VwGH 2009/05/0109

VwGH2009/05/010931.1.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde des A M in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Pitzal, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 30. September 2008, Zl. BOB-345/08, betreffend Zurückweisung eines Bauansuchens, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §62a Abs1 Z24 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z33 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauRallg;
VwRallg;
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauO Wr §62a Abs1 Z24 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z33 impl;
BauO Wr §62a Abs1 Z5;
BauO Wr §62a Abs1;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A) Zum angefochtenen Bescheid

1. Der Beschwerdeführer richtete an den Magistrat der Stadt Wien als Baubehörde erster Instanz folgendes mit 18. April 2008 datiertes Schreiben:

"Ich beabsichtige auf unserer Terrasse mit einer Fläche von ca 7mx18m einen Gerätekasten mit einer Grösse von 1,5x2,20 und auf unserem Balkon mit einer Fläche von 1,5x19, einen Gerätekasten mit einer Grösse von 1,5x3,0 Meter aufzustellen.

Ebenso möchte ich eine bestehende Pergola aus Eisen, mit einer Fläche von 3,5x18 Meter und Höhe von 2,9 m im mittleren Bereich mit einer Fläche von 3,4x6 m, mit Holzlamellen als Schattenspender bedecken.

Den Plan lege ich bei.

Ich ersuche um Ihre Zustimmung."

Mit Aufforderung vom 21. April 2008 teilte der Magistrat dem Beschwerdeführer mit, dass sein Ansuchen um Baubewilligung formalrechtlich nicht den Bestimmungen der Bauordnung für Wien (BO) entspreche. Er werde daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert, binnen 14 Tagen (zusammengefasst) folgende Beilagen nachzureichen: Eine Grundbuchsabschrift für die Liegenschaft Wien, EZ 559 der KG N, die Zustimmung des Eigentums dieser Liegenschaft, Baupläne gemäß § 64 BO (versehen mit der Unterschrift des Bauwerber, des Eigentümers der Liegenschaft, des Planverfassers und des Bauführers), und ferner eine statische Vorbemessung einschließlich eines Fundierungskonzeptes oder ein Gutachten, dass auf Grund der Geringfügigkeit des Bauvorhabens aus statischen Belangen keine Gefährdung des Lebens, der Gesundheit von Menschen oder des Eigentümers gegeben sei. Sollte der Beschwerdeführer die genannte Frist nicht einhalten, müsste der Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen werden.

Mit Schreiben vom 7. Mai 2008 beantragte der Beschwerdeführer eine Fristverlängerung, weil die Beschaffung der von der Behörde ("zu Recht oder zu Unrecht") verlangten Beilagen sehr viel Zeit benötige, ferner wies er darauf hin, dass es sich nicht um die Liegenschaft in der Kstraße Nr. 307/1/2, sondern (wie aus dem übermittelten Plan ersichtlich) um die Liegenschaft RGasse 14/6 handle.

2. Mit Bescheid vom 23. Mai 2008 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom Magistrat der Stadt Wien gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen. Begründend wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass die Aufforderung vom 21. April 2008 vom Beschwerdeführer unbeachtet geblieben sei und es diesem frei stehe, neuerlich ein vollständig belegtes Bauansuchen einzubringen.

Dagegen richtete der Beschwerdeführer eine Berufung vom 10. Juni 2008, in der er ausführte, dass die Aufstellung der von ihm in Aussicht genommenen Möbelstücke (Werkzeugkasten) keiner Baubewilligung, sondern nur einer Mitteilung bedürfe, weil die Aufstellung dieser Möbelstücke keine bauliche Maßnahme darstelle; unter anderem beantragte er auch einen Lokalaugenschein und legte ein Schreiben des Bezirksvorstehers des X. Bezirks der Stadt Wien vom 4. Jänner 2008 bei, wonach Möbelstücke wie die intendierten Gerätehütten des Beschwerdeführers keiner Baubewilligung bedürften.

3. Diese Berufung wurde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes festgehalten:

Gemäß § 62a Abs. 1 Z. 5 BO seien für Gartenhäuschen, Lauben, Saletteln, Geräte- und Werkzeughütten (unter weiteren Voraussetzungen) weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich. Vorliegend handle es sich allerdings um Gerätekästen, die auf einer Terrasse bzw. einem Balkon errichtet werden sollten. Eine Errichtung derartiger Baulichkeiten auf einer Terrasse oder einem Balkon sei gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig, weil (unter Hinweis auf "Kirchmayer, Wiener Baurecht, 2. Auflage, S. 226") dadurch das äußere Ansehen des Gebäudes geändert werde. Da die nach § 13 Abs. 3 AVG gesetzte Frist nicht der Beschaffung oder Erstellung der Unterlagen, sondern bloß der Nachreichung von bereits vorhandenen Unterlagen diene, sei die gesetzte 14-tägige Frist nicht als zu kurz bemessen anzusehen, zumal die einem Ansuchen auf Baubewilligung beizulegenden Unterlagen bereits aus der gesetzlichen Bestimmung des § 63 BO hervorgingen.

B) Zum Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C) Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zur veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

Im Fall einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen wurde, ist Gegenstand der Berufungsentscheidung allein die Frage, ob der angefochtene (unterinstanzliche) Bescheid dieser Gesetzesbestimmung entspricht, also ob die sachliche Behandlung des Antrages mangels Befolgung des Verbesserungsauftrages zu Recht verweigert wurde. In einem solchen Fall ist somit "Sache" im Sinn des § 66 Abs. 4 AVG und Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage, ob dem Antragsteller von der unterinstanzlichen Behörde zu Recht eine Sachentscheidung verweigert wurde; weiters kann die Behebung des zu der Zurückweisung des Anbringens führenden Mangels im Berufungsverfahren nicht mehr nachgeholt werden.

Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 3 AVG ist klar, dass eine auf ihn gestützte Zurückweisung nur bei solchen schriftlichen Anbringen in Frage kommt, die mit Mängeln behaftet sind. Nur dann, wenn ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt hat, hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln, also insbesondere den Antragsteller zu einer Präzisierung des nicht eindeutigen Umfanges seines Begehrens aufzufordern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 2010, Zl. 2008/03/0129, mwH).

Was unter einem Mangel schriftlicher Eingaben iSd § 13 AVG zu verstehen ist, muss der in Betracht kommenden materiellen Verwaltungsvorschrift entnommen werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 23. März 1999, Zl. 96/05/0297, mwH); als Mangel ist insbesondere das Fehlen von Belegen anzusehen, wenn die Partei auf Grund des Gesetzes erkennen konnte, welche Unterlagen erforderlich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 2009, Zl. 2008/05/0206, mwH). Ein Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG ist immer nur dann gesetzmäßig, wenn der angenommene Mangel tatsächlich vorliegt, was etwa bedeutet, dass ein Verbesserungsauftrag, mit dem Unterlagen bzw. Angaben für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens nur dann zulässig erscheint, wenn diese Unterlagen bzw. Angaben für die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens nach den jeweiligen gesetzlichen Regelungen (bzw. den darauf gestützten Verordnungen) erforderlich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. April 2002, Zl. 2000/06/0143; vgl. dazu auch Hengstschläger/Leeb, AVG, 1. Teilband, 2004, § 13, Rz 25 ff, insbesondere Rz 30, sowie die dort zitierte Rechtsprechung).

2. § 62a BO lautet auszugsweise:

"Bewilligungsfreie Bauvorhaben

§ 62a. (1) Bei Bauführungen, die folgende Anlagen betreffen, ist weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich:

...

5. Gartenhäuschen, Lauben, Saletteln, Geräte, und Werkzeughütten und dergleichen mit einer Grundfläche von höchstens 12 m2 und einer Gebäudehöhe beziehungsweise lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von höchstens 2,50 m im Bauland, auf Grundflächen für Badehütten und im Erholungsgebiet - Sport- und Spielplätze;"

3. In der Beschwerde wird (zusammengefasst) insbesondere geltend gemacht, dass für das vom Beschwerdeführer in Aussicht genommene Vorhaben - das Aufstellen von Gerätekästen bzw. die Ausgestaltung der vorhandenen Pergola - weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich sei, und daher die Aufforderung gemäß § 13 Abs. 3 AVG samt der darauf erfolgten Zurückweisung seines von der Behörde als Ansuchen aufgefassten Schreibens vom 18. April 2008 zu Unrecht erfolgt sei. Die Behörde hätte erkennen müssen, dass vorliegend weder eine Baubewilligung noch eine Bauanzeige erforderlich sei und hätte dies dem Beschwerdeführer mitzuteilen gehabt. Bei den beiden Gerätekästen, deren Aufstellung beabsichtigt sei, handle es sich keinesfalls um Baulichkeiten im Sinn der BO. Vielmehr stellten diese Möbelstücke dar, die jederzeit verschoben und weggebracht werden könnten. Für die Gerätekästen in der bekannt gegebenen Ausführung sei keine baubehördliche Genehmigung erforderlich, es sei damit keine Überlastung der normalen bauordnungs- und normgemäßen Belastungsgrenzen von begehbaren Terrassen gegeben, auch das äußere Ansehen des Gebäudes würde nicht verändert.

4. Die belangte Behörde stützte die aktuelle Bewilligungspflicht auf § 60 Abs. 1 lit. c BO, wonach - soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70 BO zur Anwendung kommen - Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, durch die (u.a.) das äußere Ansehen geändert wird oder die von Einfluss auf die Festigkeit sind, "vor Beginn" die Bewilligung der Behörde zu erwirken ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings schon wiederholt ausgeführt, dass allein die Veränderung des äußeren Ansehens eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage nicht bedeuten kann, dass eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 BO jedenfalls nicht in Betracht käme, zumal diese Bestimmung - vgl. insbesondere deren Z. 24 und Z. 33 - Bewilligungsfreiheit für Bauausführungen vorsieht, mit denen üblicherweise eine Änderung des äußeren Ansehens von Gebäuden und baulichen Anlagen einhergehen kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Juli 2009, Zl. 2006/05/0277, und vom 23. Februar 2010, Zl. 2007/05/0064). Es ist nicht zu erkennen, warum dies nicht auch für die im angefochtenen Bescheid für die vorliegende Baulichkeit genannte Z. 5 des § 62a Abs. 1 BO gelten sollte (vgl. das zitierte Erkenntnis Zl. 2006/05/0277).

Die belangte Behörde hätte daher nicht allein mit der Annahme einer Veränderung des äußeren Ansehens der Baulichkeit die Aufstellung der Werkzeugkästen als bewilligungspflichtig iSd § 60 Abs. 1 lit. c BO erachten dürfen. Vielmehr hätte sie näher zu prüfen gehabt, ob diese Werkzeugkästen auf Grund ihrer Beschaffenheit und ihres Aussehens von der demonstrativen Aufzählung in der im angefochtenen Bescheid als grundsätzlich einschlägig erachteten Regelung des § 62a Abs. 1 Z. 5 BO erfasst werden, weil sie den dort genannten demonstrativ aufgezählten Baulichkeiten und Gegenständen gleichgehalten werden können, und - bejahendenfalls - ob diese Werkzeugkästen die dort genannten näheren weiteren Voraussetzungen (was auf Grund der vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren angegebenen Ausmaß nicht von vornherein verneint werden kann) erfüllen.

Die im angefochtenen Bescheid erkennbar vertretene Auffassung, dass bei Errichtung einer Baulichkeit iSd § 62a Abs. 1 Z. 5 BO auf einer Terrasse oder einem Balkon das äußere Ansehen des Gebäudes geändert werde und damit jedenfalls eine Bewilligungspflicht bestehe, erweist sich als nicht zutreffend (vgl. das Erkenntnis Zl. 2006/05/0277).

5. Ohne die vorliegend - wie dargestellt - erforderliche, von der belangten Behörde verabsäumte nähere Prüfung, ob eine Bewilligungsfreiheit nach § 62a Abs. 1 Z. 5 BO gegeben ist, ist die Auffassung der Behörde, dass der von ihr auf dem Boden des Vorliegens einer Bewilligungspflicht nach § 60 Abs. 1 lit. c BO angenommene Mangel tatsächlich vorliegt, nicht nachvollziehbar, weshalb sich der nach § 13 Abs. 3 AVG erteilte Verbesserungsauftrag, über den die belangte Behörde mit dem bekämpften Bescheid abgesprochen hat, nicht als gesetzmäßig erweist.

6. Der angefochtene Bescheid war daher von einem nach § 12 Abs 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 31. Jänner 2012

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