VwGH 2010/17/0021

VwGH2010/17/002124.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und den Hofrat Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätin Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Martin Benning, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 21. Dezember 2009, Zl. UVS- 05/KV/56/6776/2009-1, betreffend Vollstreckung iZm Strafen wegen Übertretung des Wr. Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

MRK Art6;
VStG §31 Abs3;
VStG §54b Abs3;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §39 Abs2 Z6;
MRK Art6;
VStG §31 Abs3;
VStG §54b Abs3;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §39 Abs2 Z6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 16. August 2004 bestrafte die belangte Behörde den Beschwerdeführer im Instanzenzug wegen 37 Übertretungen des Wiener ParkometerG. Diese Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 27. August 2004 durch Hinterlegung zugestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof gewährte der dagegen erhobenen Beschwerde keine aufschiebende Wirkung. Er lehnte mit Beschluss vom 20. November 2006, Zl. 2004/17/0164, deren Behandlung ab. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 11. Jänner 2007 zugestellt.

Mit Bescheid vom 2. August 2006 bewilligte der Magistrat der Stadt Wien dem Beschwerdeführer die Stundung, wonach EUR 1.800,-- bis zum 2. Februar 2007 zu entrichten seien. In dem Rückstandsausweis scheint die gegenständliche Strafe nicht als ausständig auf.

Mit Bescheid vom 11. Jänner 2008 (Pfändungsverfügung) verfügte der Magistrat der Stadt Wien in Bezug auf die gegenständliche Strafe eine Pfändung und eine Überweisung von Bezügen aus Dienst- und Arbeitsübereinkommen gegenüber dem Drittschuldner (Gesamthöhe EUR 12.310,30).

Mit Bescheid ebenfalls vom 11. Jänner 2008 schrieb der Magistrat gegenüber dem Beschwerdeführer Pfändungsgebühren und Barauslagen in Höhe von EUR 18,70 vor.

In der Folge wurde die Lohnpfändung nach einer Teilzahlung des Beschwerdeführers auf den zu pfändenden Gesamtbetrag von EUR 11.267,30 eingeschränkt.

Mit Schreiben vom 4. April 2008 ersuchte der Beschwerdeführer um eine Besprechung mit Vertretern des Magistrats, weil seines Erachtens die offenen Strafbeträge verjährt seien.

Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 drohte der Magistrat dem Beschwerdeführer die zwangsweise Öffnung seiner Wohnung an.

Mit Schreiben von 18. Juni 2009 teilte der Beschwerdeführer dem Magistrat mit, dass bezüglich der gegenständlichen Strafe die Exekution eingeleitet worden sei. Es sei jedoch bereits 2007 Vollstreckungsverjährung eingetreten. Die Exekution möge daher eingestellt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Einwendungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 iVm § 3 Abs. 1 Satz 3 VVG als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass mit Zustellung des Berufungsbescheides am 27. August 2004 die Frist des § 31 Abs. 3 VStG zu laufen begonnen habe. Jene Zeiten in denen die Rechtsache beim Verwaltungsgerichtshof, unabhängig einer aufschiebenden Wirkung, anhängig gewesen sei (vom Einlangen der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof am 12. Oktober 2004 bis zur Zustellung des Ablehnungsbeschlusses am 11. Jänner 2007), seien nicht einzuberechnen. Der (sich damit überschneidende) Zeitraum, in welchem die Stundung (bis 2. Februar 2007) bewilligt worden sei, sei ebenfalls nicht einzuberechnen. Die Vollstreckungsverjährung sei daher im Entscheidungszeitpunkt noch nicht eingetreten. Zudem habe es bereits Vollstreckungshandlungen gegenüber dem Beschwerdeführer gegeben. Im Jänner 2008 sei eine Lohnpfändung sowie vergeblich eine Fahrnisexekution betrieben worden. Am 13. Mai 2009 sei eine Zahlungsaufforderung an den Beschwerdeführer zugestellt worden. Es seien ihm auch Pfändungsgebühren für eine Amtshandlung am selben Tag vorgeschrieben worden. Am 4. Juni 2009 sei dem Beschwerdeführer die zwangsweise Öffnung der Wohnung angedroht worden. Da der tatsächliche Vollzug vor Eintritt der Vollstreckungsverjährung eingesetzt habe, seien auch aus diesem Grunde die als Oppositionseinrede nach § 35 EO gewerteten Eingaben als unbegründet abzuweisen gewesen. Darüber hinaus werde darauf hingewiesen, dass die Verjährungsbestimmung des § 31 Abs. 3 VStG nicht für die Kosten des Strafverfahrens gelte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten ohne Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat im Vollstreckungsverfahren im Wesentlichen geltend gemacht, dass dem Vollzug der über ihn verhängten Strafe bereits Vollstreckungsverjährung nach § 31 Abs. 3 VStG entgegenstehe und in der Folge die Einstellung der Exekution beantragt. Die belangte Behörde hat diese Anträge als unbegründet abgewiesen. Strittig ist im Beschwerdefall ausschließlich, ob die belangte Behörde zu Recht den Eintritt der Vollstreckungsverjährung verneint hat.

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen oder sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen sind nach § 54b Abs. 1 VStG 1991 zu vollstrecken.

Nach § 31 Abs. 3 VStG darf eine Strafe nicht mehr vollstreckt werden, wenn seit ihrer rechtskräftigen Verhängung drei Jahre vergangen sind. Die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, vor dem Verwaltungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sowie Zeiten, während deren die Strafvollstreckung unzulässig, ausgesetzt, aufgeschoben oder unterbrochen war, sind nicht einzurechnen.

Die Bewilligung eines Zahlungsaufschubes nach § 54b Abs. 3 VStG (Stundung) hemmt die Vollstreckungsverjährung, nicht hingegen die Bewilligung von Ratenzahlungen (vgl. Thienel/Schulev-Steindl, Das Verwaltungsverfahrensrecht5, 545).

Die Vollstreckung von Strafbescheiden erfolgt jedenfalls dann noch rechtzeitig, wenn vor dem Ablauf der Verjährungsfrist mit dem tatsächlichen Vollzug der Strafe begonnen wurde (vgl. wieder Thienel/Schulev-Steindl, Das Verwaltungsverfahrensrecht5, 464, mwN).

Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die Feststellung der belangten Behörde, dass die Berufungsentscheidung vom 16. August 2004 dem Beschwerdeführer am 27. August 2004 durch Hinterlegung zugestellt wurde, die dagegen erhobene Beschwerde am 12. Oktober 2004 beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschluss über die Ablehnung der Behandlung dieser Beschwerde beim Beschwerdeführer am 11. Jänner 2007 eingelangt ist. Ebenso wenig wird in der Beschwerde behauptet, dass die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen über die Lohnpfändung im Jänner 2008 sowie die Androhung der zwangsweisen Öffnung der Wohnung am 4. Juni 2009 unrichtig gewesen seien. Daraus ergibt sich aber für den Beschwerdefall, dass mit der Vollstreckung der Geldstrafe noch vor Ablauf der Verjährungsfrist gem. § 31 Abs. 3 VStG begonnen wurde. Ob der angefochtene Bescheid selbst nach dem Ablauf dieser Frist ergangen ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Sollte das weitere Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen sein, dass die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof nur dann bei der Berechnung der Verjährungsfrist nicht zu berücksichtigen sei, wenn eine Vollstreckung nicht möglich wäre (etwa weil der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung ausgesprochen hat), so ist der Beschwerdeführer auf den Wortlaut der Bestimmung des § 31 Abs. 3 zweiter Satz VStG zu verweisen. Dieser lässt eine einschränkende Deutung im Sinne der Beschwerde nicht zu. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof in jedem Fall bei der Fristenberechnung außer Ansatz zu bleiben hat, und zwar unabhängig davon, ob der Beschwerde aufschiebende Wirkung gewährt wurde oder nicht.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und wenn nicht Art. 6 Abs. 1 EMRK dem entgegensteht.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41) unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 10. August 2000, Zl. 2000/07/0083, und vom 14. Mai 2003, Zl. 2000/08/0072). Dieser Umstand liegt aber auch im gegenständlichen Fall vor, weil in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, dass deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 24. Oktober 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte