VwGH 2010/08/0150

VwGH2010/08/015014.11.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Peck, über die Beschwerde der F GmbH & Co. in G, vertreten durch Dr. Josef Kaiblinger, Rechtsanwalt in 4623 Gunskirchen, Marktplatz 1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 30. März 2010, Zl. 14-SV-3087/2/10, betreffend Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 56 ASVG (mitbeteiligte Partei: Kärntner Gebietskrankenkasse in 9021 Klagenfurt, Kempfstraße 8), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §33 Abs1;
ASVG §414;
ASVG §56 Abs1;
ASVG §33 Abs1;
ASVG §414;
ASVG §56 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit erstinstanzlichem Bescheid der mitbeteiligten (Kärntner) Gebietskrankenkasse vom 11. Februar 2010 wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 56 Abs. 1 ASVG verpflichtet, für den ehemaligen Dienstnehmer C.T. aufgrund der nicht fristgerecht eingegangenen Abmeldung mit Beschäftigungs- und Entgeltende 26. Juni 2009 die "allgemeinen Beiträge" vom 27. Juni 2009 bis 24. September 2009 in Höhe von EUR 2.162,08 zu entrichten. Die Abmeldung sei bei der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse erst am 8. Jänner 2010 eingelangt.

In ihrem dagegen erhobenen Einspruch vom 17. Februar 2010 brachte die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen vor, dass sie eine fristgerechte Abmeldung erstellt habe, doch "durch EDV Umstellung bzw. bei der Übermittlung mittels ELBA (gemeint wohl: ELDA) ein Problem" gehabt habe. Sie verwies diesbezüglich auf eine dem Einspruch beigelegte "Abmeldung", die am 29. Juni 2009 um 13:27 Uhr durchgeführt und versendet worden sei. Es sei auch keine Fehlermeldung ausgewiesen worden.

In einer Stellungnahme im Verfahren vor der belangten Behörde vom 24. März 2010 führte die beschwerdeführende Partei weiters aus, dass die korrekte Abmeldung auch durch "einen Auszug eines Protokolls" ersichtlich sei. Leider sei die Abmeldung "aus techn. Gründen" nicht übermittelt worden. Auf den Übermittlungsfehler sei die beschwerdeführende Partei erst am 8. Jänner 2010 durch "die GKK" aufmerksam gemacht worden und es sei daraufhin eine neuerliche Abmeldung nachgesendet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens und auszugsweiser Zitierung des § 56 ASVG aus, dass dem Verfahren der unstrittige Sachverhalt zugrunde liege, dass die beschwerdeführende Partei den Dienstnehmer C.T. nicht fristgerecht nach dem Ende der Pflichtversicherung abgemeldet habe und die Abmeldung erst am 8. Jänner 2010 bei der Kasse eingelangt sei. Zum Einspruchsvorbringen der beschwerdeführenden Partei, wonach die Abmeldung fristgerecht erstellt worden, jedoch bei der EDV-Übermittlung ein Fehler aufgetreten sei, führte die belangte Behörde aus, dass grundsätzlich der Dienstgeber für das rechtzeitige und ordnungsgemäße Einlangen der Meldungen beim zuständigen Träger der Krankenversicherung verantwortlich sei und alle geeigneten Vorkehrungen zu treffen habe, damit der zuständige Träger der Krankenversicherung die termingebundenen Versicherungs- oder Abrechnungsunterlagen zeitgerecht erhalte. Er hafte gegenüber dem zuständigen Träger der Krankenversicherung für ein Fehlverhalten.

Die einen Zeitraum von über sechs Monaten umfassende Verspätung der Abmeldung stelle ein "langfristiges Versäumnis" dar. Hinzu komme, dass bei der beschwerdeführenden Partei auch im Kalenderjahr 2009 bereits eine Meldepflichtverletzung vorgemerkt sei und hierfür Ordnungsbeiträge vorgeschrieben werden mussten.

Der Dienstgeber sei allein für die Einhaltung der Meldetermine verantwortlich und sei die Vorschreibung des Ordnungsbeitrags vom Gesetzgeber an kein Verschulden des Dienstgebers gebunden. Vielmehr bedinge die objektive Fristüberschreitung allein die Vorschreibung. Im bisherigen Gesamtverhalten der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf die Erfüllung von sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten einerseits und unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse andererseits liege daher kein Grund dafür vor, vom Ermessen des § 56 Abs. 3 ASVG Gebrauch zu machen und das Ausmaß des vorgeschriebenen Ordnungsbeitrags zu reduzieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete einen als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz, in dem sie auf ihre Ausführungen im Vorlagebericht vom 24. Februar 2010 verwies.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

Gemäß § 56 Abs. 1 ASVG sind für Versicherte, die vom Dienstgeber nicht oder nicht rechtzeitig abgemeldet werden, die allgemeinen Beiträge bis zum Zeitpunkt der schriftlichen Abmeldung durch den Dienstgeber, längstens aber für die Dauer von drei Monaten nach dem Ende der Versicherung, weiter zu entrichten. Gemäß Abs. 3 leg. cit. kann der Versicherungsträger, bei dem die Beiträge einzuzahlen sind, auf die Weiterentrichtung der Beiträge über das Ende der Versicherung hinaus zur Gänze oder zum Teil verzichten und bereits entrichtete Beiträge dieser Art zurückerstatten.

2. Die beschwerdeführende Partei wendet sich in ihrer Beschwerde (unter anderem) gegen die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vertretene Ansicht, dass dem gegenständlichen Verfahren ein unstrittiger Sachverhalt zugrunde liege. Die beschwerdeführende Partei habe darauf hingewiesen und durch Urkundenvorlage auch entsprechend belegt, dass die Abmeldung des Dienstnehmers C.T. am 26. Juni 2009 erfolgt sei, wobei die Abmeldung noch am selben Tag um 13:29 Uhr an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gesendet worden sei.

Selbst wenn elektronische Anbringen auf Gefahr des Einschreiters reisen würden, sodass dieser das Risiko für den Verlust des Anbringens auf dem Übermittlungsweg zu tragen hätte, könne diese Gefahrtragungsregel nicht dahingehend verstanden werden, dass den Einschreiter auch die Beiweislast für das Ankommen des Anbringens auf dem von der Behörde benutzten Server treffe. Dieser Beweis sei seitens des Einschreiters mangels Kontrollmöglichkeiten regelmäßig nicht zu erbringen. Dementsprechend müsse es für die Annahme des rechtzeitigen Einbringens auf Seiten des Einschreiters im Zusammenhang mit § 56 Abs. 1 ASVG genügen, wenn dieser - wie im vorliegenden Fall - nachweisen könne, dass die Abmeldung auf elektronischem Weg abgesendet worden sei, ohne dass eine Fehlermeldung vorgelegen sei.

3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gilt eine Meldung nach § 33 Abs. 1 ASVG - wie hier die Abmeldung eines Dienstnehmers - nur dann als erstattet, wenn sie beim Versicherungsträger eingelangt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2008/08/0201, mwN).

Im Beschwerdefall ging die belangte Behörde davon aus, dass eine Abmeldung des von der beschwerdeführende Partei beschäftigten C.T. mit Beschäftigungsende 26. Juni 2009 erst am 8. Jänner 2010 und damit außerhalb der vom § 33 Abs. 1 ASVG geforderten siebentägigen Frist für Abmeldungen beim Versicherungsträger eingelangt sei. Der Sachverhalt, auf den sich die Annahme der verspäteten Abmeldung stütze, sei unstrittig.

Schon in ihrem Einspruch hat die beschwerdeführende Partei allerdings vorgebracht, dass sie eine fristgerechte Abmeldung erstellt und versendet habe und keine Fehlermeldung ausgewiesen worden sei. Diesbezüglich hat sie einen Computerausdruck - übertitelt mit "Abmeldung" - vorgelegt, auf dem (unter anderem) der Name des Dienstnehmers, das Datum seines Beschäftigungsendes sowie der Eintrag "Gesendet am ……: 29.06.2009 13:29 Uhr" vermerkt sind.

Die belangte Behörde hat sich mit dem Inhalt und dem Beweiswert dieses Schriftstücks nicht auseinandergesetzt. Sie hat auch keine Ermittlungen zu der Frage geführt, ob eine Übertragung der - von der beschwerdeführenden Partei behauptetermaßen fehlerfrei abgesendeten - Abmeldung des Dienstnehmers C.T. erfolgte bzw. ob diese beim Versicherungsträger einlangte. Sie hat sich in der Begründung des angefochtenen Bescheids überhaupt mit der Frage der Übertragung der Abmeldung und möglichen Übertragungsfehlern bzw. wem diese zuzurechnen sind, nicht auseinandergesetzt, sondern in diesem Punkt den Sachverhalt als "unstrittig" bezeichnet.

Damit genügt die Begründung des angefochtenen Bescheids nicht den Anforderungen des § 60 AVG, wonach in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen sind (vgl. genauer zu den Anforderungen dieser Bestimmung an eine Bescheidbegründung unter vielen das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2011, Zl. 2008/08/0222). An einer Beweiswürdigung fehlt es im angefochtenen Bescheid nämlich gänzlich. Auch auf welche Beweisergebnisse bzw. welches Vorbringen die belangte Behörde ihre Schlussfolgerung stützt, dass eine verspätete Abmeldung "unstrittig" vorliege, geht aus der Begründung nicht hervor.

Dieser Begründungsmangel ist wesentlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei einer näheren Auseinandersetzung mit dem Einspruchsvorbringen der beschwerdeführenden Partei zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass eine Übermittlung der Abmeldung des C.T. am 29. Juni 2009 - und damit innerhalb der siebentägigen Frist des § 33 Abs. 1 ASVG - stattgefunden hat und die Abmeldung auch beim Versicherungsträger eingegangen ist, von diesem aber nicht erfasst wurde. Dabei übersieht der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass die beschwerdeführende Partei in ihrer Stellungnahme vom 24. März 2010 selbst angegeben hat, dass die Abmeldung "aus techn. Gründen nicht übermittelt" worden sei. Mit diesen - scheinbaren - Widersprüchen im Vorbringen der beschwerdeführenden Partei bzw. mit dem von ihr vorgelegten Computerausdruck, der wiederum eine fehlerfreie Übermittlung nahe legt, hätte sich die belangte Behörde allerdings in der Begründung des angefochtenen Bescheids auseinandersetzen müssen. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen zur Ermessensübung im Sinne des § 56 Abs. 3 ASVG noch einzugehen war.

4. Der Beschwerdefall gibt zudem Anlass zu folgenden Überlegungen:

Die beschwerdeführende Partei bringt - erstmals in ihrer Beschwerde - vor, sie betreibe am Standort G ein Betonfertigteilwerk. Im Rahmen dieser Betriebsstätte sei unter anderem auch C.T. beschäftigt gewesen. Mit Wirkung vom 26. Juni 2009 sei das zwischen der beschwerdeführenden Partei als Dienstgeberin und C.T. als Dienstnehmer bestehende Beschäftigungsverhältnis im Wege der Kündigung durch die beschwerdeführende Partei beendet worden. Die sozialversicherungsrechtliche Abmeldung des C.T. sei vom Personalbüro der beschwerdeführenden Partei am 29. Juni 2009 um 13:27 Uhr erstellt und auf elektronischem Wege um 13:29 Uhr desselben Tages an die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse gesendet worden.

Gemäß § 30 Abs. 1 ASVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit der Gebietskrankenkassen, soweit in den Abs. 3 bis 5, im § 11 Abs. 2 und im § 16 Abs. 5 nichts anderes bestimmt wird, nach dem Beschäftigungsort des Versicherten, bei selbständig Erwerbstätigen nach dem Standort des Betriebes bzw. in Ermangelung eines solchen nach dem Wohnsitz.

Gemäß § 414 ASVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes nach dem für die Versicherung maßgebenden Beschäftigungsort, bei selbständig Erwerbstätigen nach dem Standort des Betriebes, bei dem Fehlen eines solchen nach dem im Inland gelegenen Wohnsitz (Sitz) der einschreitenden Partei, wenn auch dieser mangelt, nach dem Sitz der belangten Partei; ist belangte Partei ein Versicherungsträger, bei dem Landesstellen (Landesgeschäftsstellen) eingerichtet sind, so ist der Standort der Landesstelle (Landesgeschäftsstelle) maßgebend.

Die Weiterentrichtung von Beiträgen aufgrund verspäteter Abmeldung eines Dienstnehmers nach § 56 ASVG steht in engem sachlichem Zusammenhang mit dem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis, dessen Beendigung erst die Abmeldung gemäß § 33 Abs. 1 ASVG notwendig machte und nach dem sich auch die Höhe der weiter zu entrichtenden Beiträge bestimmt. Bei der Weiterentrichtung von Beiträgen gemäß § 56 Abs. 1 ASVG muss daher an den Beschäftigungsort im Zeitpunkt der Beendigung der Beschäftigung angeknüpft werden um den "für die Versicherung maßgebenden Beschäftigungsort" im Sinne des § 414 ASVG zu ermitteln. Nach diesem Beschäftigungsort richtet sich bei unselbständig Beschäftigten die örtliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes.

Weder aus dem angefochtenen Bescheid noch aus dem Verwaltungsakt geht hervor, an welchem Ort C.T. bis zu seiner Kündigung beschäftigt war. Nach dem Beschwerdevorbringen war C.T. jedoch in dem von der beschwerdeführenden Partei betriebenen Betonfertigteilwerk in G beschäftigt. Sollte dieser Beschäftigungsort tatsächlich zutreffend sein, wäre die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse für die Vorschreibung der Ordnungsbeiträge örtlich unzuständig. Mangels entsprechender Feststellungen ist dem Verwaltungsgerichtshof eine abschließende Beurteilung dieser Frage jedoch verwehrt.

5. Aufgrund der unter Pkt. 3. dargestellten Begründungsmängel war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455. Das Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende sachliche Gebührenfreiheit gemäß § 110 ASVG abzuweisen.

Wien, am 14. November 2012

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