VwGH 2009/11/0058

VwGH2009/11/005821.2.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall und die Hofräte Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde der V K in W, vertreten durch Mag. Franz Karl Juraczka, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Alser Straße 32/15, gegen den Bescheid der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten beim Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 25. November 2008, Zl. 41.550/1335-9/07, betreffend Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
BEinstG §14 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
BEinstG §14 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 Abs. 1, 3, 14 Abs. 1 und 2 sowie 27 Abs. 1 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 (BEinstG), ab. Der Grad der Behinderung betrage nur 40 %.

In der Begründung führte die belangte Behörde - nach einer zusammenfassenden Wiedergabe der Berufung - im Wesentlichen aus, in den im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten Dris. H (Facharzt für Neurologie) und Dris. K (Fachärztin für Orthopädie), jeweils vom 21. April 2008, werde Folgendes festgestellt:

"Status auszugsweise:

Neurologisch:

HN-Bereich: frei, keine Störung der Optomotorik, kein Nystagmus OE/UE: Reflexdifferenz links gegenüber rechts mit gering

gesteigertem Tonus, keine sicheren Py-Zeichen, Hypästhesieangaben im Bereich L5/S1 links, Fersen- und Zehengang unauffällig, leicht hinkender Gang

Psychisch:

Orientiert, bewußtseinsklar, leichtes intellektuelles

Defizit, keine produktiven psychotischen Symptome,

Biorhythmusstörungen.

Orthopädisch:

Wirbelsäule:

Halswirbelsäule: Kinn-Jugulum-Abstand 1 cm, alle übrigen

Ebenen frei beweglich

Brustwirbelsäule: gerade

Lendenwirbelsäule: Seitneigen nach links bis 40 Grad

möglich, nach rechts bis 40 Grad möglich

Finger-Boden-Abstand: 30 cm

Obere Extremitäten:

Rechts: Schultergelenk: Abduktion bis 160 Grad möglich,

Ellbogengelenk frei

Handgelenk: frei, Finger: ohne Befund

Links: Schultergelenk: Abduktion bis 160 Grad möglich,

Ellbogengelenk: frei

Handgelenk: frei, Finger: ohne Befund

Kraft und Faustschluss: beidseits frei

Kreuz- und Nackengriff: beidseits möglich

Untere Extremitäten:

Rechts: Hüftgelenk: S 0-0-160, F 70-0-70, R 60-0-60

Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguss, bandstabil

OSG: frei

Links: Hüftgelenk: S 0-0-160, F 70-0-70, R 60-0-60

Kniegelenk: S 0-0-160, kein Erguss, bandstabil

OSG: frei

Keine Varizen

Füße: beidseits ohne Befund

Zehen- und Fersenstand: beidseits möglich

Gang: unauffällig

Keine Gehbehelfe

Einschätzung:

lfd.

Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den Richtsätzen

Grad der Behinderung

1

Hemisymptomatik links mit spastischen Symptomen und auch peripheren Defiziten

436

30%

2

Abnützung der Wirbelsäule

190

20%

3

Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit geringen Grades

578

30%

 

Gesamtgrad der Behinderung

 

40%

Begründung

Zu 1) Unterer Rahmensatz, da nur eine geringe

Beeinträchtigung des Ganges bzw. ein geringes sensomotorisches

Defizit besteht.

Zu 2) Unterer Rahmensatz dieser Position, da nur

leichte funktionelle Einschränkungen der LWS.

Zu 3) Fixposition.

Zu Gesamtgrad der Behinderung) Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40%, da das führende Leiden unter Nr. 1 durch die Leiden unter Nr. 2 und 3 aufgrund ungünstigen Zusammenwirkens um insgesamt eine Stufe erhöht wird. Aus orthopädischer Sicht keine Veränderung zum Gutachten erster Instanz. Aus neurologischer Sicht wurden die Einwendungen berücksichtigt und das Leiden unter Nr. 3 mit einer neuen Position und mit 30% eingeschätzt. Dies führt jedoch zu keiner Änderung des Gesamtgrades der Behinderung. Die neu vorgelegten Befunde wurden berücksichtigt. Das sensomotorische Defizit hat sich gegenüber dem Vorgutachten nicht verschlechtert. Eine Verschlechterung des Wirbelsäulenleidens kann heute keinesfalls glaubhaft gemacht werden. Die Berufungswerberin geht flott und bewegt sich nahezu uneingeschränkt. Somit ist eine Erhöhung des diesbezüglichen Grades der Behinderung nicht gerechtfertigt."

Das Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Beschwerdeführerin gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht worden. Dagegen habe die Beschwerdeführerin unter Vorlage von Befunden im Wesentlichen vorgebracht, ihr Gesundheitszustand habe sich aufgrund von Lungenproblemen und psychischen Störungen ernstlich verschlechtert.

Der von der belangten Behörde daraufhin bestellte ärztliche Sachverständige Dr. L, Arzt für Allgemeinmedizin, dem die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen (Behandlungsbestätigung der klinischen Psychologin vom 26. Juni 2008, Röntgenbefund vom 19. Mai 2008 und Befundbericht vom 14. Mai 2008) übermittelt wurden, habe dazu in einer medizinischen Stellungnahme vom 1. Oktober 2008 ausgeführt, es komme durch die neu vorgelegten Unterlagen zu keiner Änderung am Ergebnis des Ermittlungsverfahrens. Neuropsychiatrisch sei korrekt beurteilt worden und ein einschätzungsrelevanter Thorax/Herz/Lungenbefund liege laut den neu vorgelegten medizinischen Unterlagen nicht vor.

Der ebenfalls zur Überprüfung des Ermittlungsergebnisses beigezogene Sachverständige Dr. H, Facharzt für Neurologie, habe die Einwendungen der Beschwerdeführerin samt der dazu vorgelegten Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 5. November 2008 wie folgt beurteilt:

"Die neuro-psychiatrische Untersuchung erfolgte am 30.1.2008 - damalige Diagnosen 'Herabsetzung der geistigen Leistungsfähigkeit geringen Grades und Hemisymptomatik links'. Im damaligen psychopathologischen Status ergab sich mit Ausnahme des intellektuellen Defizitis keine Störung im thymopsychischen Bereich - die Angaben bezüglich Depressivität wurden seitens der behandelnden Nervenfachärztin bestätigt und als reaktiv bei Belastungsstörung gedeutet. Der vorgelegte Befund von Dr. F (klinische Psychologin; Anm.) vom 26.6.2008 enthält die Diagnose ‚undifferenzierte Somatisierungsstörung, rezidivierende depressive Episode'. Ein nervenfachärztlicher Befund der die Diagnose bestätigt liegt nicht vor.

Nervenfachärztlicherseits ergibt sich jedenfalls im Vergleich zu Voreinschätzung 1/2008 kein neuer Aspekt. Keine Änderung der getroffenen Einschätzung möglich."

Da die Stellungnahmen Dris. L und Dris. H die bis dato abgegebenen ärztlichen Beurteilungen bestätigen würden und keine neuen Sachverhaltselemente hervorgebracht hätten, sei von der Durchführung eines weiteren Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG abgesehen worden.

Nach einer Darlegung der maßgebenden Bestimmungen des BEinstG und der Grundsätze für die Beurteilung einer Mehrzahl von Gesundheitsschädigungen führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die von ihr eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 21. April 2008 seien schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei. In ihnen sei auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen worden. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung eingehend erhobenen Befund, entsprächen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die vorgelegten Unterlagen erhobenen Einwände seien nicht geeignet gewesen, das Ergebnis der Beweisaufnahme zu entkräften oder eine Erweiterung des Ermittlungsverfahrens herbeizuführen, weshalb die eingeholten Sachverständigengutachten - welche mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stünden - der Entscheidung zugrunde gelegt würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

1.1. Die maßgebenden Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 67/2008 (BEinstG), lauten (auszugsweise):

"Begünstigte Behinderte

§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH . . ...

Behinderung

§ 3. Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Feststellung der Begünstigung

§ 14. (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. 1 Nr. 150/2002;

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des

Grades der Behinderung . ... .

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.

Übergangsbestimmungen

§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, daß Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

…"

1.2. Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht erlassen war, hat die belangte Behörde zu Recht die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (i.F.: Verordnung) und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze herangezogen (vgl. zuletzt das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 2011, Zl. 2010/11/0136, mwN).

1.3. Im Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen dieser Verordnung von Interesse:

"§ 1. (1) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ist nach den Richtsätzen einzuschätzen, die nach Art und Schwere des Leidenszustandes in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage festgesetzt sind. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Leiden, für die Richtsätze nicht festgesetzt sind, ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Bedachtnahme auf die Richtsätze für solche Leiden einzuschätzen, die in ihrer Art und Intensität eine zumindest annähernd gleiche körperliche Beeinträchtigung in Hinsicht auf das allgemeine Erwerbsleben bewirken.

§ 2. (1) Bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit dürfen weder die festen Sätze noch die Rahmensätze unterschritten oder überschritten werden. Soweit in der Anlage nicht anderes bestimmt ist, hat sich die Festsetzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit innerhalb eines Rahmensatzes nach der Schwere des Leidenszustandes zu richten, für den der Rahmensatz aufgestellt ist. Das Ergebnis einer Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.

(2) Sofern für ein Leiden mehrere nach dessen Schwere abgestufte Richtsätze festgesetzt sind, kann die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit auch in einem Hundertsatze festgesetzt werden, der zwischen diesen Stufen liegt. Diesfalls ist das Ergebnis der Einschätzung im Bescheid über den Anspruch auf Beschädigtenrente jedenfalls auch in medizinischer Hinsicht zu begründen.

§ 3. Treffen mehrere Leiden zusammen, dann ist bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigt. Fällt die Einschätzung der durch ein Leiden bewirkten Minderung der Erwerbsfähigkeit in mehrere Fachgebiete der ärztlichen Wissenschaft, ist sinngemäß in gleicher Weise zu verfahren.

Anlage:

Chirurgische und orthopädische Krankheiten

f) Wirbelsäule:

190.

Veränderungen der Wirbelsäule (posttraumatisch, entzündlich, degenerativ) mit röntgenologisch nachweisbaren geringgradigen Veränderungen und geringgradiger Funktionseinschränkung

20-30

 

 

Nervenkrankheiten

g) Hemiplegie:

436.

Leichte bis mittelschwere Formen mit teilweise erhaltener Gebrauchsfähigkeit der betroffenen Exremitäten

30-60

Geisteskrankheiten

a) Organische Demenz:

578.

Leichte

30

…"

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

2.1. Wie die belangte Behörde zutreffend ausführt, hat die Gesamteinschätzung mehrerer Leidenszustände nicht im Wege der Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze zu erfolgen, vielmehr ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht, und dann zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit gerechtfertigt ist, wobei die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigung auf die Erwerbsfähigkeit im Vordergrund zu stehen haben (vgl. etwa das zitierte Erkenntnis vom 10. Oktober 2011, Zl. 2010/11/0136, mwN).

Bei dieser Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen (§ 14 Abs. 2 BEinstG), wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. September 2011, Zl. 2010/11/0018).

In der Beschwerde wird nicht behauptet, die belangte Behörde wäre bei ihrer Entscheidung von der in der zitierten Judikatur beschriebenen Vorgangsweise abgewichen.

2.2. Die Beschwerdeführerin rügt zunächst, "die gravierende Intelligenzminderung, die Hinweise auf Denkstörungen unter Sichtbarwerden der psychotischen Radikalen" seien "in der Gesamtschau nicht hinreichend berücksichtigt" worden. Das "äußerst ungünstige Zusammenwirken" dieser Beeinträchtigung, selbst wenn sie unter 20 % läge, mit den anderen Einschränkungen wäre insgesamt höher zu bewerten gewesen. Überdies seien die "festgestellten oder in der Berufung relevierten" Beeinträchtigungen wie die eben erwähnte und die "stark verschlechterte Wirbelsäulenabnutzung" nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die belangte Behörde habe trotz diesbezüglichen Antrags in der Berufung keine Einvernahme der Beschwerdeführerin vorgenommen. Dabei hätte der überprüfende Sachverständige "einen anderen, gravierend schlechteren Eindruck von der Beschwerdeführerin bekommen, insbesondere, dass ihre Intelligenzminderung bereits zu einer Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit" gefolgt von einer Kündigung geführt habe. Die belangte Behörde habe "lediglich eine ‚interne' Prüfung durch einen Sachverständigen veranlasst, ohne neuerliche konkrete Begutachtung und ohne konkrete Stellungnahme hierzu".

2.3. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Bereits im erstinstanzlichen Verfahren waren die Leidenszustände der Beschwerdeführerin aufgrund von Untersuchungen in einem chirurgischen und einem neurologischen Sachverständigengutachten beurteilt worden. Dabei waren ein psychologischer Befund, der eine leichte Intelligenzminderung und - wie in der Beschwerde erwähnt - Hinweise auf Denkstörungen und das Sichtbarwerden psychotischer Radikale konstatiert hatte, sowie ein Patientenbrief des orthopädischen Spitals Wien Speising bereits berücksichtigt worden.

Die belangte Behörde hat im Berufungsverfahren aufgrund der Einwände der Beschwerdeführerin und der Vorlage weiterer Befunde zusätzliche Gutachten eingeholt. Die Beschwerdeführerin wurde am 30. Jänner 2008 von Dr. H, Facharzt für Neurologie, und Dr. K, Fachärztin für Orthopädie, persönlich untersucht, sodass das Beschwerdeargument, eine Einvernahme der Beschwerdeführerin, bei der der überprüfende Sachverständige einen bestimmten Eindruck von ihr bekommen hätte, sei zu Unrecht unterblieben, ins Leere geht. In den daraufhin verfassten Gutachten wurden die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umstände und vorgelegten Unterlagen entgegen dem Beschwerdevorbringen berücksichtigt. Dies führte zu einer neuen Einschätzung der Intelligenzminderung mit Richtsatzposition 578 und daher mit 30 % (anstatt 585 mit 20 % wie im Erstbescheid). Es wurde jedoch kein Leiden erkannt, das eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung mit sich bringen bzw. die Einschätzung des die Beschwerdeführerin am meisten beeinträchtigenden Leidens (Hemisymptomatik) beeinflussen würde, da weder eine Verschlechterung dieses Leidens noch - entgegen der unbelegten Beschwerdebehauptung - der Wirbelsäulenabnützung festgestellt wurde.

Die Beschwerdeführerin ist diesen Ausführungen der Sachverständigen im Verwaltungsverfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

2.4. Zwar wäre die belangte Behörde - entgegen der im angefochtenen Bescheid vertretenen Ansicht - verpflichtet gewesen, der Beschwerdeführerin auch die zu ihrem im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Vorbringen eingeholten Stellungnahmen Dris. L vom 1. Oktober 2008 und Dris. H vom 5. November 2008 vorzuhalten (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 30. September 2011, Zl. 2010/11/0018, mwN). Allerdings zeigt das Beschwerdevorbringen die Relevanz dieses Verfahrensmangels nicht auf. Einerseits wird in der Beschwerde auf die in den Stellungnahmen erfolgte Bewertung der von der Beschwerdeführerin neu vorgelegten Befunde (betreffend Lungenprobleme und depressive Störungen) mit keinem Wort eingegangen, andererseits wird der in den Gutachten vorgenommenen und in den Stellungnahmen bestätigten Einschätzung des Grades der Behinderung nicht mit konkretem Vorbringen entgegengetreten. Insbesondere wird die Behauptung, das ungünstige Zusammenwirken der Intelligenzminderung mit den anderen Einschränkungen "wäre insgesamt höher zu bewerten gewesen", lediglich unbegründet in den Raum gestellt.

3. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 21. Februar 2012

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