VwGH 2009/11/0234

VwGH2009/11/023423.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der B G.m.b.H. in Wilhelmsburg, vertreten durch Arnold Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten vom 29. Oktober 2008, Zl. 41.550/1249-9/08, betreffend Vorschreibung der Ausgleichstaxe für 2007 nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:

Normen

31997L0081 Teilzeitarbeit-RL ;
BEinstG §1 Abs1;
BEinstG §4 Abs2;
BEinstG §9 Abs1;
31997L0081 Teilzeitarbeit-RL ;
BEinstG §1 Abs1;
BEinstG §4 Abs2;
BEinstG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) die Leistung einer Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2007 in der Höhe von EUR 2.508,-- vorgeschrieben. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung vorgebracht, im Jahr 2005 seien drei Kanzleien mit jeweils weniger als 25 Mitarbeitern fusioniert worden und es dürfe aufgrund dieser Umgründung kein finanzieller Schaden entstehen. Überdies seien 20 Mitarbeiter nur teilzeitbeschäftigt. Lege man diese Zahl auf Vollbeschäftigte um, so beschäftige die Beschwerdeführerin weniger als 25 Mitarbeiter und sei daher nicht zur Leistung der Ausgleichstaxe verpflichtet. Die dieser Sichtweise entgegenstehenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes seien verfassungswidrig.

Dem erstgenannten Argument begegnete die belangte Behörde mit dem Hinweis auf § 4 Abs 2 BEinstG, nach dem für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen sei, alle Dienstnehmer zusammenzufassen seien, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftige. Zum zweiten Argument verwies die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0123, nach welchem der Heranziehung auch nur teilzeitbeschäftigter Dienstnehmer zur Berechnung der Pflichtzahl die Möglichkeit entspreche, auch teilzeitbeschäftigte Behinderte auf die Erfüllung der Beschäftigungspflicht anzurechnen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Oktober 2009, B 2020/08-3, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die Beschwerdeführerin ergänzte die Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die im vorliegenden Beschwerdefall, in dem eine Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2007 vorgeschrieben wurde, maßgebenden Bestimmungen des BEinstG lauten auszugsweise:

"Beschäftigungspflicht

§ 1. (1) Alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen. ...

...

Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. ...

...

Berechnung der Pflichtzahl

§ 4. (1) Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl sind:

a) Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (ausgenommen Lehrlinge);

b) …

(2) Für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer (Abs. 1), von der die Pflichtzahl zu berechnen ist (§ 1), sind alle Dienstnehmer, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt, zusammenzufassen.

(3) Für die Berechnung der Pflichtzahl sind von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen.

Erfüllung der Beschäftigungspflicht

§ 5. (1) Auf die Pflichtzahl sind die beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten, begünstigte Personen nach § 2 Abs. 3 und Dienstgeber anzurechnen, bei denen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 zutreffen.

...

Ausgleichstaxe

§ 9. (1) Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheides vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

(2) Die Ausgleichstaxe beträgt für jede einzelne Person, die zu beschäftigen wäre, ab 1. Juli 2001 monatlich 2 700 S (196,22 Euro). Dieser Betrag ist ab 1. Jänner 2004 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. ..."

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, es stelle eine mittelbare Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten im Allgemeinen und von weiblichen Teilzeitbeschäftigten im Besonderen und damit einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht dar, wenn bei der Festsetzung der Pflichtzahl (der zu beschäftigenden begünstigten Behinderten) und damit korrespondierend bei der Festsetzung der Ausgleichstaxe nicht das Beschäftigungsausmaß der beschäftigten Dienstnehmer berücksichtigt werde.

Insofern gleicht der vorliegende Beschwerdefall in seinen für die Entscheidung wesentlichen Punkten jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 21. Februar 2012, Zl. 2010/11/0109, zugrunde lag. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Ergänzend ist auszuführen, dass nach diesem Erkenntnis und der darin zitierten Judikatur (insb. nach dem Erkenntnis vom 6. Mai 1997, Zl. 97/08/0123) schon die von der Beschwerdeführerin behauptete Schlechterstellung von teilzeitbeschäftigten Dienstnehmern nicht erkennbar ist, weil die Einbeziehung teilzeitbeschäftigter Dienstnehmer bei der Berechnung der Pflichtzahl durch die Möglichkeit ausgeglichen wird, auch teilzeitbeschäftigte begünstigte Behinderte auf die Erfüllung der Beschäftigungspflicht anzurechnen. Da somit die Ziele der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABl. L 14 vom 20. Jänner 1998, S. 9; vgl. insbesondere den Erwägungsgrund Nr. 11 und Paragraph 1 des Anhangs, jeweils betreffend die Beseitigung der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten) durch die in Rede stehenden Bestimmungen des BEinstG nicht unterlaufen werden, ist es entgegen der Beschwerdeansicht unerheblich, dass die Richtlinie aufgrund ihres späteren Inkrafttretens im Erkenntnis Zl. 97/08/0123 noch nicht berücksichtigt werden konnte. Es war daher nicht erforderlich, die Anregung der Beschwerdeführerin, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten, aufzugreifen.

2.2. Die Beschwerdeführerin wendet sich auch gegen die im angefochtenen Bescheid erfolgte Zusammenrechnung aller in den drei Betriebsstätten der Beschwerdeführerin beschäftigten Dienstnehmer für die Ermittlung der Pflichtzahl gemäß §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 2 BEinstG. Auf die von der Beschwerdeführerin geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden - und damit auch jene der Zusammenrechnung aller Dienstnehmer der Beschwerdeführerin für die Ermittlung der Pflichtzahl zugrunde liegenden - Bestimmungen des BEinstG bezog sich bereits der Ablehnungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 7. Oktober 2009, B 2020/08-3, in dem (unter Hinweis auf VfSlg. 11.034/1986 sowie auf VfSlg. 6541/1971, 7885/1976, 8457/1978, 10.455/1985, 11.288/1987, 11.369/1987 und 15.269/1998) auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit dieser Bestimmungen verwiesen wurde. Diesen Ausführungen schließt sich der Verwaltungsgerichtshof an. Da die Beschwerdeführerin nicht bestritten hat, Dienstgeberin aller in ihren Betriebsstätten beschäftigten Dienstnehmer zu sein und sich Gegenteiliges auch aus den vorgelegten Verwaltungsakten nicht ergibt, begegnet die Zusammenrechnung aller dieser Dienstnehmer für die Ermittlung der Pflichtzahl vor dem Hintergrund der §§ 1 Abs. 1 und 4 Abs. 2 BEinstG keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 2009, Zl. 2006/11/0035, mwN).

3. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 23. Mai 2012

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte