VwGH 2011/23/0253

VwGH2011/23/025324.11.2011

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde des H, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 7. April 2008, Zl. E1/133038/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §72;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
NAG 2005 §72;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am 16. September 2002 illegal in das Bundesgebiet ein, wo er am 18. September 2002 Asyl beantragte. Mit Bescheid vom 6. April 2004 wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch für zulässig. Dieser Bescheid erwuchs infolge Zurückziehung der dagegen erhobenen Berufung durch den Beschwerdeführer am 30. September 2005 in Rechtskraft.

Nach Eheschließung des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin am 25. Februar 2005 wurde das am 17. September 2002 gegen ihn verhängte befristete Aufenthaltsverbot über seinen Antrag mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 20. Oktober 2005 aufgehoben. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" vom 15. März 2005 wurde nach der am 8. September 2006 erfolgten Ehescheidung mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 14. Jänner 2008 abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 6. November 2007 war der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des Gebrauchs einer falschen Urkunde im Rechtsverkehr nach den §§ 223 Abs. 2, 224a StGB und des versuchten schweren Betrugs unter Verwendung einer falschen Urkunde nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 224 und § 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. April 2008 wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich nach seiner illegalen Einreise zunächst nur auf Grund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz (vorübergehend) rechtmäßig gewesen sei; nach Abweisung seines Asylantrags halte er sich aber bereits viele Monate unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die mit seinem fünfeinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich verbundene Integration sei deshalb nicht entscheidend, weil er eine maßgebliche Zeit nur ein vorläufiges Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz besessen und eine längere Zeit hindurch gegen ihn ein - wenn auch nicht durchsetzbares - Aufenthaltsverbot bestanden habe. Schließlich habe er viele Monate hindurch gar kein Aufenthaltsrecht gehabt. Sein Aufenthalt könne darüber hinaus wegen der strafgerichtlichen Verurteilung auch nicht als unbeanstandet angesehen werden.

Der Beschwerdeführer habe keine familiären, jedoch berufliche Bindungen in Österreich, sodass auch angesichts seines schon fünfeinhalb Jahre dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen sei. Das nur zeitweise vorläufige Aufenthaltsrecht, das zeitweise rechtskräftige Aufenthaltsverbot und die strafgerichtliche Verurteilung wirkten allerdings wesentlich "interessenmindernd", sodass die privaten Interessen des Beschwerdeführers jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als jenes der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Besondere Umstände, die eine positive Ermessensübung durch die belangte Behörde zugelassen hätten, könnten weder erkannt werden, noch seien solche vorgebracht worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG (in der hier anzuwendenden Fassung vor dem FrÄG 2011) an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme seines rechtswidrigen Aufenthalts durch die belangte Behörde lediglich mit dem Argument, dass er - im Hinblick auf die bei Erhebung der gegenständlichen Beschwerde anhängige Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den seinen Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung abweisenden Bescheid - noch die Möglichkeit habe, eine "Aufenthaltslegalisierung im Rahmen der §§ 72 ff NAG" zu erreichen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst ein (im Verwaltungsverfahren) noch nicht erledigter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels einer Ausweisung nicht entgegensteht (vgl. das Erkenntnis vom 19. Mai 2011, Zl. 2008/21/0124, mwN). Nur der Vollständigkeit halber sei daher darauf hingewiesen, dass inzwischen die Beschwerde gegen den die Niederlassungsbewilligung betreffenden Berufungsbescheid vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. Juli 2009, Zl. 2008/22/0338, abgewiesen wurde.

Es bestehen daher keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG (in der angeführten Fassung) nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Die Ausweisung darf nach dem - auch bei Ausweisungen gemäß § 53 Abs. 1 FPG zu beachtenden (vgl. Punkt 2.3.2. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348) - § 66 Abs. 2 FPG (in der hier noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 29/2009) jedenfalls nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen (Z 1) und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen (Z 2) Bedacht zu nehmen. Bei der Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt.

In diesem Zusammenhang verweist der Beschwerdeführer auf seinen "rund sechs Jahre" währenden Aufenthalt im Inland und seine Berufstätigkeit.

Diesem Beschwerdevorbringen ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde angesichts des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bescheiderlassungszeitpunkt von knapp fünf Jahren und sieben Monaten sowie seiner Berufstätigkeit in Österreich ohnedies von einem Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers ausgegangen ist. Sie hat aber auch zu Recht darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. unter vielen das Erkenntnis vom 22. Oktober 2009, Zl. 2009/21/0293, Punkt 2.2.2.2. der Entscheidungsgründe, mit weiteren Nachweisen auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Dieses öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise in das Bundesgebiet beeinträchtigt. Wie bereits die belangte Behörde zutreffend ausführte, ist das Gewicht der aus der Dauer des inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers resultierenden persönlichen Interessen zudem auch insoweit zu relativieren, als dieser Aufenthalt zunächst nur auf Grund eines Asylantrags erlaubt war. Bei der Bewertung des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte nämlich auch berücksichtigt werden, dass er auf Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, und nach der Ehescheidung im September 2006 nicht damit rechnen durfte, dass er dauernd in Österreich würde verbleiben können. Zuletzt hielt sich der Beschwerdeführer bereits viele Monate ohne Aufenthaltstitel und damit unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Insgesamt ist es somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers als im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten und unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat. Wirtschaftliche Schwierigkeiten beim Aufbau einer Existenz im Heimatstaat sind auf Grund des dargestellten hohen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen in Kauf zu nehmen (vgl. das Erkenntnis vom 21. Dezember 2010, Zl. 2008/21/0557).

Die nach dem Beschwerdevorbringen geltend gemachten und im Ausweisungsverfahren grundsätzlich irrelevanten (vgl. Punkt 3.2. des bereits zitierten Erkenntnisses Zl. 2009/21/0293) "Nachfluchtgründe" gehen über die Nennung dieses Schlagwortes nicht hinaus, weshalb schon aus diesem Grund hier darauf nicht näher einzugehen ist.

Soweit der - bereits im Administrativverfahren rechtsanwaltlich vertretene - Beschwerdeführer eine Verletzung der Ermittlungspflicht und das Fehlen einer "detaillierten Einvernahme" rügt, ist dem zunächst zu erwidern, dass im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion kein Recht darauf besteht, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 14. April 2011, Zl. 2010/21/0495). Abgesehen davon, dass dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit zu rechtlichem Gehör geboten wurde, die er - etwa mit seiner Stellungnahme vom 20. Februar 2008 oder seiner Berufung vom 19. März 2008 - auch nutzte, ist das Beschwerdevorbringen in diesem Zusammenhang nicht ausreichend konkret. Da nicht näher dargetan wird, zu welchen Ergebnissen weitere Ermittlungen konkret geführt hätten, fehlt diesbezüglich eine ausreichende Relevanzdarstellung.

In der Beschwerde werden schließlich auch keine ausreichenden Gründe aufgezeigt, wonach die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht im Sinn des Gesetzes erfolgt wäre.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. November 2011

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte