VwGH 2008/22/0259

VwGH2008/22/025923.5.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der J, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 2008, Zl. 317.718/2-III/4/07, betreffend Aufenthaltstitel, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §60;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
FrPolG 2005 §60;
NAG 2005 §11 Abs1 Z1;
VwGG §30 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer serbischen Staatsangehörigen, auf erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zweck der Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehemann gemäß § 21 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Z 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht (NAG) ab.

Zur Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die Beschwerdeführerin sei am 3. Dezember 2003 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 4. Dezember 2003 einen Asylantrag eingebracht, welcher am 24. Mai 2005 rechtskräftig abgewiesen worden sei. Am 12. November 2004 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und am 4. Jänner 2005 den begehrten Aufenthaltstitel im Inland gestellt, wozu sie aber gemäß § 21 Abs. 1 NAG nicht berechtigt gewesen sei. Da sie sich seit Beendigung ihres Asylverfahrens nicht rechtmäßig in Österreich aufhalte, stehe § 21 Abs. 1 NAG einer Bewilligung ihres Antrags entgegen. Ferner sei gegen sie ein Aufenthaltsverbot von der Bundespolizeidirektion Wien, welches bis 27. August 2017 gültig sei, mit Bescheid vom 15. Juni 2007 erlassen worden und sei am 27. Juli 2007 in Rechtskraft erwachsen. Damit sei die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 11 Abs. 1 Z 1 NAG zwingend zu versagen; auf die weiteren Einwendungen, auch im Zusammenhang mit ihren persönlichen Verhältnissen, sei daher nicht weiter einzugehen, denn ein zwingender Versagungsgrund sei einer Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK nicht zugänglich; eine Prüfung gemäß §§ 72, 74 NAG sei damit entbehrlich. Schließlich stellte die belangte Behörde fest, dass kein "Freizügigkeitssachverhalt" im Sinn der §§ 51 ff. NAG vorliege.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Die belangte Behörde hat unberücksichtigt gelassen, dass die Beschwerdeführerin gegen den die Erlassung eines Aufenthaltsverbots betreffenden Bescheid (der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien) vom 26. Juli 2007 Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, der mit Beschluss vom 16. August 2007, Zl. AW 2007/18/0377, aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Dieser Umstand stand der Heranziehung des Versagungsgrundes des § 11 Abs. 1 Z 1 NAG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheid (am 7. März 2008) entgegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. März 2011, Zl. 2008/22/0312, mwN). Der angefochtene Bescheid erweist sich daher schon insofern als rechtswidrig.

2. Der Beschwerdefall gleicht ferner vor dem Hintergrund der Ausführungen des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) im Urteil vom 15. November 2011, C-256/11 , darin, dass die belangte Behörde in Verkennung der durch den EuGH nunmehr klargestellten Rechtslage nicht anhand des unionsrechtlich vorgegebenen Maßstabes geprüft hat, ob der vorliegende Fall einen solchen Ausnahmefall, wonach es das Unionsrecht gebietet, dem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt zu gewähren, darstellt, jenem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 2012, Zl. 2011/22/0309, zu Grunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG wird sohin insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

Auch im vorliegenden Fall wird die belangte Behörde dazu im fortzusetzenden Verfahren nach Einräumung von Parteiengehör - diese Frage ist nicht mit der Beurteilung nach Art. 8 EMRK gleichzusetzen und war bisher nicht Gegenstand des behördlichen Verfahrens - entsprechende Feststellungen zu treffen haben.

Der angefochtene Bescheid war daher auch deswegen - ohne das Ergebnis der behördlichen Interessenabwägung im Hinblick auf Art. 8 EMRK einer Prüfung zu unterziehen - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. Mai 2012

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