im Hinblick auf die im Verwaltungsverfahren betreffend diese Ausnahmegenehmigung aufgewendeten Kosten) kein rechtliches Interesse begründen, das der Gegenstandslosigkeit entgegenstünde, und auch sonst nicht ersichtlich ist, inwiefern die Rechtssphäre der Beschwerdeführer durch eine allfällige Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu ihren Gunsten verändert werden könnte (siehe abermals den bereits genannten hg. Beschluss vom 16. September 2011, mwN), war die Beschwerde gemäß § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos zu erklären und das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 58 Abs. 2 VwGG. Eine Beurteilung, welchen Ausgang das Beschwerdeverfahren genommen hätte, wäre das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin nicht nachträglich weggefallen, ist nicht ohne weiteres möglich und würde daher einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten. Es war daher gemäß § 58 Abs. 2 VwGG nach freier Überzeugung zu entscheiden und kein Aufwandersatz zuzusprechen.

Wien, am 11. Dezember 2012

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