VwGH 2010/01/0041

VwGH2010/01/004119.9.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Blaschek, Dr. Kleiser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde der P P in W, vertreten durch Dr. Gerhard Schöppl, Rechtsanwalt in 5071 Siezenheim, Walserfeldstraße 34, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 9. August 2010, Zl. 1/12-21814/10-2010, betreffend Staatsbürgerschaft,

Normen

KFG 1967 §134 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs2 Z2;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §17;
StbG 1985 §18;
StVO 1960 §99 Abs2c;
KFG 1967 §134 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs2 Z2;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §17;
StbG 1985 §18;
StVO 1960 §99 Abs2c;

 

Spruch:

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung der Anträge auf Erstreckung der der Beschwerdeführerin zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Bosnien und Herzegowina, vom 22. September 2009 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "mit Erstreckung auf die minderjährigen Kinder P P, geb. am 13.06.2001 in Salzburg, (und) S P, geb. am 04.10.2003 in Salzburg", gemäß §§ 10 Abs. 2 Z. 2, 17 Abs. 1 und 18 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311 (in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2009; im Folgenden: StbG) abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin sei seit zumindest 11. August 1999 rechtmäßig in Österreich aufhältig. Folgende Verwaltungsstrafen seien über sie verhängt worden:

"Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Zahl 30308/369- 10599-2007 vom 7.3.2007:

1. Überschreitung der kundgemachten zulässigen Höchstgeschwindigkeit am 29.12.2006 außerhalb eines Ortsgebietes von 70 km/h um 38 km/h. Übertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a Straßenverkehrsordnung (StVO), Geldstrafe gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO, EUR 255,--

2. Überschreitung der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (richtig:) um 49 km/h, Übertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO, Geldstrafe gemäß § 99 (2c)

Z. 9 StVO, EUR 365,--. Aufgrund dieser Geschwindigkeitsübertretung wurde der Antragstellerin von der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Zahl 30306-634-2007, vom 27.4.2007 die Lenkberechtigung für die Dauer von zwei Wochen entzogen.

3. Nichtmitführen der Lenkberechtigung, Übertretung gemäß §§ 14 Abs. 1 Z. 1 iVm 37 Abs. 2a Führerscheingesetz (FSG), Geldstrafe EUR 40,--

4. Verwendung eines Kraftfahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ohne Anbringung der den Vorschriften entsprechenden Begutachtungsplakette, Übertretung gemäß § 36 e Kraftfahrgesetz, Geldstrafe EUR 50,--

Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung, Zahl 30308/369- 5237-2007, vom 28.2.2007:

1. Übertretung gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 Kraftfahrgesetz (KfG) (zu ergänzen: Geldstrafe gemäß § 134 Abs. 1 Kraftfahrgesetz EUR 200,--). Die Antragstellerin hat als Lenkerin nicht dafür gesorgt, dass ein Kind bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres, das kleiner als 150 cm ist, in einem Kraftwagen nur dann befördert wird, wenn eine geeignete Rückhalteeinrichtung verwendet wird, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verhindert. Mit Rechtskraft dieses Strafbescheides wurde die Begehung dieses Delikts im Führerscheinregister vorgemerkt."

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG dürfe die Staatsbürgerschaft einem Fremden nicht verliehen werden, wenn er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 und 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) rechtskräftig bestraft worden sei. Bei der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 2c StVO handle es sich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung, die als solche in § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG angeführt sei. Die Beschwerdeführerin habe im Ortsgebiet die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um beinahe das Doppelte überschritten. Aufgrund mangelnder Verkehrszuverlässigkeit sei ihr auch die Lenkberechtigung entzogen worden.

Bei der Übertretung des § 106 Abs. 5 Z. 2 Kraftfahrgesetz (KFG) handle es sich um ein Vormerkdelikt, das mit Wirkung der Rechtskraft des Strafbescheides im Führerscheinregister einzutragen sei. Die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin nicht dafür gesorgt habe, dass ihr Kind in einer Rückhaltevorrichtung gesichert war, stelle eine große Gefahr von Körperverletzungen bei Unfällen dar, insbesondere auch deshalb, da dieses Vergehen bei hoher Geschwindigkeit im Ortsgebiet (89 km/h) gesetzt worden sei. Überdies ziehe ein Unfall, bei dem sich ein Kind wegen unzureichender Sicherung verletzt habe, ein gerichtliches Strafverfahren nach sich. Es sei daher auch bei der Übertretung von § 106 Abs. 5 KFG davon auszugehen, dass es sich um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt handle, da die Tat unter besonders gefährlichen Umständen mit einer besonderen Gefährdung anderer Personen - in diesem Fall des eigenen Kindes - erfolgt sei. Die übrigen Verleihungsvoraussetzungen seien daher nicht mehr zu prüfen gewesen.

Voraussetzung der Erstreckung der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf die minderjährigen Kinder sei gemäß §§ 17 iVm 18 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft an die Beschwerdeführerin. Da deren Antrag aus dem angeführten Grund abzuweisen gewesen sei, sei auch die Erstreckung der Verleihung auf die minderjährigen Kinder abzuweisen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zur Gänze aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu I.:

Die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG lautet:

"Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden nicht verliehen werden, wenn

  1. 1. ...
  2. 2. er mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt, insbesondere wegen § 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, wegen § 37 Abs. 3 oder 4 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, § 366 Abs. 1 Z 1 i.V.m. Abs. 2 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, wegen §§ 81 bis 83 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), BGBl. Nr. 566/1991, oder wegen einer schwerwiegenden Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005, des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, des Grenzkontrollgesetzes (GrekoG), BGBl. Nr. 435/1996, oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, rechtskräftig bestraft worden ist; § 55 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), BGBl. Nr. 52/1991, gilt;"

    Die Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG normiert im ersten und zweiten Satzteil zwei Verleihungshindernisse. Bei Vorliegen eines dieser beiden Hindernisse darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden. Das Verleihungshindernis im ersten Satzteil des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG liegt dann vor, wenn der Verleihungswerber mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt rechtskräftig bestraft wurde, jenes im zweiten Satzteil dann, wenn der Verleihungswerber wegen einer schwerwiegenden Übertretung bestimmter Gesetze rechtskräftig bestraft wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0051, mwH).

    Im vorliegenden Beschwerdefall stützte die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsansuchens der Beschwerdeführerin auf das Verleihungshindernis im ersten Satzteil des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG, weil die Beschwerdeführerin einmal wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 2c Z. 9 StVO (die als solche in § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG angeführt sei) und einmal wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG (bei der es sich aus näher dargestellten Gründen um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt handle) rechtskräftig bestraft worden sei.

    Dagegen bringt die Beschwerde vor, hinsichtlich der Übertretung des § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG liege keine schwerwiegende Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt vor, da nach der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG auf das Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers abzustellen sei, welches sich aus der Art, Schwere und Häufigkeit der von ihm begangenen Verwaltungsübertretungen ergebe. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft sei einem Fremden demnach dann verwehrt, wenn sein Verhalten nicht Gewähr dafür biete, dass er der österreichischen Rechtsordnung gegenüber positiv eingestellt sei. Insofern sei auch auf das Gesamtverhalten des Fremden im Straßenverkehr abzustellen. Davon ausgehend spreche das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin nicht dafür, dass sie der österreichischen Rechtsordnung nicht positiv gegenüber stünde, lebe sie doch seit 21 Jahren in Österreich und habe sich in dieser Zeit mit einer einzigen Ausnahme nichts zu Schulden kommen lassen. Bei den angeführten Verwaltungsübertretungen handle es sich nämlich nur um eine einzige Tathandlung, bei der das verpönte Verhalten an einem einzigen Tag innerhalb einer Fahrstrecke von wenigen hundert Metern gesetzt worden sei. Bei der Formulierung "mehr als einmal" in § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG sei es sicherlich nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, dass es in der Hand einer Behörde liege, ob diese aus einem verpönten Verhalten, welches möglicherweise mehrere Verwaltungsübertretungen darstelle, mehrere Verwaltungsstrafverfahren mache. Wäre die Tathandlung der Beschwerdeführerin in einem einzigen Verwaltungsstrafverfahren abgehandelt worden, läge auch bloß eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Weiters handle es sich bei der Verwaltungsübertretung gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG auch deshalb um keine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG, weil die dort demonstrativ aufgezählten Tatbestände auf die vom Gesetzgeber geforderte Intensität schließen ließen. Vergleiche man diese mit der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 2 StbG, die allein auf Vorsatzdelikte abstelle, und jener des § 10 Abs. 1a StbG, wonach eine maßgebliche Verurteilung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 und 3 StbG nicht vorliege, wenn sie in Strafregisterauskünfte an die Behörde nicht aufgenommen werden dürfe, sei im Hinblick auf Verwaltungsübertretungen schon allein deshalb besondere Vorsicht geboten, da im Verwaltungsstrafrecht als Verschuldensmaßstab "leichte Fahrlässigkeit" zur Tatbegehung ausreichend sei. Bei einer Übertretung gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG könne daher nicht von einem derart verwerflichen Charakter gesprochen werden wie bei den in § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG angeführten Tatbeständen. Auch eine liebevolle und fürsorgliche Mutter wie die Beschwerdeführerin könne während des Autofahrens nicht in jedem Augenblick gewährleisten, dass das Kind nicht - wie im gegenständlichen Fall geschehen - die Rückhaltevorrichtung selbst löse. Es wäre vielmehr unzumutbar, jeden Augenblick zu kontrollieren, ob das Kind immer noch in der Rückhaltevorrichtung gesichert sei.

    Zusammengefasst könne der Beschwerdeführerin nur ein geringer Grad an Sorgfaltswidrigkeit unterstellt werden. Die Übertretung gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG stelle keinesfalls ein Delikt dar, welches der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG unterstellt werden könne. Schließlich sei auch nicht nachvollziehbar, dass die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung aus einem einzigen - einmaligen - Vorfall eine gehäufte Anzahl von Verwaltungsstrafverfahren provoziert habe.

    Zunächst ist dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe es verabsäumt, das Gesamtverhalten der Beschwerdeführerin zu beurteilen, zu entgegnen, dass es nach dem insofern klaren Wortlaut des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG darauf nicht ankommt, sondern allein auf die rechtskräftige Bestrafung wegen bestimmter, näher genannter Verwaltungsübertretungen. Auf das Verleihungserfordernis gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG - auf dessen Vorliegen zielt die Beschwerde insofern erkennbar ab - hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht Bezug genommen.

    Soweit die Beschwerde darauf hinweist, dass die beiden Verwaltungsübertretungen, auf die die belangte Behörde die Abweisung des Verleihungsantrages stützt, auf einer einzigen "Tathandlung" beruhten (die am selben Tag und innerhalb einer Fahrstrecke von wenigen hundert Metern begangen worden sei), ist wiederum auf den Wortlaut der Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG zu verweisen, wonach es auf die mehr als einmalige rechtskräftige Bestrafung ankommt, wobei sich jede der Bestrafungen auf eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt beziehen muss.

    Schließlich kann der belangten Behörde (im Ergebnis) auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie sowohl die (wenngleich von der Aufzählung "§ 99 Abs. 1 bis 2 der Straßenverkehrsordnung 1960" dem Wortlaut nach nicht umfasste) Bestimmung des § 99 Abs. 2c Z. 9 StVO als auch jene des § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG als schwerwiegende Übertretungen im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG wertete.

    Aus den in § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG demonstrativ (arg.: "insbesondere") aufgezählten Verwaltungsübertretungen, die innerhalb der jeweiligen Gesetze die mit strengsten Strafdrohungen versehenen Übertretungen darstellen, ergibt sich eine Richtlinie dafür, was der Gesetzgeber mit dem Begriff "schwerwiegende Verwaltungsübertretungen" meint (vgl. Fessler/Keller/Pommerening-Schober/Szymanski, Staatsbürgerschaftsrecht, 7. Auflage (2006), S. 95 f). § 99 Abs. 2c Z. 9 StVO stellt innerhalb der Verwaltungsübertretungen der StVO eine solche mit einer besonders hohen (mit der in § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG aufgezählten Bestimmung des § 99 Abs. 2 StVO vergleichbaren) Strafdrohung dar, zu § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein "Vormerkdelikt" (im Sinne des § 30a Führerscheingesetz) handle.

    Das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG erfordert allerdings zusätzlich zum Vorliegen schwerwiegender Übertretungen, dass diese Verwaltungsübertretungen auch einen besonderen Unrechtsgehalt aufweisen. Von einem besonderen Unrechtsgehalt wird dann auszugehen sein, wenn die Tat nicht nur das verbotene Tun verwirklicht, sondern erheblich überschreitet. Ebenso wird diese Voraussetzung vorliegen, wenn die Tat unter besonders gefährlichen Umständen - etwa mit einer abstrakten Gefährdung mehrerer Personen einhergehend - erfolgt. Ist lediglich Fahrlässigkeit gefordert, wird eine besondere Rücksichtslosigkeit für das Vorliegen der Voraussetzung sprechen, oder, wenn bedingter Vorsatz nötig ist, Absichtlichkeit (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0051, und die Erläuterungen zur Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, ErlRV 1189 BlgNR 22. GP, S. 5).

    Dabei erreichen Verwaltungsübertretungen mit einer Bestrafung im unteren Drittel des Strafrahmens (über die Beschwerdeführerin wurden Strafen in der Höhe von EUR 200,-- bei einem Strafrahmen von bis zu EUR 5.000,-- gemäß § 134 Abs. 1 KFG und von EUR 365,-- bei einem Strafrahmen von EUR 72,-- bis EUR 2.180,-- gemäß § 99 Abs. 2c StVO verhängt) - soweit im Einzelfall nicht besondere Umstände für das Vorliegen eines besonderen Unrechtsgehaltes festgestellt werden können - den für das Vorliegen des Verleihungshindernisses erforderlichen besonderen Unrechtsgehalt in der Regel nicht (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0051).

    Nach dem Gesagten ist bei Prüfung des Verleihungshindernisses gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG somit (auch) eine nähere Prüfung und Auseinandersetzung mit den konkreten Verwaltungsübertretungen der Verleihungswerberin im Einzelfall notwendig. Diese Einzelfallprüfung bzw. die Auseinandersetzung mit dem Vorliegen einer Verwaltungsübertretung mit besonderem Unrechtsgehalt hat die belangte Behörde im Hinblick auf das Delikt des § 99 Abs. 2c Z. 9 StVO zur Gänze unterlassen. Zur Verwaltungsübertretung gemäß § 106 Abs. 5 Z. 2 KFG weist die belangte Behörde zwar darauf hin, dass sich daraus insbesondere deshalb, weil dieses Vergehen bei hoher Geschwindigkeit gesetzt worden sei, eine hohe Verletzungsgefahr ergebe, sie hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass die Strafbehörde den Strafrahmen hinsichtlich dieser Verwaltungsübertretung nur zu 4 % ausgeschöpft hat.

    Da die belangte Behörde somit im Hinblick auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z. 2 StbG ein gesondertes Eingehen auf die Frage, ob im konkreten Einzelfall Verwaltungsübertretungen mit besonderem Unrechtsgehalt vorgelegen sind, für nicht erforderlich erachtet hat, war der angefochtene Bescheid insoweit, als damit der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    Zu II.:

    Mit dem angefochtenen Bescheid wurde nicht nur der Antrag der Beschwerdeführerin auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abgewiesen; spruchgemäß wurde auch der Antrag auf Erstreckung, den die Beschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin für ihre zwei minderjährigen Kinder eingebracht hatte, abgewiesen. Demgemäß wurde der angefochtene Bescheid der Beschwerdeführerin auch in ihrer Eigenschaft als Vertreterin der namentlich angeführten zwei minderjährigen Kinder zugestellt.

    Die Erstreckung der Verleihung darf zufolge § 18 StbG nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden. Daher sind Erstreckungs- und Verleihungsverfahren unter einem zu führen. Diese zwingende Verfahrensverbindung ändert aber nichts daran, dass bei allen Verleihungs- und Erstreckungswerbern die Voraussetzungen jeweils gesondert zu prüfen sind. Davon ausgehend sind Bescheide über die Verleihung und Erstreckung selbständige Bescheide, die nur insofern in einem Zusammenhang stehen, als die Rechtmäßigkeit der Erstreckung eine gleichzeitige Verleihung voraussetzt. Die gegenständliche Beschwerde wendet sich - wie insbesondere aus dem diesbezüglich nicht differenzierenden Antrag deutlich wird - gegen den gesamten ("angefochtenen") Bescheid der belangten Behörde und damit auch gegen die abweisenden Erstreckungsentscheidungen. Da die Beschwerde ausschließlich von der Beschwerdeführerin im eigenen Namen erhoben wurde - die Kinder sind nicht Beschwerdeführer - und Anhaltspunkte, dass die Beschwerdeführerin im Namen der Kinder auftritt, nicht bestehen, kann die Beschwerdeführerin, die nicht Adressat der negativen Erstreckungsbescheide ist, diesbezüglich nicht in Rechten verletzt sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 20. September 2011, Zl. 2009/01/0028, mwH).

    Die Beschwerde war daher insoweit, als sie sich gegen die Abweisung der Anträge auf Erstreckung der der Beschwerdeführerin zu verleihenden Staatsbürgerschaft auf ihre Kinder richtet, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung mit Beschluss zurückzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG (insbesondere § 50 VwGG) in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

    Wien, am 19. September 2012

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