VwGH 2008/17/0070

VwGH2008/17/007020.6.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Dr. O in W, vertreten durch Mag. Dr. Andreas Schuster, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 18, gegen den Bescheid des Präsidenten des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 5. März 2008, Zl. Jv 661/08b- 33, betreffend Zeugengebühr, zu Recht erkannt:

Normen

GebAG 1975 §18 Abs1 Z2 litb;
GebAG 1975 §18 Abs2;
GebAG 1975 §18 Abs1 Z2 litb;
GebAG 1975 §18 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer wurde in einer Arbeitsrechtssache als Zeuge zu einer Verhandlung am Arbeits- und Sozialgericht Wien für den 15. November 2007 um 9.00 Uhr geladen.

Nach seiner Vernehmung beantragte der Zeuge mit Schreiben vom 20. November 2007 die Erstattung der Fahrtkosten für öffentliche Verkehrsmittel in Wien von insgesamt EUR 3,40 und eine Entschädigung für Zeitversäumnis von drei Stunden zu je EUR 115,-- . Als Bestätigung für den Einkommensentgang legte er folgende Urkunden vor:

"Reisekosten:

 

2 Fahrschein in Wien a 1,70 Euro

3,40 Euro

Entschädigung für Zeitversäumnis:

 

gem. § 18 Abs. 1 GebAG:

 

3 Stunden a 14,20 Euro

42,60 Euro

insgesamt

46,00 Euro"

Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Inhalts des § 3 Abs. 1 GebAG aus, dass dem Beschwerdeführer gemäß §§ 6 und 7 GebAG die Kosten für ein öffentliches Verkehrsmittel für die An- und Rückreise zu Gericht von je EUR 1,70, insgesamt daher EUR 3,40, zuzusprechen gewesen seien. Zum Verdienstentgang führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer einen solchen für drei Stunden zu EUR 115,-- beantragt habe und als Bescheinigung den Einkommensteuerbescheid 2005 und E-Mails darüber vorgelegt habe, dass er am Tag der Ladung einen Termin in München gehabt hätte, welchen er auf Grund des Gerichtstermins nicht wahrnehmen habe können.

Gemäß § 18 Abs. 1 GebAG gebühre dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis EUR 14,20 für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die die Entschädigung für Zeitversäumnis zustehe.

Nach § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG gebühre dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis anstatt der Entschädigung nach Z 1 beim selbstständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 lit. c GebAG gebühre dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis anstatt der Entschädigung nach dem Buchstaben a oder b die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter.

Nach § 18 Abs. 2 GebAG habe im Falle des Abs. 1 Z 1 der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne von einem tatsächlichen Einkommensentgang bei einem selbstständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren gegangen sei. Unter "tatsächlich entgangenem" Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG sei jedoch nicht ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen zu verstehen.

Der selbstständig Erwerbstätige sei für die Erfüllung seiner Zeugenpflicht nicht nach den für ihn sonst geltenden Honorarsätzen oder in Anlehnung an sein sonstiges Einkommen zu entlohnen, sondern lediglich für einen konkreten Einkommensentgang zu entschädigen (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 15. April 1994, Zl. 92/17/0231). Die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides oder der Honorarrichtlinien stellten keine taugliche Unterlage zur Berechnung des tatsächlichen Verdienstentganges dar.

Der Zeuge sei für 9.00 Uhr geladen gewesen, die Verhandlung habe bis 10.30 Uhr gedauert. Es seien daher drei Stunden an Verdienstentgang inklusive An- und Abreise zu vergüten.

Mangels Vorlage eines Nachweises über ein tatsächlich entgangenes Einkommen seien die Gebühren für Verdienstentgang gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 GebAG mit EUR 14,20 pro Stunde zu berechnen gewesen. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 18 GebAG lautet:

"Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis

§ 18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen

1. 14,20 EUR für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

2. anstatt der Entschädigung nach Z 1

a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs. 1 Z 1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs. 1 Z 2 auch dessen Höhe zu bescheinigen."

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Auffassung, der Beschwerdeführer habe kein tatsächlich entgangenes Einkommen im Sinne des § 18 Abs. 1 Z 2 lit. b GebAG nachgewiesen.

Der Beschwerdeführer hält dem entgegen, dass sich weder die Erstbehörde noch die belangte Behörde mit den zum Nachweis seines Anspruchs der Höhe nach vorgelegten Unterlagen, insbesondere dem E-Mail-Verkehr, auseinandergesetzt hätten.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertreten hat, kann beim selbstständig Erwerbstätigen von einem tatsächlichen Einkommensentgang nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 1992, Zl. 89/17/0225, und vom 17. Dezember 1993, Zl. 92/17/0184).

Der Beschwerdeführer hat in diesem Sinne zu Recht auf einen von ihm wegen der Ladung für den 15. November 2007 nicht wahrgenommenen Termin anlässlich von Besprechungen eines Klienten mit Vertretern eines amerikanischen Unternehmens in München hingewiesen. Dass er die Höhe des dadurch entgangenen Einkommens mit den von ihm im Herbst 2007 verrechneten Durchschnittssätzen bescheinigte, bedeutet nicht, dass der Beschwerdeführer sich für seinen Einkommensentgang lediglich auf Durchschnittssätze berufen hätte. Der Nachweis dieser Sätze diente lediglich dazu, den jedenfalls eingetretenen Einkommensausfall der Höhe nach zu bescheinigen. Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid hat sich der Beschwerdeführer daher nicht lediglich auf ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes entgangenes Einkommen berufen, sondern einen konkreten Verdienstentgang geltend gemacht, dessen Höhe mit den von ihm üblicherweise verrechneten Stundensätzen nachgewiesen wurde. Wenn in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausgeführt wird, dass "die Vorlage eines Einkommensteuerbescheides oder der Honorarrichtlinien" "keine taugliche Unterlage zur Berechnung des tatsächlichen Verdienstentganges" darstelle, übersieht die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus die konkrete, von ihm wegen der Zeugenladung nicht wahrgenommene Tätigkeit genannt hatte, die ein Einkommen erbracht hätte.

Soferne die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen als nicht ausreichend angesehen hätte, die Unaufschiebbarkeit des Gesprächstermins nachzuweisen, und insoweit Zweifel am tatsächlichen Entgang des für die Teilnahme an der Besprechung zu lukrierenden Entgelts gehabt hätte, hätte sie gegebenenfalls den Beschwerdeführer zur Ergänzung seiner Unterlagen auffordern müssen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 92/17/0184).

Da die belangte Behörde dies verkannte, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 20. Juni 2012

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