VwGH 2010/08/0259

VwGH2010/08/025917.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der 1. G GmbH, 2. RR, beide in W, beide vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 15. November 2010, Zl. UVS-07/A/57/7928/2010-8, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §33 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
ASVG §111 Abs1 Z1;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §33 Abs2;
ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs4;
GSVG 1978 §2 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung - sohin im Schuld-, Straf-und Haftungsausspruch betreffend die Nichtmeldung der Pflichtversicherung des CF. - wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - soweit für die Beschwerde noch von Bedeutung - den Zweitbeschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Geschäftsführer der erstbeschwerdeführenden Partei zu verantworten, dass diese es als Dienstgeberin am 6. November 2009 unterlassen habe, den von ihr an diesem Tag in der Diskothek C. beschäftigten, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherten CF. vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Er habe dadurch § 33 Abs. 2 ASVG iVm § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG verletzt. Über ihn werde eine Geldstrafe von EUR 770,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage und 2 Stunden) verhängt. Die erstbeschwerdeführende Partei hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gegenstand der Beschwerde ist nur die Bestrafung wegen Unterlassung der Meldung der Beschäftigung CF. als Discjockey. Dieser war seit ca. 5 Jahren im Wesentlichen ausschließlich für die erstbeschwerdeführende Gesellschaft tätig, und zwar dreimal in der Woche (Donnerstag, Freitag, Samstag), meistens von 20.30 Uhr bis 6.00 Uhr Früh. Dabei verdiente er ca EUR 330,-- netto pro Tag. Maximal fünfmal im Jahr hat er auch in anderen Diskotheken gearbeitet.

Die Beschwerde vertritt den Standpunkt, es läge ein Werkvertrag vor. CF. sei selbständig als Discjockey bei der erstbeschwerdeführenden Partei tätig gewesen. Eine Meldepflicht habe nicht bestanden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber oder deren gemäß § 35 Abs. 3 ASVG Bevollmächtigte jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (vollversicherte und teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; dazu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Zur Auslegung des Dienstnehmerbegriffs gemäß § 4 Abs. 2 ASVG besteht umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe dazu aus jüngerer Zeit etwa die hg. Erkenntnisse vom 28. März 2012, Zl. 2009/08/0135, und vom 11. Juli 2012, Zl. 2010/08/0137, jeweils mwN). So hängt die Beantwortung der Frage, ob bei der Erfüllung einer übernommenen Arbeitspflicht (also der Beschäftigung) die Merkmale persönlicher Abhängigkeit einer Person vom Arbeitsempfänger gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen, davon ab, ob nach dem Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen einer Beschäftigung (zB aufgrund eines Werkvertrages oder eines freien Dienstvertrages) - nur beschränkt ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, VwSlg. 12.325 A).

Unterscheidungskräftige Kriterien dieser Abgrenzung sind nur die Bindung des Beschäftigten an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie zum Beispiel die längere Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder ein das Arbeitsverfahren betreffendes Weisungsrecht des Empfängers der Arbeit) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt.

Mit der Abgrenzung des Dienstvertrages vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20. Mai 1980, VwSlg. Nr. 10.140 A, grundlegend beschäftigt und - in Übereinstimmung mit der in diesem Erkenntnis zitierten Lehre - ausgeführt, dass es entscheidend darauf ankommt, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet (diesfalls liege ein Dienstvertrag vor) oder ob er die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernimmt (in diesem Fall liege ein Werkvertrag vor), wobei es sich im zuletzt genannten Fall um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, während es im Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Letzteren zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit (in Eingliederung in den Betrieb des Leistungsempfängers sowie in persönlicher und regelmäßig damit verbundener wirtschaftlicher Abhängigkeit von ihm) ankommt. Vom Dienstvertrag ist jedoch überdies der "freie Dienstvertrag" zu unterscheiden, bei dem es auf die geschuldete Mehrheit gattungsmäßig umschriebener Leistungen, die von Seiten des Bestellers laufend konkretisiert werden, ohne persönliche Abhängigkeit ankommt.

Der Auffassung der beschwerdeführenden Parteien, CF. habe seine Tätigkeit als Discjockey im Rahmen eines Werkvertrags ausgeübt, ist schon deshalb verfehlt, weil keine Verpflichtung bestand, eine genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen, und ein Endprodukt, auf das sich das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers richten könnte, nicht vorhanden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2011, Zl. 2008/08/0222, mwN).

Die belangte Behörde hat festgestellt, dass kein schriftlicher Dienstvertrag errichtet worden sei. CF. habe sich zur Erbringung von Arbeitsleistungen, nämlich dem Abspielen von Musik, verpflichtet, wobei er die Musik selbst beigestellt habe. Er sei an die Öffnungszeiten des Lokals gebunden gewesen und habe seine Tätigkeit in den Räumlichkeiten des Dienstgebers mit dessen Gerätschaften (Tonanlage, Verstärker, Lichtanlage) verrichtet. Die Tonträger habe CF. selbst mitgebracht. Er sei beinahe ausschließlich für die erstbeschwerdeführenden Partei tätig gewesen. Höchstens fünf Mal im Jahr habe er auch für andere Arbeitgeber gearbeitet. Er habe dem Zweitbeschwerdeführer angekündigt, wenn er - etwa durch Urlaub - an der Arbeit gehindert war, und habe sich nur in Notfällen um Ersatz bemühen müssen. Er sei zur persönlichen Erbringung der Dienstleistung verpflichtet gewesen und sei pro Arbeitsstunde bezahlt worden. CF. sei unter ähnlichen Bedingungen tätig gewesen wie ein Arbeitnehmer.

Die belangte Behörde ist - ohne sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides rechtlich näher festzulegen - erkennbar davon ausgegangen, dass CF. (zumindest) im Rahmen eines freien Dienstvertrages iSd § 4 Abs. 4 ASVG tätig geworden ist und diese Beschäftigung gemäß § 33 Abs. 1 ASVG hätte gemeldet werden müssen (vgl. zur Tätigkeit von Discjockeys als freier Dienstnehmer das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, 2010/08/0209).

Allerdings hat es die belangte Behörde auf dem Boden dieser Annahme verabsäumt, auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien betreffend das Vorliegen einer Gewerbeberechtigung des CF. für seine Tätigkeit (dem Verwaltungsakt zu Folge für die "Erbringung von Dienstleistungen der Unterhaltung und der Erholung") Bedacht zu nehmen und Feststellungen über das allfällige Vorliegen einer Pflichtversicherung des CF. iSd § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG zu treffen, die gemäß § 4 Abs. 4 lit. a ASVG die Pflichtversicherung als freier Dienstnehmer und damit auch eine Meldeverpflichtung nach § 33 ASVG ausschließen würde.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 17. Oktober 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte