VwGH 2010/08/0063

VwGH2010/08/006328.3.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde 1. des A S, 2. der S OG und 3. der F GmbH, alle in Wien und vertreten durch die Arnold Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 2. Februar 2010, Zl. BMASK-421707/0001- II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. Georg Grießer, Dr. Roland Gerlach und Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Köllnerhofgasse 6/2, 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §6 Abs1;
AVG §73 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 und der erstmitbeteiligten Gebietskrankenkasse in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die erstmitbeteiligte Gebietskrankenkasse stellte mit Bescheid vom 9. September 2008 fest, dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund seiner Beschäftigung als Lektor bei der drittbeschwerdeführenden Partei als Dienstgeber in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 28. Februar 2005, vom 1. Oktober 2005 bis 31. Jänner 2006 und am 10. März 2006 der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. Gleichzeitig stellte sie fest, dass der Erstbeschwerdeführer aufgrund dieser Tätigkeit in den genannten Zeiträumen nicht der Vollversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 14 ASVG aufgrund der Verpflichtung zur Erbringung von Dienstleistungen aufgrund eines freien Dienstvertrages gemäß § 4 Abs. 4 ASVG unterlegen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Parteien Folge und wies den Einspruch der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 9. September 2008 ab.

Die belangte Behörde ging zusammengefasst davon aus, dass der Erstbeschwerdeführer bei der drittbeschwerdeführenden Partei in den im Spruch genannten Zeiträumen als Lektor gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei. Die drittbeschwerdeführende Partei habe mit einer Personengesellschaft (zweitbeschwerdeführende Partei), deren Gesellschafter der Erstbeschwerdeführer sei, Verträge zum Schein abgeschlossen, um das tatsächlich vorliegende Dienstverhältnis in den Hintergrund zu drängen bzw. zur Vermeidung der Sozialversicherungspflicht nach dem ASVG. Der Erstbeschwerdeführer habe die Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt erbracht.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens durch die belangte Behörde und Erstattung einer Gegenschrift durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

1. Die beschwerdeführenden Parteien machen - zusammengefasst -

geltend, ein Ausspruch, dass dem Devolutionsantrag Folge gegeben werde, sei nicht vorgesehen und besitze keinen selbständigen rechtlichen Gehalt. Zu einer solchen Entscheidung sei die Behörde daher nicht zuständig, sodass der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund aufzuheben sei.

Weiter wenden die beschwerdeführenden Parteien ein, die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei in wesentlichen Punkten unschlüssig, die Sachverhaltsermittlung unvollständig und mit gravierenden Verfahrensfehlern behaftet. Die Sachverhaltsfeststellungen würden ausschließlich auf Mutmaßungen der belangten Behörde beruhen. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über Fachhochschul-Studiengänge (FHStG), BGBl. Nr. 340/1993, würden große Spielräume bei der Gestaltung der Lehraufträge einräumen. Eine gesetzliche Bestimmung, wonach ein Lehrauftrag nicht an Gesellschaften vergeben werden dürfe, existiere nicht. Es sei im Fachhochschulbereich allgemein üblich, dass Lehraufträge auch an juristische Personen oder Personengesellschaften vergeben würden. Es sei auch zulässig, Lehrtätigkeiten zu vergesellschaften. Es bestünden keinerlei Hinweise auf Scheingeschäfte oder ein Umgehungsgeschäft. Der wahre Vertragspartner der drittbeschwerdeführenden Partei sei die Personengesellschaft. Es liege auch kein Missbrauch iSd § 539a Abs. 2 ASVG vor; die belangte Behörde habe § 539a Abs. 1 ASVG überschießend ausgelegt.

2. Gemäß § 73 Abs. 1 erster Satz AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach § 73 Abs. 2 AVG geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird. Der Devolutionsantrag ist bei der Oberbehörde einzubringen. Er ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Ein Spruchpunkt, mit dem einem Devolutionsantrag stattgegeben wird, besitzt keinen selbständigen rechtlichen Gehalt. Jede Behörde hat bei Fällung einer Entscheidung ihre hiefür gegebene Zuständigkeit zu prüfen; in der Fällung einer Sachentscheidung liegt immer die zumindest implizite Bejahung der Zuständigkeit. Nichts anderes gilt für den Fall, dass eine Behörde ihre Zuständigkeit auf Grund eines von ihr als zulässig qualifizierten Devolutionsantrages bejaht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/11/0266).

Dadurch, dass die belangte Behörde hier mit einem gesonderten Spruchpunkt dem Devolutionsantrag der beschwerdeführenden Parteien Folge gegeben und nicht lediglich in der Begründung des angefochtenen Bescheides ihre Zuständigkeit im Hinblick auf den Devolutionsantrag bejaht hat, sind die beschwerdeführenden Parteien aber in ihren Rechten nicht verletzt; eine Beschwer ist insoweit in keiner Weise ersichtlich und wird auch in der Beschwerde nicht dargelegt.

3. Strittig ist im Verfahren, ob die Erbringung von Leistungen (sowie die Erzielung von Entgelten hiefür) als Lehrbeauftragter eines Fachhochschul-Studienganges dem Erstbeschwerdeführer oder einer Personengesellschaft, deren Gesellschafter der Erstbeschwerdeführer ist, zuzurechnen ist. Der vorliegende Fall gleicht in allen entscheidungswesentlichen Sach- und Rechtsfragen jenem, der mit Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2009/08/0010, entschieden wurde. Aus den in jenem Erkenntnis angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Dadurch, dass die belangte Behörde den Einspruch der zweitbeschwerdeführenden Partei nicht (wegen fehlender Parteistellung) zurückgewiesen, sondern abgewiesen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 2010/08/0132), ist diese in ihren Rechten nicht verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet in §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am 28. März 2012

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