VwGH 2009/08/0194

VwGH2009/08/019417.10.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer und MMag. Maislinger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über die Beschwerde der S Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dorda Brugger Jordis Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Universitätsring 10, gegen den Teilbescheid des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz vom 29. Juni 2009, Zl. BMASK-329455/0003-II/A/3/2009, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. A A in G, 2. I G in F, 3. B H in G, 4. M M in G, 5. S

P in G, 6. U S in W, 7. A S in G, 8. G S in G, 9. U S in S,

10. Steiermärkische Gebietskrankenkasse in 8010 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, 11. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 12. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65- 67), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §4 Abs2;
ASVG §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei betreibt ein Sanatorium für Geburtshilfe und Frauenheilkunde als "Belegspital".

Mit Bescheid der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse vom 8. März 2006 wurde festgestellt, dass die im Anhang I (Ärzte) und im Anhang III ("OP-Schwestern") des Bescheides genannten Personen während der in den Anhängen näher genannten Zeiträume (von Jänner 2000 bis Dezember 2004) aufgrund ihrer Tätigkeit für die beschwerdeführende Partei der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien (Spruchpunkt I). Weiter stellte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse fest, dass die im Anhang II (Ärzte) und im Anhang IV ("OP-Schwestern") des Bescheides genannten Personen während der in den Anhängen genannten Zeiträume (von Jänner 2000 bis Dezember 2004) aufgrund ihrer Tätigkeit für die beschwerdeführende Partei der Teilversicherungspflicht in der Unfallversicherung nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 sowie § 7 Z 3 lit. a ASVG unterlegen seien (Spruchpunkt II). Mit Spruchpunkt III wurde ausgesprochen, dass die beschwerdeführende Partei verpflichtet sei, für die in den Anhängen I bis IV genannten Personen Beiträge, Nebenumlagen, Sonderbeiträge und Zuschläge bzw. Verzugszinsen im Betrag von insgesamt EUR 339.619,80 nachzuentrichten.

Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Einspruch.

Mit Bescheid vom 18. Juni 2008 gab der Landeshauptmann der Steiermark dem Einspruch der beschwerdeführenden Partei gegen die Spruchpunkte I und II des Bescheides der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse keine Folge und setzte das Einspruchsverfahren gegen Spruchpunkt III des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 38 AVG bis zur Rechtskraft der Spruchpunkte I und II aus.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Berufung.

Mit Teilbescheid der belangten Behörde vom 29. Juni 2009 wurde der Berufung betreffend Ärzte keine Folge gegeben (vgl. hiezu das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/08/0188). Mit dem hier angefochtenen Teilbescheid der belangten Behörde wurde der Berufung betreffend "OP-Schwestern" keine Folge gegeben.

Begründend führte die belangte Behörde - nach Schilderung des Verfahrensganges - im Wesentlichen aus, mit den in der Anlage des angefochtenen Bescheides genannten OP-Schwestern sei ein als "freier Dienstvertrag" bezeichneter Vertrag geschlossen worden.

Laut Vertrag gestalte sich die zeitliche Beanspruchung der OP-Schwestern wie folgt: a) gesetzte Operationen: der Operateur setze den Zeitpunkt der von ihm durchzuführenden Operation fest, zu diesem Zeitpunkt habe eine OP-Schwester anwesend zu sein; b) sectiones (Kaiserschnitt): diese Operationen würden nach Bedarf durchgeführt, da es sich meist um Akutfälle handle, hier werde eine OP-Schwester angefordert, die Bereitschaftsdienst habe; c) Rufbereitschaft: ein Rufbereitschaftsdienst dauere 24 Stunden oder Teile davon. Während dieses Dienstes sei die OP-Schwester nicht im Sanatorium anwesend, sondern lediglich dazu verpflichtet, so erreichbar zu sein, dass sie bei Bedarf ihre Tätigkeit im Sanatorium umgehend, längstens aber binnen 20 Minuten aufnehmen könne.

Um das klaglose Funktionieren des Operationsbetriebes zu gewährleisten, seien im Vorhinein Diensteinteilungen und Rufbereitschaftsdienste zu fixieren, dies unter Bedachtnahme auf die vom jeweiligen Arzt festgesetzten Operationstermine. Die hiezu nötige Einteilung zu den Diensten bzw. Rufbereitschaftsdiensten erfolge in einvernehmlicher Absprache zwischen den OP-Schwestern, die bei der beschwerdeführenden Partei unter Vertrag stünden. Hiebei habe jeweils eine OP-Schwester pro Operation zur Verfügung zu stehen und für den Rest des Tages jeweils eine OP-Schwester Rufbereitschaftsdienst zu versehen, sodass immer eine OP-Schwester einsatzbereit sei. Die zeitlichen Festlegungen seien der beschwerdeführenden Partei rechtzeitig zur Kenntnis zu bringen.

In der Anstaltsordnung werde ausgeführt, die Dienstpläne würden von der Pflegedirektion im Einverständnis mit der ärztlichen Leitung für einen Monat im Voraus erstellt. Die ausgehängten Dienstpläne könnten binnen Wochenfrist mit entsprechender Argumentation beeinsprucht werden. Ob den vorgebrachten Änderungswünschen stattgegeben werden könne, hänge von der Personal- und Betriebssituation ab; die Entscheidung obliege in letzter Instanz der Geschäftsführung. Nach dieser Frist seien die abgezeichneten Pläne für alle Bediensteten bindend. Später erfolgte Änderungen müssten vorher durch den ärztlichen Leiter bewilligt werden.

Die vernommenen OP-Schwestern hätten übereinstimmend angegeben, dass monatlich Dienstbesprechungen stattfänden, zu denen die OP-Schwestern ihre zeitlichen Möglichkeiten bekannt gegeben und untereinander die Diensteinteilung besprochen hätten. Auf Basis dieser Dienstbesprechungen habe Frau B einen Dienstplan erstellt, der sodann verbindlich gewesen sei. Frau B habe weiter ausgesagt, die Diensteinteilung sei auf der Basis freiwilliger Meldungen erstellt worden. Zwei weitere Zeugen hätten angegeben, immer dann, wenn Dienste "übrig geblieben" seien, sei Frau S, eine angestellte OP-Schwester, für diese Dienste eingeteilt worden.

Die OP-Schwestern hätten sohin anlässlich der monatlich stattfindenden Dienstbesprechungen ihre zeitliche Verfügbarkeit bekannt gegeben; der Dienstplan sei grundsätzlich auf Basis dieser Dienstbesprechungen erstellt worden und sei sodann verbindlich gewesen.

Daraus ergebe sich, dass die im Anhang genannten Personen während des im Dienstplan festgehaltenen Zeitraums dazu verpflichtet gewesen seien, ihre Arbeitskraft gemäß dem Dienstplan zur Verfügung zu stellen. Ab Erstellung eines Dienstplanes hätten sie die von der beschwerdeführenden Partei vorgegebenen Ordnungsvorschriften über ihre täglichen Arbeitszeiten und ihren Arbeitsort einzuhalten gehabt. Selbst die beschwerdeführende Partei bestätige in der Berufung, dass es den OP-Schwestern einerseits freigestanden sei, sich überhaupt für einen Dienst eintragen zu lassen, dass aber von ihnen dann verlangt worden sei, die Dienste anzutreten, für die sie zugesagt hätten. Der Anstaltsordnung sei weiter zu entnehmen, dass die Tätigkeit im Rahmen von Tages- und Nachtdiensten zu erfolgen habe.

Darin zeige sich insgesamt, dass die objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation ein Tätigwerden der OP-Schwestern nach Dienstplan und im Rahmen von Tag- und Nachtdiensten erfordert habe. Daraus ergebe sich, dass die genannten Personen jeweils ab Einteilung durch den Dienstplan - und diese sei während der strittigen Zeiträume laufend erfolgt - an die Vorgaben des Dienstgebers hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort gebunden gewesen seien.

Zur Frage, ob die OP-Schwestern - unabhängig von den anlässlich einer Dienstbesprechung eingegangenen Arbeitszeitvereinbarungen - verpflichtet gewesen seien, ihre Arbeitskraft in einem bestimmten monatlichen oder wöchentlichen Ausmaß zur Verfügung zu stellen, ergebe sich aus dem Vertrag, dass ein bestimmtes monatliches Gesamtausmaß der zeitlichen Beanspruchung nicht garantiert werde, jedoch einvernehmlich davon ausgegangen werde, dass seitens der OP-Schwester die grundsätzliche Bereitschaft bestehe, Dienste und Rufbereitschaftsdienste zu leisten.

Die Anstaltsordnung sehe vor, dass der ärztliche Leiter und die Geschäftsführung im Konfliktfall über die Festlegung des Dienstplanes und damit einseitig über das Ausmaß und die Lage der Arbeitszeit der OP-Schwestern entscheiden könnten. Damit im Einklang stehe die Aussage von Frau B, wonach immer dann, wenn anlässlich einer Dienstbesprechung "Dienste übrig" geblieben seien, eine angestellte Schwester für diese Dienste eingeteilt worden sei. Aus dieser Aussage müsse unter Berücksichtigung der objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation und der Anstaltsordnung abgeleitet werden, dass bei Personalmangel ein Führungsinstrument notwendig gewesen sei, mit dem bei Bedarf die Arbeitszeit jeder unter Vertrag stehenden OP-Schwester habe in Anspruch genommen werden können. Daraus ergebe sich, dass die Dienstpläne nicht immer das Ergebnis freiwilliger Absprachen der OP-Schwestern untereinander gewesen seien, sondern bei Personalmangel unter Umständen auch das Ergebnis einer Anordnung des Vorgesetzten.

Ob dies mit dem Arbeitsrecht vereinbar sei oder ob allenfalls teilnichtige Arbeitszeitvereinbarungen vorlägen, könne hier nicht abschließend geprüft werden. Auf Basis der vorhandenen Beweismittel müsse von rechtsgültigen Vereinbarungen ausgegangen werden. Für das hier zu untersuchende Beschäftigungselement der Arbeitszeit und des Arbeitsortes ergebe sich daraus insgesamt, dass die im Anhang genannten Personen anlässlich der regelmäßig stattfindenden Dienstbesprechungen bzw. in der unmittelbar darauf folgenden Woche mit der beschwerdeführenden Partei Vereinbarungen über Ausmaß und Lage ihrer Arbeitszeit für den im Dienstplan festgelegten Zeitraum getroffen bzw. Dienste angeordnet bekommen hätten.

Die in den Anhängen genannten Personen hätten während der festgestellten Zeiträume tatsächlich Dienste verrichtet. Es sei davon auszugehen, dass sie sich zu diesen Diensten auf Basis der Dienstbesprechungen bzw. Kontaktaufnahme mit der Leitung verpflichtet hätten bzw. dazu verpflichtet worden seien.

Zusammenfassend ergebe sich, dass die im Anhang genannten Personen während der dort genannten Zeiten die von der beschwerdeführenden Partei vorgegebenen Ordnungsvorschriften über ihre täglichen Arbeitszeiten und ihren Arbeitsort einzuhalten gehabt hätten.

Die im Akt befindliche Anstaltsordnung lege fest, dass die Funktionen und Pflichten der Bediensteten in einer Anstalts-Hausordnung festgehalten würden, die bei Bedarf durch Dienstanweisungen, die in der Folge in die Anstaltshausordnung aufgenommen würden, an neue Anforderungen angepasst werden solle. Den einzelnen Arbeitsbereichen seien Dienstaufsichten zugeordnet, deren Anordnungen zu befolgen seien. Auch der hausärztliche Dienst habe entsprechende Aufsichtspflichten wahrzunehmen. Die Anstaltsordnung lege das Dienstorganisationsschema (Tagdienste ab 7 Uhr bis 16 Uhr, Bereitschaft ab 16 Uhr bis 7 Uhr), Dienstpläne, Urlaube, Rufbereitschaft fest und verweise in Bezug auf allgemeine Hygiene auf begleitende hygienische Betriebskontrollen. Urlaube seien rechtzeitig bekannt zu geben und müssten von der Geschäftsführung und dem Chefarzt genehmigt werden. Ein Eintrag in den Urlaubskalender erfolge erst nach dieser Genehmigung. Laut Hausordnung sei dem Personal der Genuss alkoholischer Getränke während des Aufenthaltes im Sanatorium untersagt.

Die vernommenen OP-Schwestern hätten übereinstimmend angegeben, sie seien eingeschult worden. Ihre Anwesenheitspflicht habe sich danach gerichtet, ob sie für eine bestimmte Operation eingeteilt gewesen seien oder Rufbereitschaft gehabt hätten. Im letzteren Fall seien sie verpflichtet gewesen, längstens innerhalb von 20 Minuten ab Anruf im Sanatorium zur Verfügung zu stehen.

Daraus sei abzuleiten, dass die in den Anhängen genannten Personen im Rahmen ihrer Beschäftigung bei der beschwerdeführenden Partei weisungsgebunden und kontrollunterworfen gewesen seien. Ihr Arbeitsverhalten sei durch die Anstaltsordnung und die Hausordnung vorausbestimmt gewesen. Sie seien der Dienstaufsicht der für sie zuständigen Hausärzte unterlegen.

Da die OP-Schwestern innerhalb einer festen Betriebsstätte beschäftigt gewesen seien, sei es der Dienstgeberseite auch jederzeit möglich gewesen, durch Einsatz eigener Mitarbeiter bei Bedarf zu überprüfen, ob ihre Vorschriften über das Arbeitsverhalten eingehalten worden seien bzw. bei Bedarf in das Arbeitsverhalten der OP-Schwestern und in den Arbeitsablauf im Sinne der objektiven Anforderungen der beschwerdeführenden Partei einzugreifen. Die dadurch ermöglichten Weisungen und die Kontrolle seien nicht rein sachbezogen gewesen, sondern hätten das Arbeitsverhalten und den Arbeitsablauf zum Gegenstand gehabt. Der schriftliche Vertrag sei, insoweit er Weisungsfreiheit normiere, als Scheinvereinbarung zu beurteilen.

Laut Vertrag könne sich eine OP-Schwester jederzeit von einer anderen OP-Schwester ihrer Wahl - aus dem Pool des Sanatoriums oder, sofern der Chefarzt ausdrücklich zustimme, von außerhalb - vertreten lassen. Auch bei bereits übernommenen Diensten oder Rufbereitschaftsdiensten könne sie sich jederzeit "grundlos" von einer anderen OP-Schwester ihrer Wahl mit gleicher Qualifikation auf eigene Kosten und eigenes Risiko vertreten lassen. Die Vertretung sei jedoch so rechtzeitig bekannt zu geben, dass der Operationsbetrieb nicht gefährdet sei. Hiebei sei auch die Qualifikation nachzuweisen, soweit es sich nicht um Personen handle, deren Qualifikation dem Sanatorium ohnedies bekannt sei.

Die vernommenen OP-Schwestern hätten übereinstimmend angegeben, sie hätten einen eingeteilten Dienst mit einer anderen bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigten OP-Schwester tauschen können. Bei Vertretung durch eine auswärtige Schwester habe man aber bei Dr. S rückfragen müssen. Im Falle von Krankheit rufe man die Hausärztin oder Dr. S an, damit diese für Ersatz sorgen könnten.

Die Erlaubnis, sich von Kollegen vertreten zu lassen, erfülle nicht die Kriterien einer generellen Vertretungsbefugnis. Soweit die beschwerdeführende Partei vorbringe, der ursprünglich bei der beschwerdeführenden Partei eingerichtete "Pool" sei durch den persönlichen Wechsel und geänderte Interessenlage der Poolteilnehmer zu einer offenen Vertretung geworden, so könne dies nicht nachvollzogen werden. Die beschwerdeführende Partei räume dazu selbst ein, dass immer dann, wenn OP-Schwestern dem Sanatorium fremde Vertreter namhaft gemacht hätten, diese ein Vertragsverhältnis zur beschwerdeführenden Partei einzugehen gehabt hätten. Diese Vorgangsweise belege nicht das Vorliegen einer generellen Vertretungsbefugnis.

Es sei daher zusammenfassend festzustellen, dass die in den Anhängen genannten Personen zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen seien. Der schriftliche Vertrag sei, insoweit er ein beliebiges Vertretungsrecht normiere, als Scheinvertrag zu werten.

Die Aussagen würden weiter zeigen, dass eingetragene Dienste nicht jederzeit ohne weiteres durch Anruf bei der beschwerdeführenden Partei hätten abgesagt werden können, sondern nur im Verhinderungsfall (etwa bei Krankheit). Diese Aussagen erschienen nachvollziehbar und lebensnahe.

Soweit die beschwerdeführende Partei vorbringe, man habe als OP-Schwester bereits eingetragene Dienste auch grundlos - und sanktionslos - absagen können, erscheine dies angesichts der objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation der beschwerdeführenden Partei nicht glaubwürdig: Es müsse davon ausgegangen werden, dass einmal festgelegte Dienstpläne für die eingetragenen OP-Schwestern verbindlich gewesen seien und nicht ohne weiteres wieder abgesagt hätten werden können. Die in den Anhängen genannten Personen hätten nicht die Möglichkeit gehabt, einmal im Dienstplan festgelegte Dienste sanktionslos wieder abzulehnen.

Die in den Anhängen genannten Personen hätten mit den Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei gearbeitet; sie seien wirtschaftlich abhängig.

Die vernommenen OP-Schwestern hätten übereinstimmend angegeben, dass sie anlässlich regelmäßig stattfindender Dienstbesprechungen die Möglichkeit gehabt hätten, bekannt zu geben, für welche konkreten Arbeitszeiten sie sich hätten verfügbar halten wollen. Dies sei bei der Diensteinteilung berücksichtigt worden; einmal festgesetzte Dienste seien verbindlich gewesen. Die bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigten OP-Schwestern hätten somit grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, anlässlich einer Dienstbesprechung sowohl die Lage als auch das Ausmaß ihrer Arbeitszeit für einen bestimmten Zeitraum nach eigenem Ermessen höher oder auch niedriger festzulegen. Die OP-Schwestern hätten somit grundsätzlich die Möglichkeit gehabt, die Tätigkeit zeitweise bis zur nächsten Dienstbesprechung zu unterbrechen oder nur geringfügig auszuüben. Wie sich aus den Anlagen des angefochtenen Bescheides ergebe, hätten einzelne OP-Schwestern zeitweise von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Ab Feststehen des Dienstplanes habe eine im Vorhinein für den gesamten Zeitraum des Dienstplanes festgelegte Arbeitsverpflichtung bestanden. Die in den Anhängen genannten Personen seien im so festgelegten Zeitraum durchgehend beschäftigt gewesen. Die OP-Schwestern hätten dann nicht mehr die Möglichkeit gehabt, die eingetragenen Dienste sanktionslos abzulehnen. Es sei von einer im Zeitraum des erstellten Dienstplanes periodisch wiederkehrenden Leistungspflicht auszugehen. Es sei für die genannten Zeiträume im Ergebnis eine durchgehende Versicherungspflicht festzustellen gewesen.

Auf das Argument der beschwerdeführenden Partei, die Schwestern seien den Belegärzten lediglich zur Verfügung gestellt worden, sei nicht im Detail einzugehen, da selbst für den Fall, dass tatsächlich eine Überlassung von Arbeitnehmerinnen vorgelegen wäre, dennoch die beschwerdeführende Partei als Dienstgeberin der genannten OP-Schwestern einzustufen wäre.

Die Aussagen der vernommenen Personen seien in ihrem Gesamtbild lebensnahe und in sich widerspruchsfrei. Die von der beschwerdeführenden Partei geforderte Wiederholung aller bereits durchgeführten Vernehmungen sei nicht erforderlich. Der Sachverhalt ergebe sich ausreichend klar aus den vorgelegten Dokumenten. Die vorliegenden Aussagen seien nachvollziehbar und lebensnahe. Sie stünden mit den klar hervorgekommenen objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation der beschwerdeführenden Partei im Einklang. Eine nochmalige Vernehmung würde den Prinzipien der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis widersprechen.

Da für die in den Anhängen genannten Personen unbestritten die gleichen vertraglichen und tatsächlichen Beschäftigungsbedingungen gegolten hätten, könne aus den vorliegenden Beweismitteln ohne weitere Ermittlungen auch auf die Versicherungspflicht jener Personen geschlossen werden, die nicht eigens vernommen worden seien.

Die genannten Personen seien im Rahmen der strittigen Tätigkeiten an Vorgaben des Dienstgebers über Arbeitszeit und Arbeitsort gebunden gewesen. Sie seien weisungsgebunden und kontrollunterworfen gewesen. Sie seien zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen und hätten mit den Betriebsmitteln der beschwerdeführenden Partei gearbeitet. Die festgestellten Beschäftigungsmerkmale würden das Gesamtbild einer Beschäftigung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ergeben. Soweit die schriftlichen Verträge mit der tatsächlichen Beschäftigung nicht im Einklang stünden, seien sie als Scheinverträge zu beurteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt - ebenso wie die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihrer Gegenschrift - die (kostenpflichtige) Abweisung der Beschwerde. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die beschwerdeführende Partei macht geltend, die belangte Behörde habe richtig erkannt, dass es sich bei den Verträgen mit den OP-Schwestern nicht um Werkverträge handle; die OP-Schwestern hätten sich dazu verpflichtet, der beschwerdeführenden Partei Dienstleistungen zu erbringen.

Die belangte Behörde hätte bei ihrer Beurteilung jedoch nicht vom schriftlichen Vertrag, sondern von der gelebten Praxis ausgehen sollen. Die Dienstleistung müsse und könne nur im Sanatorium der beschwerdeführenden Partei am Patienten erbracht werden; das Kriterium der freien Wahl des Arbeitsortes müsse daher unberücksichtigt bleiben. Die Vereinbarung, eine Dienstleistung an einem bestimmten Ort zu erbringen, schade der Beurteilung als freier Dienstvertrag noch nicht.

Die Praxis der beschwerdeführenden Partei habe es ermöglicht, Vertretungen nicht nur in bestimmten Einzelfällen einzusetzen, diese sei vielmehr generell gestattet gewesen. OP-Schwestern mit freien Dienstverträgen hätten jederzeit eine Vertreterin namhaft machen können. Dass im Krankheitsfall seitens des Sanatoriums für Ersatz gesorgt worden sei, sei ein Entgegenkommen gegenüber einer erkrankten OP-Schwester und keine Einschränkung des Vertretungsrechtes. Es sei auch nicht hervorgekommen, dass die Ausübung des Vertretungsrechtes von der beschwerdeführenden Partei in irgendeiner Weise sanktioniert worden sei.

OP-Schwestern mit freien Dienstverträgen hätten im Vertretungsfall auch nicht die Zustimmung des Dienstgebers einholen müssen. In der gelebten Praxis hätten die OP-Schwestern die beschwerdeführende Partei über den Namen derjenigen OP-Schwester informiert, die die Vertretung übernommen habe. Es habe sich hiebei um eine Namhaftmachung einer Kollegin, nicht um eine Zustimmungseinholung gehandelt. Diese Namhaftmachung habe ausschließlich zur Wahrung der Qualität des Sanatoriums gedient. Es könne der beschwerdeführenden Partei nicht abgesprochen werden, von den fachlichen Qualitäten ihrer OP-Schwestern, insbesondere jener, die erstmals für die Beschwerdeführerin tätig geworden seien, vorab Kenntnis zu erlangen.

Die belangte Behörde habe weitere Merkmale eines freien Dienstverhältnisses nicht berücksichtigt. Das Fehlen einer Urlaubsregelung in den freien Dienstverträgen der OP-Schwestern spreche für das Vorliegen eines freien Dienstverhältnisses. Auch die Tatsache, dass die OP-Schwestern mit freien Dienstverträgen nicht in die Organisation der beschwerdeführenden Partei eingebunden gewesen seien, spreche gegen ein echtes Dienstverhältnis. Die von der belangten Behörde herangezogenen Arbeitsplatzbeschreibungen seien kein Indiz für das Vorliegen eines echten Dienstverhältnisses. Die Bindung an bestimmte Dienstbeschreibungen begründe noch keine persönliche Abhängigkeit, soweit es sich nur um eine Abgrenzung des Vertragsgegenstandes handle. Genau dies sei bei den Dienstbeschreibungen der OP-Schwestern der Fall. Es handle sich hier nicht um eine Einschränkung in ihrer Entscheidungsfreiheit, sondern um eine Abgrenzung von anderen Tätigkeitsbereichen. Es liege sohin keine ins Gewicht fallende persönliche Abhängigkeit vor, wenn eine Bindung des freien Dienstnehmers an vertraglich vereinbarte Inhalte bestehe.

Weiter rügt die beschwerdeführende Partei, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, entsprechende Ergänzungen des Sachverhalts von Amts wegen vorzunehmen, etwa eine vergleichende Einvernahme der angestellten OP-Schwester, Feststellungen zur freien Arbeitszeiteinteilung der OP-Schwestern mit freiem Dienstvertrag anhand der im Akt vorliegenden Dienstpläne und in der Höhe schwankenden Honorarnoten, sowie zum Vertretungsrecht anhand von handschriftlichen Änderungen in den vorgelegten Dienstplänen. Auch rügt die beschwerdeführende Partei die Beweiswürdigung der belangten Behörde zur Weisungs- und Kontrollunterworfenheit, zum Arbeitsort, Betriebsmittel, Arbeitszeit, Vertretungsrecht und Honorar. Auch sei der Sachverhalt ergänzungsbedürftig. Das Ermittlungsverfahren hätte sich - nach Meinung der beschwerdeführenden Partei - lediglich auf die vorliegenden Merkmale eines freien Dienstvertrages konzentrieren müssen. Die belangte Behörde hätte stärker auf die Spezifika eines Belegbettenspitals im Bereich Gynäkologie eingehen müssen. Insbesondere die Existenz eines zweigliedrigen, auf echte und freie Dienstverträge aufbauenden Personalschemas hätte bei der Beurteilung herangezogen werden müssen. Zwischen der OP-Schwester mit echtem Dienstvertrag und OP-Schwestern mit freien Dienstverträgen bestünden erhebliche Unterschiede (etwa monatliches Entgelt, Verpflichtung zur Leistung bestimmter Mindeststundenanzahl, Urlaubsregelung, keine freie Dienstplaneinteilung). In der Praxis bildeten Belegärzte und Schwestern meist eingespielte Teams, sodass viele Ärzte "ihre Schwestern" in das Sanatorium der Beschwerdeführerin mitbrächten, um gemeinsam eine Operation durchführen zu können. Es sei gelebte Praxis, dass OP-Schwestern mit freiem Dienstvertrag im Verhinderungsfall eine Kollegin stellten, die ihren Dienst übernehme. Ausdrückliches Einverständnis oder die Zustimmung der beschwerdeführenden Partei sei nicht notwendig. In der Regel würden OP-Schwestern herangezogen, die ebenfalls einen freien Dienstvertrag mit der beschwerdeführenden Partei abgeschlossen hätten. Sollte dies nicht möglich sei, sei aber auch eine Vertretung durch eine andere OP-Schwester, die (bisher) keinen freien Dienstvertrag mit der beschwerdeführenden Partei abgeschlossen habe, möglich. Um einen ordnungsgemäßen Sanatoriumsbetrieb zu gewährleisten, werde die Vertretung durch eine sanatoriumsfremde OP-Schwester der beschwerdeführenden Partei bekannt gegeben.

Auffallend sei die Mangelhaftigkeit und selektive Vorgehensweise bei der Befragung einiger OP-Schwestern mit freiem Dienstvertrag gewesen. Es wäre erforderlich gewesen, sämtliche OP-Schwestern mit freiem Dienstvertrag zu befragen, da viele von ihnen nicht den gesamten Prüfungszeitraum hindurch bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigt gewesen seien. Die von der Behörde angewandten Einvernahmemethoden hätten nicht dem Auftrag der materiellen Wahrheitsfindung entsprochen. So sei etwa der ärztlichen Leiterin Dr. P die Niederschrift von Dr. S mit der Frage vorgelegt worden, ob sie diese Aussage bestätige. Eine anschließende selbständige Einvernahme von Dr. P sei nicht mehr durchgeführt worden.

2. Der vorliegende Fall, in welchem (nur) strittig ist, ob die Erst- bis Neuntmitbeteiligten in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt oder aufgrund von freien Dienstverträgen zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichtet waren, gleicht in weiten Bereichen in Sachverhalt und Rechtsfragen dem mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2009/08/0188, entschiedenen Fall. Es wird daher (zunächst) auf die Begründung jenes Erkenntnisses gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

Eine erhebliche Abweichung im Sachverhalt besteht allerdings hinsichtlich der Frage der Vertretungsbefugnis:

Die belangte Behörde hat betreffend die OP-Schwestern festgestellt, dass diese laut Vertrag einen eingeteilten Dienst mit einer anderen bei der beschwerdeführenden Partei beschäftigten OP-Schwester tauschen konnten und dies auch tatsächlich so gehandhabt worden sei. Bei Vertretung durch eine auswärtige Schwester habe man bei Dr. S rückfragen müssen. Dies erfülle nicht die Kriterien einer generellen Vertretungsbefugnis. Die beschwerdeführende Partei räume selbst ein, dass immer dann, wenn OP-Schwestern dem Sanatorium fremde Vertreter namhaft gemacht hätten, diese ein Vertragsverhältnis zur beschwerdeführenden Partei einzugehen gehabt hätten.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde dürfte der Annahme, dass die OP-Schwestern die Befugnis hatten, sich vertreten zu lassen, keine betrieblichen Erfordernisse entgegengestanden sein. Eine generelle Vertretungsbefugnis (und nur auf diese käme es hier an) würde gedanklich voraussetzen, dass es dem Arbeitgeber grundsätzlich gleichgültig ist, wer die zu verrichtenden Tätigkeiten vornimmt. Denn nur dann fehlt es an der für das Bestehen der Versicherungspflicht nach § 4 Abs. 2 ASVG maßgeblichen persönlichen Arbeitspflicht. Für die Annahme genereller Vertretungsbefugnis ist es aber unmaßgeblich, dass der Beschäftigte nur geeignete Dritte als Vertreter stellig machen darf, weil es bei der Vertretungsberechtigung immer um eine solche in Bezug auf eine übernommene Arbeitspflicht und daher durch eine Person geht, die in der Lage ist, diese Arbeitspflicht gegenüber dem Empfänger der Arbeitsleistung zu erfüllen. Selbst die (über eine bloße Rücksprache hinausgehende) Zustimmungsbedürftigkeit der jeweiligen Entsendung eines Vertreters seitens des Empfängers der Arbeitsleistung muss nicht in jedem Fall ein zwingendes Indiz für die persönliche Arbeitspflicht des Beschäftigten sein. Der Vorbehalt der Zustimmung des Dienstgebers stünde der Annahme eines generellen Vertretungsrechts nur dann entgegen, wenn erst durch diese Absprache eine Dispens von der persönlichen Arbeitspflicht im Einzelnen erteilt worden wäre. Anders wäre es hingegen, wenn die Absprache bloß administrativen Zwecken diente. Ohne Bedeutung ist es ferner, ob der Vertreter durch den Beschäftigten selbst oder den Empfänger der Arbeitsleistung entlohnt wird, weil dies nichts an der Vertretungsbefugnis selbst ändert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 2012, Zl. 2010/08/0204, mwN).

Es ist daher auch nicht entscheidend, ob die zunächst als fremde Vertreter namhaft gemachten Personen ein Vertragsverhältnis zur beschwerdeführenden Partei einzugehen hatten, da nur aufgrund eines derartigen Vertragsverhältnisses eine Entlohnung unmittelbar vom Empfänger der Arbeitsleistung erfolgen könnte.

Entscheidend ist aber hier, ob die Absprache der Vertretung im Vorhinein (bei Vertretung durch "auswärtige" Schwestern) lediglich administrativen Zwecken diente, oder ob erst durch diese Absprache die vertretene OP-Schwester von der persönlichen Arbeitspflicht entbunden wurde. Ob das eine oder das andere der Fall ist, hat die belangte Behörde aber nicht festgestellt.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Mehrbegehren ("Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG") war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende sachliche Abgabenfreiheit (§ 110 ASVG) abzuweisen.

Wien, am 17. Oktober 2012

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